"Frankreich: Präsident Macron ernennt Bayrou zum Premier", titelt das GrenzEcho auf Seite eins. "François Bayrou, die Wette, um aus der Krise herauszukommen", schreibt Le Soir. "Kann François Bayrou Frankreich aus der Krise steuern?", fragt auch L'Echo. "François Bayrou, genau in der Mitte", so sinngemäß La Libre Belgique.
Das ist noch nicht mal mehr eine Posse, das ist ein Schmierentheater, um sich an den Kopf zu fassen, macht Le Soir in seinem Leitartikel keinen Hehl aus seiner Meinung. Die Umstände rund um die Ernennung von François Bayrou machen einfach sprachlos, hier scheint einfach ein Würfel geworfen worden zu sein, um zu entscheiden, wer nächster Premierminister Frankreichs werden soll. Noch nie hat es ein politisches Casting gegeben, das zumindest von außen betrachtet so richtungslos schien, das politisch so unlogisch aussah. Macron scheint mittlerweile komplett die Orientierung verloren zu haben. Und das ist schlimm. Denn Frankreich ist ein essenzieller Bestandteil Europas, diese Schwächung könnte auf Dauer fatal sein, warnt Le Soir.
"Ein echtes politisches Chamäleon"
"Warum Bayrou?", fragt auch La Dernière Heure. Die Antwort: Weil er für Macron die beste Wahl ist, um sich Zeit zu erkaufen in diesem Sumpf eines Frankreichs, das zerstrittener denn je ist. Mit Bayrou übernimmt ein Meister der dubiosen Politik das Amt, ein Meister des Nichtstuns, der halben Siege und der Nicht-Entscheidungen. Sein einziger Auftrag lautet wahrscheinlich, die Stellung zu halten bis zu den nächsten Präsidentschaftswahlen. Das ist eine Aufgabe nach Maß für diesen im Gestern lebenden Macron-Klon, giftet La Dernière Heure.
Bayrou ist der vierte Premierminister des Jahres für Macron, zählt L'Avenir vor. Es scheint wirklich, als ob der französische Präsident mit ihm seine letzte Karte ausspielt, um eine offene politische Krise doch noch abzuwenden. Bayrous Hauptqualifikation ist offensichtlich, ein rechter Politiker zu sein, der sich aber seine Unabhängigkeit bewahrt und auch schon für linke Projekte gestimmt hat. Er ist ein echtes politisches Chamäleon. Deswegen glauben einige, dass er der Mann des Kompromisses sein könnte, den Frankreich so dringend braucht, fasst L'Avenir zusammen.
Die Ernennung Bayrous bestätigt das Bild eines Emmanuel Macron in höchster Bedrängnis, das Bild eines Landes, das zur Geisel politischer Querelen geworden ist, schreibt La Libre Belgique. Ein Frankreich der überdimensionierten Egos und der politischen Radikalisierung, die jegliche Reform blockieren, und in dem die Bürger blechen müssen für den festgefahrenen Karren. François Bayrou hat eine Kamikaze-Mission geerbt, er muss nun das Unmögliche versuchen: ein zutiefst gespaltenes Frankreich auszusöhnen und das Land aus dem Treibsand zu führen, der die Demokratie Stück für Stück erstickt, resümiert La Libre Belgique.
Nicht nur immer an die Wirtschaft denken
Die flämischen Zeitungen befassen sich hingegen mit der aufsehenerregenden Rede von Nato-Generalsekretär Mark Rutte. Rutte wollte zwar nicht explizit sagen, dass wir uns schon im Krieg befinden, hält De Standaard fest. Aber eben, dass wir auch nicht mehr im Frieden sind. Nach drei Jahren breitangelegtem russischen Angriffskrieg kann man das wohl kaum eine schockierende Botschaft nennen. Aber dennoch dringt sie offenbar noch immer nicht oder nicht ausreichend zur Bevölkerung Europas durch und muss deshalb wiederholt werden.
Rutte hat sich dieses Mal direkt an die eine Milliarde Menschen gewandt, die unter dem Nato-Schutzschirm leben, insbesondere an die Europäer und Kanadier. Damit sie Druck auf ihre Wirtschaft und vor allem auf ihre Politiker ausüben, die Länder des Verteidigungsbündnisses endlich mental auf die Möglichkeit von Krieg einzustellen. Aber wie auch bei Charles Michel und Ursula von der Leyen hat sich Rutte viel zu sehr auf die industriellen Aspekte konzentriert. Wo bleibt die empathische Beschreibung dessen, was wir gemeinsam verteidigen wollen? Die moralischen Werte, die uns verbinden? Unsere Ideale? Unsere zivilisatorischen Errungenschaften? Wo bleibt das höhere Ziel, das Opfer rechtfertigt? Daran sollte dringend gearbeitet werden. Es muss ja nicht unbedingt Churchill dabei herauskommen. Aber zumindest etwas, hinter das sich auch Meloni, Orban, Macron und Scholz scharen können, fordert De Standaard.
Rutte hat mit seiner Warnung vor Krieg nicht nur Russland gemeint, unterstreicht Het Nieuwsblad, sondern auch China. Denn China ist genauso gnadenlos wie Russland und hat ebenfalls weitreichende Ambitionen. Im Gegensatz zu Russland setzt China vor allem auf Technologie und das Abgreifen von Daten, zum Beispiel über das tägliche millionenfache Einkaufen über chinesische Billig-Shopping-Apps. Unsere Untersuchungen haben ergeben, dass die Apps dieser China-Webshops mehr als andere unsere persönlichen Daten sammeln, in unseren Smartphones herumschnüffeln und die Informationen mit dem chinesischen Regime teilen. Vielleicht können wir uns in diesem Kontext wirklich mal eine Scheibe von Donald Trump abschneiden, der die Billigimporte aus China durch hohe Einfuhrzölle stoppen will. In Europa hat man immer Angst vor Handelskriegen und den wirtschaftlichen Folgen. Während Präsident Xi Jinping zufrieden zuschaut, wie ein Lieferwagen nach dem anderen hier von Tür zu Tür fährt, wettert Het Nieuwsblad.
Einen kühlen Kopf bewahren
Es ist schon seltsam, merkt De Morgen an: Wer auch nur vorsichtig vor den Folgen des Klimawandels warnt, wird sofort mit Fackeln und Mistgabeln durchs Dorf gejagt, weil das doch kontraproduktiv apokalyptisch sei. Aber wenn es um die geopolitische Zukunft geht, kann das Bild gar nicht düster genug gemalt werden. Das soll nicht heißen, dass wir nichts tun sollten, im Gegenteil. Aber wir sollten dabei realistisch bleiben und nicht gleich in Todesangst von der Klippe springen.
Ja, wir müssen unsere Streitkräfte wieder aufbauen, ja, wir müssen unseren Beitrag leisten zur gemeinsamen Verteidigung. Aber wir müssen dabei auch einen kühlen Kopf bewahren und nüchtern bleiben, was mögliche zusätzliche Ausgaben angeht. Wer sagt, dass zehn Milliarden Euro mehr investiert werden sollen, der muss auch sagen, wo dieses Geld herkommen soll. Und darüber ist auch eine demokratische Debatte notwendig. Internationale Sicherheit ist natürlich eine wichtige Priorität, aber es ist nicht die einzige, gibt De Morgen zu bedenken.
Boris Schmidt