Und das Karussell dreht sich weiter... Die politische Sommerpause ist beendet. Aber in zwei von drei Parlamenten steht man trotz mehrerer Runden immer noch da, wo man vor zwei Monaten auch schon war. Nirgendwo nämlich...
Zehn Wochen sind vergangen, seit CDH-Chef Benoît Lutgen "den Stecker gezogen hat". Am 19. Juni hatte Lutgen völlig überraschend auf allen Ebenen die Koalitionen mit der PS aufgekündigt. Aufgegangen ist die Rechnung bislang aber nur in der Wallonie. Dort hat die neue Regierung aus MR und CDH um den neuen Ministerpräsidenten Willy Borsus inzwischen Fahrt aufgenommen.
Maingain, das Zünglein an der Waage
Allerdings war von vornherein klar: Diese Konstellation, diese "blaue Orange", die funktionierte nur in Namür. In Brüssel und in der Französischen Gemeinschaften brauchten Liberale und Zentrumshumanisten zwingend einen dritten Partner, um eine Mehrheit im Parlament zu haben. In Brüssel war eine alternative Koalition sogar nur mit Défi möglich. Der Vorsitzende der Partei, Olivier Maingain, wurde damit zum Zünglein an der Waage.
Maingain hat die Rolle des potentiellen Königsmachers seither sichtlich ausgekostet. Mit immer neuen Grundbedingungen wollte er die beiden anderen aus der Reserve locken. Andere würden behaupten, Maingain habe den Preis so hochgetrieben, dass MR und CDH im Grunde gar nicht darauf eingehen konnten.
Jetzt, wo die Sommerpause definitiv vorbei ist, wollten Liberale und Zentrumshumanisten also nochmal einen Versuch starten, um den Knoten vielleicht doch noch zu lösen. CDH-Chef Benoît Lutgen hatte fast schon so einen Hauch von Verzweiflung in der Stimme, als er am Montag erneut an Défi appellierte, sich doch "wenigstens" mal mit den beiden anderen an einen Tisch zu setzen.
MR-Chef Olivier Chastel klang nicht ganz so beschwörend wie der CDH-Kollege, schloss sich aber in der Sache dem Appell an. Er sei doch der Ansicht, dass eine Konstellation aus MR, CDH und Défi durchaus mal geprüft werden sollte, konkret: dass die Vorsitzenden der drei Parteien mal darüber sprechen sollten.
Lösung nicht zu jedem Preis
Ein eindeutiges Gesprächsangebot also an die Adresse von Défi-Chef Maingain, ausgesprochen aus einem Mund von den Vorsitzenden von MR und CDH. In erster Linie hatten die beiden da die Französische Gemeinschaft im Blick, die sozusagen als Steigbügel dienen könnte für die Region Brüssel. Hinzu kommt: Rein symbolisch wäre es aus Sicht von Lutgen und Chastel bestimmt wünschenswert, wenn sich zum Schulanfang in der für den Unterricht zuständigen Institution etwas bewegen würde...
Fast schon feierliche Gesprächseinladung hin, Schulanfang her, all das schien Olivier Maingain aber nicht weiter zu kümmern. Er bleibt dabei: Seiner Ansicht nach sollte auf Ebene der Französischen Gemeinschaft eine Art "Regierung der frankophonen Einheit" auf die Beine gestellt werden, bestehend aus allen großen frankophonen Formationen. Genau das schließen Lutgen und Chastel aber kategorisch aus, vor allem, weil in einer solchen Konstellation ja die Sozialisten doch wieder mit im Boot wären. "Wir wollen eine Lösung, aber nicht zu jedem Preis", machte MR-Chef Olivier noch einmal klar. Ziel seiner Partei sei es demnach, eine wirkliche Alternative zu bieten - und das gehe eben nur ohne die PS.
Retourkutsche von Olivier Maingain: "Wer Parteien von vornherein ausschließt, der schadet nicht nur unserem Unterrichtswesen, sondern den Frankophonen in ihrer Gesamtheit".
Und da dreht es sich also wieder, das Karussell. Am Montagabend gab's dann nochmal fürs Protokoll die formale Absage von Défi. Maingain will sich also nach wie vor nicht mal mit den beiden anderen an einen Tisch setzen...
Gründe für die Verweigerungshaltung
Über die Gründe für die Verweigerungshaltung des Olivier Maingain kann man nach Herzenslust spekulieren. La Libre Belgique nennt am Dienstag stolze "acht Gründe, weswegen Maingain das Angebot von MR und CDH ausgeschlagen hat". Einer davon ist das immer noch nicht verdaute Auseinanderbrechen des Kartells, das Maingains Partei bis 2011 mit der MR verbunden hatte. Hinzu kommen persönliche Antipathien. Und, nicht zu vergessen, der immer wieder gehörte Vorwurf, dass Défi sich - wie bis vor Kurzem die CDH - auf Gedeih und Verderb an die PS geheftet habe.
Resultat ist jedenfalls Stillstand. Und bis auf weiteres ist die CDH damit in der misslichen Lage, in Brüssel und in der Französischen Gemeinschaft weiter mit der PS regieren zu müssen. Wie viele Runden das Karussell noch drehen wird, wir werden sehen. Das Ganze riecht aber irgendwie nach einer Endlosschleife...
Roger Pint - Bild: Virginie Lefour/BELGA