Eine Lösung im Visum-Streit zeichnet sich auch nach dem Besuch des Gerichtsvollziehers bei Asyl-Staatssekretär Theo Francken am Dienstagnachmittag nicht ab. Der Gerichtsvollzieher forderte insgesamt 20.000 Euro - und Francken hat ihn wissen lassen, dass er damit nicht einverstanden ist. Die Fronten sind also verhärtet.
Allenfalls will die Regierung das Geld auf ein Sperrkonto einzahlen, was bedeutet, dass das Geld für die Dauer des Verfahrens blockiert ist. Sollte die Regierung am Ende Recht bekommen, hat sie das Zwangsgeld schnell wieder. Juristisch ist ein solches Sperrkonto aber nur möglich, wenn beide Parteien damit einverstanden sind oder in einem erstinstanzlichen Verfahren, was nicht der Fall ist.
Francken sagt, dass es nicht die Aufgabe eines Richters ist, über die Vergabe eines humanitären Visums zu entscheiden, sondern die Aufgabe der Regierung. Außerdem hat er Angst vor einem Präzedenzfall. Nämlich, dass das Asylrecht nicht nur in Belgien gilt, sondern auch in den belgischen Botschaften und Konsulaten im Ausland. Dass Tausende Syrier dem Beispiel der Familie aus Aleppo folgen und bald ein humanitäres Visum in den belgischen Botschaften im Nahen Osten beantragen.
Da bekommt Francken Unterstützung von der gesamten Regierung, inklusive Premierminister Charles Michel. Der hatte als Kompromiss vorgeschlagen, dass die Familie Schutz im benachbarten Libanon sucht. Das lehnt sie aber ab. Der Fall könnte auch Auswirkungen auf andere EU-Staaten haben. Deswegen soll auch der Europäische Gerichtshof die Sache jetzt prüfen.
Warum diese harte Verweigerungshaltung?
Theo Francken hat aus der Geschichte eine medienwirksame Prinzip-Sache gemacht - in erster Linie wohl aus wahltaktischen Gründen. Die N-VA spürt den heißen Atem des rechtsextremen Vlaams Belang und da kommt es gut, wenn man sich profiliert – als harter, volksnaher Politiker.
Allerdings auf dem Rücken der Familie aus Aleppo. Die allerdings nicht im östlichen Teil der Stadt lebt, in dem in diesen Tagen unvorstellbare Gräueltaten vor sich gehen, sondern im wesentlich sichereren Westen von Aleppo. Aber auch dort ist die Sicherheitslage alles andere als entspannt.
Die N-VA hat besonders harte Töne gegen die Justiz angestimmt. Die anderen Mehrheitsparteien waren davon am Wochenende alles andere als angetan. Doch sind die Tage der Föderalregierung noch nicht gezählt. Wobei man sagen muss, dass niemand vor einer Überraschung gefeit ist. Es sind zurzeit so viele Emotionen im Spiel, dass ein Ausrutscher nicht ausgeschlossen ist.
Allerdings bleibt die Grundkenntnis, dass keine der vier Koalitionsparteien derzeit für Neuwahlen gut aufgestellt wäre. Trotzdem hat die N-VA hat die anderen Parteien in eine schwierige Lage manövriert. Wetten sollte man jedenfalls nicht auf die Standfestigkeit dieser Regierung.
alk/km - Bild: Eric Lalmand/Belga