Alle Jahre wieder… Traditionell im Januar versammeln sich im prunkvollen Thronsaal im Brüsseler Stadtschloss die Vertreter aller Institutionen des Landes: Regierungschefs, Minister, Parlamentarier, Magistrate, Leiter wichtiger Behörden und Einrichtungen.
Vor diesem illustren Publikum schlug Premier Charles Michel sich selbst, besser gesagt seiner Regierung erstmal auf die Schulter. Belgien gehe es gut, manchmal sogar besser als anderen EU-Ländern.
Das Mantra "Jobs, Jobs, Jobs" gab's diesmal zwar nicht, doch ließ es sich der föderale Regierungschef nicht nehmen, nochmal darauf hinzuweisen, dass 170.000 Menschen einen neuen Job gefunden hätten. Es gebe da aber Kehrseiten. Zunächst müsse man feststellen, dass die Zahl der offenen Stellen auf einem Rekordniveau sei. "Alle zusammen müssen wir dafür sorgen, dass die richtigen Leute die richtigen Jobs bekommen", sagte Michel. Hier sei Maßarbeit von Nöten.
König Philippe sagte später quasi das gleiche in anderen Worten: Unternehmen, Schulen, Arbeitslose, sie alle müssten hier an einem Strang ziehen. "Dieses Problem, das geht uns alle an!", sagte das Staatsoberhaupt.
Und noch eine Kehrseite gebe es, sagte Charles Michel: Trotz der guten Konjunktur und der erfreulichen Wirtschaftsdaten gebe es immer noch Menschen, die nicht rund kommen, Familien, die manchmal in Armut leben.
Und auch hier schlägt der König in dieselbe Kerbe. "Gerade jetzt, da es wirtschaftlich wieder aufwärts geht, müssen wir dafür sorgen, dass niemand auf der Strecke bleibt." Ein jeder müsse die Früchte dieser wirtschaftlichen Erholung ernten können.
Beide, Regierungschef und Staatsoberhaupt, nahmen gleichermaßen Bezug auf Ereignisse der letzten Tage und Wochen. Charles Michel etwa erinnerte an die Enthüllungen über sexuelle Belästigung und Nötigung. Stichwort #MeToo. Solches Verhalten dürfe nicht toleriert werden, ebenso wenig wie andere Formen der Diskriminierung, etwa bei der Job- oder Wohnungssuche.
Der König brach ebenfalls eine Lanze für Toleranz und Vielfalt - und er hatte da wohl die rassistischen Anfeindungen vor Augen, deren Opfer die neue Miss Belgien geworden ist. "Wir haben das Privileg, in einer sehr vielfältigen Gesellschaft zu leben", sagte König Philippe. "Wenn wir die Harmonie innerhalb der Gesellschaft fördern, tragen wir zu ihrer Stabilität bei."
"Stabilität", ein Wort, das der König mehrmals hervorhob. Das hatte etwas Beschwörendes an sich, fast nach dem Motto: Wir erleben gerade eine Zeit politischer Stabilität - und so sollte es möglichst auch bleiben.
Das Fazit des Königs dann in deutscher Sprache: "Dass Sie heute so zahlreich und aus allen Bereichen anwesend sind, ist Ausdruck der fruchtbaren Wechselwirkung innerhalb unserer Vielfalt. Es veranschaulicht perfekt die Stabilität, die unser demokratisches System den Bürgern bietet. Lassen Sie uns dafür weiterhin mit voller Überzeugung einsetzen."
Roger Pint