Er wolle absolute Transparenz, sagt der föderale Landwirtschaftsminister Denis Ducarme. Konkret: Er will wissen, warum die Kontrollen versagt haben. Und hier steht ganz klar die Afsca im Fadenkreuz, die Föderale Agentur für Lebensmittelsicherheit. Am Wochenende hatten anonyme Zeugen behauptet, dass der Schlachthof Veviba über bevorstehende Kontrollen durch die Afsca informiert worden sei.
Zu allererst gibt die Afsca klar und deutlich Entwarnung: Alle problematischen Produkte seien aus dem Handel genommen worden, sagte Afsca-Sprecher Jean-Sébastien Walhin am Montagmorgen in der RTBF. Der Verbraucher könne ganz beruhigt einkaufen, die Krise sei unter Kontrolle.
So weit, so gut. Zumindest das System der Rückverfolgbarkeit scheint zu funktionieren, loben auch die Bauernverbände. Doch da hört es aber auch schnell auf. Der Sektor sieht sich einmal mehr mit einem Skandal konfrontiert. Und es stehe zu befürchten, dass sich die Verbraucher noch ein bisschen mehr vom Rindfleisch abwenden werden, was ja sogar nachvollziehbar sei, sagt Yvan Hayez, Generalsekretär des wallonischen Bauernverbandes FWA. Am Ende werden es wohl in erster Linie wieder die Landwirte sein, die die Zeche zahlen müssen.
Den Schlammassel verursacht hat nach dem derzeitigen Kenntnisstand erstmal das Unternehmen Veviba in Bastogne mit seinen mutmaßlich betrügerischen Machenschaften. Genau gesagt gibt es in dieser Geschichte eigentlich zwei Skandale. Um mal räumlich zu sprechen: Der eine siedelt sich im Kühlhaus an. Dort wurden Etiketten gefälscht, um den Zeitpunkt, wann das Fleisch eingefroren wurde, zu manipulieren. Und der zweite Skandal betrifft den Zerlegungsbetrieb. Dort ist Fleisch, das nicht für den Verzehr zugelassen ist, doch weiterverarbeitet worden.
Alles beginnt im Grunde mit dem ersten der beiden Kapitel: Im September 2016 wird im Kosovo eine Ladung Fleisch beschlagnahmt und vernichtet - 20 Tonnen, die aus dem Schlachthof Veviba stammen. Der Grund: Gefälschte Etiketten. Warum kommt das denn erst jetzt heraus? "Es ist so", sagt Jean-Sébastien Walhin von der Afsca: "Unsere Kontrolleure haben im Kosovo die Sache untersucht und ihre Erkenntnisse dann an die Justiz weitergeleitet. Ab dem Moment, wo die Justiz die Sache in die Hand nimmt, gilt das Ermittlungsgeheimnis, verliert die Afsca also ihren Handlungsspielraum."
Das ist genau die gleiche Argumentation wie schon beim Fipronil-Skandal Mitte letzten Jahres. Wie dem auch sei, betont man bei der AFSCA: Man muss beide Skandale säuberlich trennen. Zu einem sanitären Problem wurde erst das zweite Kapitel der Geschichte, die unerlaubte Weiterverarbeitung von Fleischabfällen. Und auf diesen Aspekt ist man erst bei der großangelegten Razzia vor einigen Tagen gestoßen.
Fragen
Dennoch stellen sich da zwangsläufig Fragen: Wie kann es sein, dass ein fleischverarbeitendes Unternehmen so systematisch betrügen kann, und dann auch noch gleich in zwei verschiedenen Bereichen? Haben da nicht die Kontrollen versagt? Diese Fragen stellt sich unter anderem die Ecolo-Parlamentarierin Muriel Gerkens.
"Wir haben hier Einiges zu hinterfragen", sagte in der RTBF auch Muriel Gerkens. Die Ecolo-Politikerin ist Vorsitzende des Gesundheitsausschusses der Kammer. "Hat die Afsca kontrolliert? Stimmt es, dass Veviba gewarnt wurde?" All das gelte es zu klären.
Die Antwort auf die wohl unheimlichste Frage, die gab die Afsca am Montagmorgen schon in der RTBF: "Natürlich werden die Betriebe nicht über bevorstehende Kontrollen informiert", sagte Sprecher Jean-Sébastien Walhin. So etwas zu behaupten, sei absurd. Das Ganze bleibt ein Scherbenhaufen, mit potentiell dramatischen Auswirkungen für die Erzeuger. Die Bauernverbände aus dem Süden und auch aus dem Norden des Landes haben entschieden, in dieser Sache als Nebenkläger aufzutreten. "Wir wollen wissen, was da passiert ist", sagt Marie-Hélène Semaille vom Bauernverband FWA. Und dafür brauchen wir Akteneinsicht.
Der Skandal war Mitte vergangener Woche aufgeflogen. Veviba soll unter anderem Fleisch weiterverarbeitet haben, das nicht für den Verzehr zugelassen war. Außerdem sollen Etiketten gefälscht worden sein, um die tatsächliche Zeitspanne zu verschleiern, in der das Fleisch eingefroren war. Bauernverbände haben angekündigt, in der Angelegenheit als Nebenkläger auftreten zu wollen.
Roger Pint