Ruanda ist nicht irgendein Land in Afrika - und schon gar nicht für Belgien. Ruanda gehörte zum belgischen Kolonialgebiet. 1994 fand in Ruanda ein furchtbarer Völkermord statt. Innerhalb von 100 Tagen wurden rund eine Millionen Menschen getötet.
Kagame beendete damals den Bürgerkrieg mit einer para-militärischen Einheit, der Ruandischen Patriotischen Front, die heute die herrschende Partei in Ruanda ist. Kagame baute mit seinen Genossen eine Scheindemokratie auf, die zwar dem Blutvergießen ein Ende bereitete, aber nach innen wie eine Diktatur funktioniert. So sehen es zumindest Kritiker, wie Peter Verlinden. Der VRT-Journalist ist Afrika-Spezialist und auch davon überzeugt, dass Kagame eine große Mitverantwortung für den Völkermord hat.
"Bester Diktator der Region"
Dass König Philipp so einem Mann eine Audienz gewährt, findet er falsch. "Durch den Empfang beim König wird Kagame eigentlich dafür belohnt, dass er der beste Diktator der Region ist", sagt er. Bester Diktator der Region, das heißt, dass Kagame es gut geschafft hat, viele westliche Staaten von seiner Regierung zu überzeugen.
Er setzt auf Ordnung, Disziplin und wirtschaftliches Wachstum, knebelt aber gleichzeitig seine Untertanen und unterdrückt jegliche Opposition - auch mit Gewalt. Amerikaner und Briten hat er längst zu seinen Freunden gemacht. Verlinden erklärt: "Ruanda liegt strategisch sehr günstig. Im Nachbarland Kongo herrscht zurzeit wieder ein riesiges Chaos. Ruanda bietet seinen Bundesgenossen, den Briten und den Amerikanern, Schutz und die Möglichkeit, von dort aus in Sicherheit zu agieren. Und dann spielt die Achtung von Menschenrechten schnell keine Rolle mehr. Dabei hat es 100.000e von Toten gegeben, für die Kagame verantwortlich ist."
Unterstützung in seiner Sicht bekommt Verlinden von Laure Uwase. Sie wurde in Ruanda geboren und arbeitet jetzt als Rechtsanwältin in Brüssel. Hier setzt sie sich für die Menschenrechte in Ruanda ein. Auch sie findet: Der Empfang beim König ist ein komplett falsches Signal.
"Fatales Signal"
Uwase und Verlinden waren am Montag Gast in der VRT-Sendung "De afspraak". Der Moderator versuchte, die Geste des Königs zu verteidigen. "Der Palast rechtfertigt sich und sagt: Man muss doch miteinander sprechen", sagte er. Worauf Verlinden antwortete: "Ja, aber für die Menschen vor Ort, in Ruanda, ist das ein fatales Signal."
Wenn es rein um den Dialog gehen sollte, dann würden Gespräche mit dem Premierminister doch reichen. So sei es schon vor einem Jahr gewesen, als Kagame in Brüssel nur mit Charles Michel gesprochen habe. Den hatte er auch am Montagabend wieder getroffen. Beim König war Kagame vor einem Jahr aber nicht.
Warum er am Dienstag bei ihm war, kann Journalist Verlinden zwar aus politischer Sicht nachvollziehen. "Es gibt noch einen anderen Grund, warum Kagame als Gesprächspartner gerade willkommen ist. Man erhofft sich nämlich insgeheim, dass Kagame als Vorsitzender der Afrikanischen Union eine Rolle spielen kann bei der Lösung des Konflikts im Kongo", sagt er.
Doch Verlinden bleibt wie Uwase dabei: Moralisch gesehen ist das Kaffeetrinken des Königs mit Kagame am Dienstag äußerst bedenklich. Denn es bedeutet in ihren Augen die Wertschätzung eines Mannes, der zum Erhalt seiner Macht über Leichen gegangen ist und immer noch geht.
Kay Wagner