"SOS Brüssel", titelt Le Soir. "Die Hilferufe der Brüsseler Geschäftsleute", so die Schlagzeile von La Libre Belgique. "Im Brüsseler Hotel- und Gaststättengewerbe sind 10.000 Arbeitsplätze bedroht", schreibt L'Echo auf Seite eins.
Bei der Brüsseler Geschäftswelt liegen die Nerven blank. Die Handelskammer und der Brüsseler Unternehmerverband ziehen eine katastrophale Bilanz in Folge der Ereignisse der letzten Monate. Nach dem Lockdown im November war der Umsatz schon um 20 Prozent eingebrochen. Inzwischen sind es 40 Prozent. Viele Hotels, Restaurants und auch Geschäfte stehen vor der Pleite. "Nach den Anschlägen dauert das Erdbeben in der Brüsseler Wirtschaft an", notiert denn auch Le Soir. Schlimmer noch: Im Moment ist keine Besserung in Sicht. Das Image ist nachhaltig ramponiert. Und zu allem Überfluss ist der Antiterrorstab OCAM am Dienstag mit einer neuen, beunruhigenden Feststellung an die Öffentlichkeit gegangen. Demnach seien weitere Terroristen auf dem Weg nach Europa, insbesondere auch nach Belgien. "Ist irgendwann auch noch einmal Schluss mit Terrorwarnstufe drei?", fragt sich denn auch resigniert De Standaard.
Es ist ein bitterer Cocktail, ein ungenießbarer sogar, meint Le Soir in seinem Leitartikel. Lockdown, geschlossene Tunnels, dann die Attentate und in der Folge die Metro und der Flughafen im Notbetrieb: Brüssel erlebt die dunkelsten Zeiten seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Hauptstadt braucht jetzt dringend Hilfe und eine klare Vision. Am wichtigsten ist aber erstmal eine Rückkehr zu einer gewissen Normalität: eine Stadt, die funktioniert, mit einer Metro, die fährt, mit Flugzeugen, die abheben, mit Tunnels, die geöffnet sind, mit Politikern, die der Situation gewachsen sind.
Ganz Belgien muss seine Hauptstadt stützen
Die Anschläge vom 22. März haben Brüssel in die Knie gezwungen, stellt auch L'Echo fest. 10.000 Arbeitsplätze drohen in Rauch aufzugehen. Touristen, Feinschmecker, Geschäftsreisende: Alle machen sie einen Bogen um die Hauptstadt; die Pendler pendeln so schnell wie möglich nach Hause. Was diese Stadt braucht, das ist ein allgemeines Aufbäumen.Das ganze Land muss seine Hauptstadt stützen, weil die Auswirkungen von all dem auch über den Autobahnring hinaus spürbar sein werden.
In diesen Kontext passt auch die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws: "Eins von vier Unternehmen meidet Zaventem". Seit den Anschlägen machen viele Geschäftsleute einen großen Bogen um den Brussels Airport. Grund ist inzwischen nicht mehr alleine die Terrorgefahr, sondern die enormen Warteschlangen, die ja die Folge der verschärften Sicherheitsvorkehrungen sind.
"Wir werden mit der Bedrohung leben müssen", notieren aber mehrere Blätter. Die neue Warnung des Antiterrorstabs OCAM sollte man dabei als das nehmen, was es ist, mahnt Het Laatste Nieuws. Es ist eine Feststellung. Wir sollten uns dadurch nicht verrückt machen lassen. Bei den Geheimdiensten gehen täglich unzählige Hinweise, Warnungen, Meldungen ein. So etwa die, dass Terroristen im Sommer auch an belebten Urlaubsstränden zuschlagen wollen. Wenn man sich all das vor Augen führt, dann schließt man sich am Ende ein.
Genau das darf nicht passieren, fordert auch Het Belang van Limburg. Wir sind es uns selbst schuldig, unser Leben wie gewohnt weiterzuleben: arbeiten, reisen, auf einer Café-Terrasse sitzen, ins Kino gehen. Und wir sollten uns erst recht auf unseren Sommerurlaub freuen.
Flugbehinderungen in Charleroi
Schlechte Nachrichten unterdessen vom Flughafen Charleroi: "Wieder zu wenig Personal, um Flüge abzuwickeln", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. Zwischen 7:15 Uhr und 11:30 Uhr ist dort mit erheblichen Behinderungen zu rechnen, weil nicht ausreichend Personal zur Verfügung steht, um den Tower zu besetzen. Auch hier wird die Belegschaft von Belgocontrol gestellt. Die Gewerkschaften dementieren aber, dass sie die Mitarbeiter dazu aufgerufen haben, sich krank zu melden.
Wie lange will sich Europa noch von Erdogan erpressen lassen?
"Das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei steht auf der Kippe", titelt De Morgen. Anscheinend pocht Ankara darauf, dass die versprochenen Visa-Erleichterungen für türkische Staatsbürger umgehend in Kraft treten. Die EU-Kommission verlangt aber weiter die Einhaltung aller entsprechenden Kriterien. Im Ernstfall droht die Türkei damit, den Deal über die Rücknahme von Flüchtlingen mit der EU aufzukündigen.
Das haben wir jetzt davon, wettert La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Die EU hat sich in eine extreme Abhängigkeit begeben. Erdogan lässt kleine Gelegenheit aus, die EU auf demütigende Art und Weise daran zu erinnern, dass Europa die Türkei nötiger hat als umgekehrt.
"Wo zieht Europa die Rote Linie?", fragt sich auch De Standaard. Ankara treibt gnadenlos den Preis nach oben. Jüngstes Beispiel ist die Affäre Böhmermann in Deutschland. Langsam aber sicher muss man sich fragen, wie lange man sich noch erpressen lassen will. Und ob man bereit ist, im Ernstfall das Flüchtlingsabkommen zu kippen. Aber seien wir ehrlich: Es ist ohnehin ein würdeloser Deal, dessen einziges Verdienst es war, Europa von einem dramatischen moralischen Dilemma zu befreien.
Inzwischen zeigt sich jedenfalls, dass die Nachteile überwiegen, konstatiert De Morgen. Nicht nur, dass Erdogan sich mittlerweile wie ein unverschämter Schleusenwärter aufführt. Wie nicht anders zu erwarten, sind die Menschenschmuggler schon auf andere Routen ausgewichen. Am Wochenende ist das stille Massengrab im Mittelmeer schon wieder ein bisschen größer geworden. Im Grunde hat sich also mit dem Flüchtlingsdeal nichts wirklich verändert. Europa hat das Problem also lediglich vertagt. Allerdings ist niemand in Sicht, der es lösen könnte.
Roger Pint - Bild: Katleen Vastiau/BELGA