"Bereit für die wirkliche Arbeit", titelt Het Nieuwsblad. "Zwischen leiser Hoffnung und Kritik", schreibt das GrenzEcho. Auch heute noch sieht man auf vielen Titelseiten den neuen Papst, Leo XIV. Der frisch gewählte Papst wird am 18. Mai offiziell in sein Amt eingeführt. Viele Zeitungen fragen sich, wie er sein Pontifikat gestalten will. "Wie progressiv wird der neue Papst sein?", fragt sich etwa De Morgen. "Was kann dieser Papst bedeuten für eine Welt und eine Kirche in der Krise?", so die Schlagzeile von De Tijd. Die wohl brennendste Frage steht aber auf Seite eins von L'Avenir: "Kann Leo XIV. Einfluss nehmen auf die Politik in den USA?".
La Libre Belgique würde dieser Frage wohl mit Ja beantworten. Dieser amerikanische Papst ist ein moralisches Gegengewicht zu Trump, meint das Blatt in seinem Leitartikel. Es beginnt bei seiner Persönlichkeit. Robert Prevost ist ein mehrsprachiger Weltbürger. Das entspricht nicht unbedingt dem Bild des klassischen Amerikaners. Und er ist auch kein Mann der One-Liner, will die Welt nicht in einem prägnanten Satz erklären, sondern er legt Wert auf Nuancen. Allein das macht ihn schon zum Gegenentwurf seines Landsmanns Donald Trump. Und das wohlgemerkt, ohne den US-Präsidenten namentlich zu nennen. Der Papst predigt schlichtweg das Gegenteil dessen, was Trump zu seinem Evangelium erklärt hat. Die radikalisiertesten Trump-Anhänger haben das freilich schon gemerkt und empfinden die Wahl von Robert Prevost als eine veritable Ohrfeige. Die Stärke des Papstes liegt in einem Paradox: Er ist Amerikaner und doch universell. Und er ist nicht da, um Einstimmigkeit zu schaffen. Gott sei Dank!
Papst Leo XIV. - der Anti-Trump?
"Das kann man so sehen, muss man aber nicht", hält dem De Morgen entgegen. Klar: Es ist durchaus verführerisch, die Wahl des amerikanischen Papstes als eine Reaktion auf Donald Trump zu verstehen, gar als einen Kontrapunkt. Und wirklich ausgeschlossen ist das nicht. Trump hat schließlich auch schon indirekt die Wahlen in Kanada und Australien beeinflusst, allerdings in - aus seiner Sicht - unerwünschtem Sinne, denn gewonnen haben Kandidaten, die sich ausdrücklich von Trump distanziert hatten.
Mag also sein, dass Leo XIV. die Antwort auf Trump ist. Doch ist hier Vorsicht geboten - und das gilt besonders für die progressiveren Kräfte. Denn es ist so: Wer sich auf das moralische Gewicht des Vatikans beruft, der läuft Gefahr, dass man der Kirche auch Autorität beimisst in ethischen Fragen wie Abtreibung, Homosexualität oder aktive Sterbehilfe. Religion sollte aber nur für Gläubige eine Inspirationsquelle sein. Die Anderen dürfen gerne fasziniert auf die Rituale blicken. Aber für sie sollte weißer Rauch einfach nur weißer Rauch sein.
"Das Eine nicht ohne das Andere"
"Kann dieser Papst uns retten?", fragt sich leicht provokativ De Standaard. Wenn ein Papst in liberalen Gesellschaften plötzlich mit so viel Hoffnung verbunden wird, wie das gerade bei Leo XIV. passiert, dann ist das wohl in erster Linie ein Zeichen für politische Ratlosigkeit. Aber, zugegeben: Die Welt zeigt sich gerade tatsächlich von einer ihrer dunkelsten Seiten. Das gilt vor allem im Gazastreifen. Israel scheint in seinem aktuellen Gewalt-Delirium inzwischen den Kopf zu verlieren. Und irgendwie wirkt der Gazastreifen wie ein Vorbote dessen, was uns in einer Trumpschen Welt erwarten könnte. Und natürlich ist das angsteinflößend. Ob da der Papst als Rettungsanker dienen kann, das sei aber dahingestellt. Er selbst hat schon deutlich gemacht, dass man das Eine nicht ohne das Andere kriegt: Wer auf die Kirche verweisen will als moralische Instanz, der muss auch den Rest der Lehre annehmen. Dies also, nachdem wir gefühlt eine halbe Ewigkeit gebraucht haben, um uns vom Christentum zu emanzipieren. Insofern wäre es wohl besser, wir würden uns selber retten.
L'Avenir macht eine ähnliche Analyse: Schon in seiner ersten Messe, die er als Papst geleitet hat, gab Leo XIV. die Richtung vor. Seine Analyse: Die Gesellschaften in Europa und in Amerika sind in der Krise, weil sie vom christlichen Glauben abgefallen sind und sich stattdessen in Technologien, Geld, Erfolg und Hedonismus flüchten. Eine ähnliche Weltsicht hatte auch schon Johannes Paul II., der weiland eine "Neue Evangelisierung" predigte. Leo XIV. wird aber dafür eine Sprache finden müssen, die die heutigen Generationen erreicht - und das ohne die doktrinale Einheit der Kirche zu gefährden. Genau hier liegt die Herausforderung.
Den Kampf nicht aufgeben
Es sind in der Tat düstere Zeiten, kann auch Le Soir nur betrübt feststellen. Die Bilder der Feierlichkeiten gestern auf dem Roten Platz in Moskau sind da ein ebenso schockierendes wie beängstigendes Beispiel. Da wurde schamlos die Geschichte instrumentalisiert und verdreht, etwa als Kreml-Chef Putin und der chinesische Machthaber Xi Jinping allen Ernstes behaupteten, dass sie die Hüter und Verteidiger des Sieges im Zweiten Weltkrieg seien und auch der internationalen regelbasierten Weltordnung.
Durch diese Desinformation und Geschichtsklitterung werden auch all die anderen Staats- und Regierungschefs besudelt, die dem Kriegsverbrecher im Kreml die Ehre erwiesen hatten, darunter der slowakische Premierminister Robert Fico und der brasilianische Präsident Lula. Apropos: Zeitgleich hat eine Reihe von europäischen Ländern der Schaffung eines Sondertribunals zugestimmt, das die russischen Verbrechen aufarbeiten soll. Wenn das vielleicht heute noch utopisch anmutet: Einen solchen Kampf darf man nie aufgeben.
"Europa muss sein wahres Gesicht zeigen!"
Auch Het Nieuwsblad steht unter dem Eindruck der Bilder vom Roten Platz. Wenn ausgerechnet Russland das Erbe des Sieges im Zweiten Weltkrieg hochhält und dabei Truppen defilieren lässt, die in der Ukraine gekämpft haben, dann fasst das wohl eindrucksvoll zusammen, in welch bedrückenden Zeiten wir leben. Fast vergessen ist die Aufbruchstimmung aus den Zeiten nach dem Mauerfall, als Russland einen Moment lang auf dem Weg war, eine liberale Demokratie zu werden - als die Großmächte mit einem breiten Lächeln im Gesicht den Schulterschluss übten. Damals stand noch Europa im Zentrum der Welt, das europäische Modell gab den Ton an. Heute, eine Generation später, sind wir in der Minderheit.
Die USA sind in einem Zustand, den man als semi-autoritär bezeichnen könnte; Russland und China geben sich gar keine Mühe mehr, den demokratischen Schein noch aufrechtzuerhalten. Europa darf aber jetzt nicht nachgeben, sondern muss vielmehr sein wahres Gesicht zeigen. Dieser Kontinent steht auf einem Fundament von Werten, allen voran Freiheit, Demokratie, Diversität. Die europäischen Werten sind überlegen und wir dürfen keine Scheu haben, das auch so zu sagen. Und jetzt ist der Moment, das auch in die Tat umzusetzen.
Roger Pint