Lange hatte es danach ausgesehen, als ob sich in Herstal doch noch das ergeben könnte, wovon gerade die Spitzenkräfte der sozialistischen Gewerkschaft FGTB so gerne träumen: Eine Verständigung zwischen PS und PTB zur gemeinsamen Regierung. Denn von Anfang an schienen die Gespräche gut zu laufen in Herstal. PS und PTB behandelten sich mit gegenseitigem Respekt – und das bis zum Schluss.
So bilanziert es auch der starke Mann der PTB, Parteisprecher Raoul Hedebouw. Gegenüber der RTBF sagte er: "Die Situation hat sich in Herstal zumindest in einem Punkt von den anderen Verhandlungen unterschieden: Die PS hat uns hier von Anfang Respekt entgegengebracht. Das Ziel war nicht nur zu zeigen, dass die Vorstellungen der PTB unrealistisch sind, um danach sofort mit der MR zusammenzugehen. Das hat man in Herstal nicht gespürt."
Das gute Verhandlungsklima zwischen PS und PTB ist – wenn man den Medienberichten glauben darf – zum großen Teil das Verdienst von PS-Bürgermeister Frédéric Daerden. Zwar hatte seine PS bei den Wahlen vor gut drei Wochen die absolute Mehrheit der Sitze im neuen Gemeinderat bekommen – bei 19 von insgesamt 33 Sitzen hätte die PS die PTB mit ihren neun Sitzen als Partner nicht nötig gehabt. Trotzdem hatte sich Daerden Mühe mit den Kommunisten gegeben.
Nach dem zweiten Sondierungsgespräch hatte der Bürgermeister eine Liste aufgestellt, die gespickt ist mit Zugeständnissen an die PTB: Mehr Sozialwohnungen, mehr Geld für Arme, Preissenkungen im öffentlichen Nahverkehr für Bürger aus der Gemeinde und ähnliches.
Aber: Nicht genug für die PTB. Zwar bleib auch PTB-Lokalmatadorin Nadia Mascufo freundlich. Sagte aber dann doch am Ende der dritten Gesprächsrunde Nein zu einer Zusammenarbeit mit der PS. Die Angebote der Sozialisten seien einfach noch zu wenig. Sie würden keinen richtigen Bruch mit der bisherigen Politik darstellen.
"Ich habe in unserer gestrigen Diskussionsrunde keine grundsätzliche Blockade gespürt", bilanzierte Daerden. Und analysierte weiter: "Ich denke: Die PTB war einfach noch nicht reif. Noch nicht reif, Regierungsverantwortung zu übernehmen, besonders in einem Kontext, wo die Partei nicht unbedingt notwendig war, um eine Mehrheit zu bilden."
In der Analyse der PTB hört sich das natürlich etwas anders an. Zunächst wirkte Parteisprecher Hedebouw doch etwas verschnupft, als er das Ende der Verhandlungen in Herstal wie folgt kommentierte: "Wir haben keine PS erlebt, die wirklich die Positionen aus ihrem Programm aufgeben wollte. In Herstal ging es dabei um den Parkplatz, der wieder gebührenfrei hätte werden sollen. Die PTB hat dafür sechs Jahre lang geworben. Man hat uns gesagt, dass man daran nichts ändern könne. Na ja, und dann verschieben wir das eben auf später, auf den Tag, an dem die PTB wirklich notwendig sein wird, um eine Mehrheit zu bilden."
Tatsächlich wären die Forderungen der PTB mit Sicherheit anders von der PS aufgenommen worden, wenn die PTB tatsächlich nötig gewesen wäre, um an der Macht zu bleiben oder sie zu bekommen. In keiner der Gemeinden, wo jetzt nach den Wahlen Verhandlungen zwischen den beiden Parteien stattgefunden hatten, war dies jedoch der Fall.
Hedebouw zieht dann letztlich auch eine positive Bilanz dieser Verhandlungen für seine Partei: "Wir mussten an diesen Verhandlungen teilnehmen", sagt er. "Und wir haben das getan mit den Überzeugungen, die man von der PTB kennt. Das Ziel war nicht von Anfang an, in der Opposition zu bleiben. Ich würde nicht von Naivität sprechen, sondern ich denke, wir haben in den Gesprächen gelernt, wie man solche Verhandlungen führt. Es ist das erste Mal, dass man uns zu Gesprächen eingeladen hat. Das nächste Mal werden wir noch viel mehr Menschen mobilisieren, um Druck auf die Verhandlungen auszuüben. Ein Druck, der diesmal noch gefehlt hat."
Kay Wagner