"Ich habe schon vor einigen Monaten vorausgesagt, dass wir den wohl schmierigsten Wahlkampf aller Zeiten erleben werden". Dieser selbsternannte Prophet ist John Crombez, der Vorsitzende der flämischen Sozialisten SP.A. Crombez reagiert damit auf einen doch herben Rückschlag, den seine Partei in dieser Woche erleben musste. Am Mittwoch wollten die Antwerpener Sozialisten einen Neuanfang machen. Vor einigen Wochen war das Bündnis mit den Grünen in Scherben geflogen. Auslöser waren Enthüllungen über den SP.A-Regionalpräsidenten Tom Meeuws.
Am Mittwoch sollte eben die neue, diesmal eigenständige Liste präsentiert werden, mit der die Sozialisten am 14. Oktober bei den Kommunalwahlen antreten wollen. Positive Schlagzeilen wollte man produzieren; das dauerte aber nur wenige Stunden; dann wurde bekannt, dass die Justiz ein Ermittlungsverfahren gegen Tom Meeuws eingeleitet hat. Wegen derselben Geschichte, die schon im Januar zum Bruch des Kartells geführt hatte. Grob zusammengefasst geht es da um Unregelmäßigkeiten aus der Zeit, als Tom Meeuws noch Regionaldirektor bei der flämischen Nahverkehrsgesellschaft De Lijn in Antwerpen war.
Aber eben: alte Vorwürfe. Und ist es Zufall, dass eben diese alte Geschichte ausgerechnet am Mittwoch wieder hochgekocht ist? "Ich glaube nicht", sagte SP.A-Chef John Crombez in der VRT. Zumal derjenige, um den es hier geht, nämlich Tom Meeuws, zumal der überhaupt nichts von den neuen Entwicklungen wusste. Das nimmt doch seltsame Ausmaße an, sagt Crombez. "Vergessen Sie nicht", sagt Crombez sinngemäß: Der Verwaltungsratsvorsitzende von De Lijn, das ist Marc Descheemaeker. Und der ist Mitglied der N-VA; "Nachtigall, ik hör' Dir trapsen", scheint er zwischen den Zeilen hinzuzufügen. "Wollen Sie damit sagen, dass das Ganze von der N-VA so inszeniert worden ist?", fragt die VRT-Journalistin suggestiv. Naja, sagt Crombez, der sich zwischenzeitlich das Lachen nicht verkneifen kann: Zu glauben, dass die N-VA da nicht die Finger im Spiel hätte, das wäre wohl naiv.
Das ist schon ein schwerwiegender Vorwurf. Mit dem wurde dann quasi gleich im Anschluss eben besagter Marc Descheemaecker konfrontiert. Und - wie nicht anders zu erwarten - dementiert der in allen Sprachen: "Unsinn", sagt der De-Lijn-Verwaltungsratschef. Hier handele es sich um eine rein gerichtliche Prozedur; der Entscheid sei eben an dem Tag gefallen und dem Kläger zugestellt worden; da es sich bei dem Kläger um einen Journalisten gehandelt habe, sei der Inhalt über diesen Weg an die Öffentlichkeit gelangt. Das nur, um zu sagen, dass De Lijn da eben nicht seine Finger im Spiel hatte...
Dann gab es aber quasi live auf Sendung noch eine neue Entwicklung. Der VRT-Journalist konfrontiert Descheemaecker mit einer Meldung, die gerade erst auf der Webseite des Wochenmagazins Knack erschienen war. Demnach habe eine ungenannte Quelle der Zeitschrift berichtet, dass die N-VA Tom Meeuws "kaputt machen" wolle. Grund sei eine außereheliche Affäre, die Meeuws mit der N-VA-Ministerin Liesbeth Homans gehabt habe und die schlecht ausgegangen sei. Descheemaecker reagiert erst mal mit hörbarem Schweigen. "Das ist doch absurd", sagt Descheemaecker, nachdem er sich gefangen hat. Und ehrlich, fügt er hinzu: "Glauben Sie wirklich, dass solche Schmuddelgeschichten mitspielen, wenn man einen Betrieb mit 8.000 Mitarbeitern zu führen hat?"
Das alles nur als Illustration für das derzeitige Klima im politischen Flandern, zumal in und um Antwerpen. "Schmierig wird der Wahlkampf", hatte Crombez gesagt. Dabei wurde mehr als ein halbes Jahr vor der Wahl schon jetzt ein erster Tiefpunkt erreicht.
Roger Pint