Es gehört zur Prozedur bei den Fragestunden in der Kammer, dass zunächst alle Fragen gestellt werden, dann das Regierungsmitglied antwortet, und dann die Fragesteller noch einmal reagieren können.
Die Fragen waren wenig provokativ. Sie ergaben sich aus den Forderungen, die die Gelbwesten selbst stellen: Senkung der Kraftstoffpreise und allgemeine Erleichterungen bei der Steuerbelastung.
Lediglich Raoul Hedebouw von der PTB schien den Premier provozieren zu wollen. "Die Gelbwesten werden noch lange da sein", prophezeite er. "Denn die Bürger sind wütend. Die Bürger haben ihre Politik satt."
Keine Einbildung
Entsprechend den wenig provokanten Fragen bleib Michel ziemlich ruhig in seinen Antworten. "Ich möchte den Willen der Regierung verkünden, die Protestäußerungen anzuhören", sagte er. "Wir wollen die Erwartungen hören, die nicht nur auf Einbildungen beruhen, sondern natürlich tägliche Wirklichkeiten sind, wie sie von zahlreichen Bürgern empfunden werden. Wir wollen sie anhören, um diesen Zorn in positive Projekte umzuwandeln. In Lösungen."
Gleichzeitig machte Michel nicht den Fehler, zu viel zu versprechen. "Man kann nicht alles fordern", sagte er. "Man kann nicht fordern, finanzielle Mittel zum Kampf gegen den Klimawandel aufzuwenden, und gleichzeitig so zu tun, als ob Geld zum Nulltarif zu bekommen sei und vom Himmel falle. Wenn man sagt, dass man mehr soziale Begleitmechanismen braucht für den Energiewandel, dann muss es immer jemanden geben, der das bezahlt. Da gibt es eine Rechnung, die ziemlich gesalzen ausfällt."
"Lügner"
Und dann nahm Michel sich Hedebouw vor – und schlug verbal zurück. Und das ziemlich heftig. "Sie können weitermachen damit, Lügen zu verbreiten – das ist das Kennzeichen der Extremen, der Populisten, der anti-demokratischen Kräfte, Herr Hedebouw. Jeden Donnerstag aufs Neue. Die Wiederholung ihrer Lügen wird diese Lügen nicht in Wahrheiten verwandeln."
Solche Provokationen sind naturgemäß Steilvorlagen für Hedebouw. "Herr Premierminister", antwortete er. "Schämen Sie sich nicht? Mal ehrlich. Wagen Sie es, uns Lügner zu nennen? Wir, die wir beklagen, dass Diesel um 20 Prozent teurer geworden ist? Leugnen Sie, dass Diesel um 20 Prozent teurer geworden ist? Leugnen Sie die Tatsache, dass Benzin um zehn Prozent teurer geworden ist?"
Auch die Bedenken von Michel, dass der Energiewandel einen Preis habe, kommentierte Hedebouw: "Sie sagen, dass irgendjemand bezahlen muss. Natürlich muss jemand bezahlen. Bitten Sie doch mal all die Unternehmen zur Kasse, die Öl produzieren und Milliarden Gewinne einstreichen. Bitten Sie die, die Rechnung zu bezahlen."
Forderung nach Konkretem
Benoît Dispa von der CDH faste seine Eindrücke von Michels Äußerungen so zusammen: "Sie sagen, Herr Premierminister, dass sie den Zorn der Protestierenden hören wollen. Gut. Aber objektiv gesehen kündigen Sie nicht wirklich etwas an. Sie schlagen keine Maßnahmen vor, um die Kaufkraft zu vergrößern oder den Steuerdruck zu senken."
Ähnlich sah das Olivier Maingain von Défi. Er beschloss seine Ausführungen mit den Worten: "Wir erwarten jetzt, dass Sie, Herr Premierminister, das Signal geben, um die Akzisen auf bestimmte Ölprodukte zu senken. Denn das ist eine soziale Notwendigkeit."
Kay Wagner