Die, die beim letzten Mal in Bratislava nicht dabei sein durfte, wollte diesmal offensichtlich auf "Nummer sicher" gehen. Theresa May, die britische Premierministerin, kam als erste am Brüsseler Ratsgebäude an. Es ist ihr erster EU-Gipfel als Regierungschefin. Und sie machte klar: Großbritannien werde die EU verlassen, Ja! "Aber solange das noch nicht passiert ist, solange sind wir ein vollwertiges Mitglied."
Das Brexit-Votum vom Juni wird natürlich Diskussionsthema beim Gipfel sein. Wobei: Allen voran Ratspräsident Donald Tusk machte noch einmal klar: Es wird keine Vorverhandlungen geben. "Wir warten auf das offizielle Austrittsgesuch."
Einige konnten aber auch jetzt noch ihren Ärger über die Briten nicht verbergen. Besonders deutlich wurde der französische Präsident François Hollande. "Frau May will einen harten Brexit? Gut, dann wird es harte Verhandlungen geben..."
Neue Sanktionen für Russland?
Anderes wichtiges Thema auf dem Gipfelprogramm: die Haltung zu Russland, speziell vor dem Hintergrund der Ereignisse in Syrien. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel machte klar: "Ich hoffe, dass wir als Europäischer Rat doch in der Lage sind, deutlich zu machen, dass das, was in Aleppo mit russischer Unterstützung passiert, völlig unmenschlich ist."
Nur: Wie will man deutlich machen, dass man das russische Vorgehen verurteilt? Einige brachten da die Verhängung möglicher neuer Sanktionen ins Spiel. Das gilt vor allem für osteuropäische Staaten, die sich unmittelbar in ihrer Sicherheit bedroht sehen. Vor allem westeuropäische Mitglieder sind da deutlich zurückhaltender, wie der österreichische Bundeskanzler Christian Kern oder auch der Luxemburger Premier Xavier Bettel. "Statt Sanktionen zu verhängen, sollten wir vielmehr miteinander reden", sagt Xavier Bettel. "Denn wenn wir die Probleme wirklich lösen wollen, dann brauchen wir die Russen."
Michel hofft weiter auf Einigung bei Ceta
Das Thema, das im Moment aber wirklich alle bewegt, das kommt eigentlich erst am Freitag an die Reihe: Ceta. Nach dem wallonischen Nein stellt sich jeder die Frage, wie es jetzt weitergehen soll. Entsprechend groß war jedenfalls die Journalisten-Traube, die sich bei seiner Ankunft um Premier Charles Michel bildete. Ja, er habe durchaus schon glücklichere Momente erlebt, räumte Michel ein. "Wir arbeiten aber immer noch unter Hochdruck an einer Lösung."
Bald jedenfalls schlage die Stunde der Wahrheit, sagte Michel. Die Wallonische Region verfüge jetzt über alle Texte und bald, sehr bald, brauchen wir eine klare Absage aus Namür. Michel unterstrich, wie auch schon Außenminister Didier Reynders, dass die Föderalregierung sich an die verfassungsrechtlichen Spielregeln halten werde: Wenn die Wallonie bei ihrem Nein bleibt, dann gibt’s keine belgische Unterschrift.
Allerdings, so warnte er nochmal: Es wird der Tag kommen, an dem Belgien seine Interessen auch mal durchsetzen will. Dann müsse man allerdings auch nicht auf übermäßige Unterstützung der anderen EU-Mitglieder hoffen.
Tusk vertraut auf den legendären belgischen Kompromiss
Die meisten anderen Staats- und Regierungschefs wollten sich nicht im Detail zum wallonischen Nein äußern und legten stattdessen Zweckoptimismus an den Tag, nach dem Motto: Das werden die Belgier schon noch richten. Ratspräsident Tusk brachte es auf den Punkt: Er vertraue auf den legendären belgischen Kompromiss.
Und dann doch noch eine Warnung: "Wenn Ceta nicht durchgeht, dann ist das womöglich das letzte Handelsabkommen der EU."
Parlamentspräsident Martin Schulz zeigte sich seinerseits besorgt, und sprach, ganz wie gewohnt, das aus, was viele wohl nur denken: "Ich finde, wenn nicht einmal mehr souveräne Staaten, sondern einzelne Regionen den Fortgang der Europäischen Union stoppen, dann sind wir in einem sehr bedenklichen Zustand."
Roger Pint - Bild: Thierry Roge/Pool/BELGA