"Noa, 16 Jahre, tot in der Nordsee", so die dramatische Schlagzeile auf Seite eins von La Dernière Heure. "Drama an unserer Küste: Erneut ein Teenager ertrunken", titelt Gazet van Antwerpen. "Die Retter taten, was sie konnten, und doch ertrank der 16-jährige Noa im Meer“, schreibt Het Laatste Nieuws. Noa war gestern mit zwei Freunden in Ostende baden gegangen. An einer Sandbank bekamen die drei Jungs aus Herstal bei Lüttich plötzlich Probleme. Die Retter griffen sofort ein. Zwei der drei konnten sie aus dem Wasser holen. Noa blieb aber erst mal verschwunden. Als man ihn endlich fand, war es für ihn leider zu spät.
Ganz andere Geschichte auf Seite eins von Het Nieuwsblad: "Das neue Eckpunktepapier von Bart De Wever wurde gleich wieder abgeschossen", schreibt das Blatt. Der Regierungsbildner hatte die Ferien genutzt, um seine sogenannten "Supernote" zu überarbeiten. Die erste Fassung dieses sozial-wirtschaftlichen Eckpunktepapiers hatten die Arizona-Partner als "zu unausgewogen" verworfen. Doch können sie sich offensichtlich auch in der Neufassung nicht wiederfinden. "Der Text ist den anderen zu gelb", so formuliert es De Morgen. Gelb ist die Farbe der N-VA.
Heilige Kühe schlachten
Einige Zeitungen haben sich die "Supernote" dennoch mal genauer angeschaut. "De Wever will eine Steuer auf Veräußerungsgewinne in Höhe von zehn Prozent", heben etwa L’Echo und De Tijd hervor. Bislang ist es ja so, dass man zum Beispiel auf reine Spekulationsgewinne auf Aktien keine Steuern zahlt. Außerdem will De Wever eine Reform der Steuerbefreiung auf Zinserträge aus Sparkonten.
"Das ist eine gute Sache", ist Gazet van Antwerpen in ihrem Leitartikel überzeugt. Diese Steuerbefreiung für Sparbücher ist ein "Geschenk" aus einer anderen Zeit. Denn: Warum bezahlen wir keine Steuer auf Zinserträge in Höhe von 1.020 Euro, wenn wir doch auf dieselbe Summe Erbschaftssteuer zahlen würden? Es stimmt: Die belgischen Sparbücher hatten bislang den Rang einer Heiligen Kuh. Resultat allerdings: Die Belgier sitzen inzwischen auf einem Berg von Spargeld im Gegenwert von 300 Milliarden Euro. Davon profitieren allein die Großbanken. Zu sparen ist an sich natürlich vernünftig. Sein Geld anzulegen, ist aber auch nicht falsch.
Belgien braucht Investitionsanreize, findet auch L’Echo. In Belgien schlummert viel zu viel Geld. Währenddessen brauchen insbesondere Firmengründer Unterstützung. Klar: All das ist noch nicht verabschiedet. Aber prinzipiell ist der Regierungsbildner auf dem richtigen Weg.
De Tijd sieht das genauso. Bart De Wever will sich offensichtlich mal eine Reihe von Heiligen Kühen vorknöpfen. Die Steuerbefreiung auf Zinserträge von Sparbüchern ist da nur ein Beispiel. In jedem Fall ist das der richtige Weg. Denn diese Tabus versperrten häufig den Weg für dringend nötige Reformen. Klar: Es steht zu erwarten, dass viele Bürger und Interessengruppen das Schlachten besagter Heiliger Kühe nicht hinnehmen werden. Eben vor diesem Hintergrund hat De Wever Interesse daran, möglichst niemanden auszusparen und ein ausgewogenes Gesamtpaket vorzulegen. In jedem Fall ist es nötig, dass endlich Bewegung in dieses verkrustete Land kommt.
Halbherziges Engagement gefährdet Arbeitsplätze
Die Arizona-Partner bekommen derweil auch Druck von eher unerwarteter Seite: "Die Nato droht mit dem Abzug von 1.000 Jobs, falls Belgien nicht bezahlt", so die Aufmachergeschichte von Het Laatste Nieuws. Jedes Nato-Land ist ja dazu angehalten, zwei Prozent seines Bruttoinlandsproduktes in die Rüstung zu investieren. Belgien ist mit aktuell 1,15 Prozent noch weit von dieser Norm entfernt. Vor diesem Hintergrund droht die Allianz anscheinend damit, ein in Mons geplantes IT-Zentrum in die Niederlande oder nach Deutschland zu verlegen.
Hier steht längst die belgische Glaubwürdigkeit auf dem Spiel, glaubt Het Laatste Nieuws in seinem Kommentar. Das ungenierte Unterschreiten der Nato-Norm ist ja nur die Spitze des Eisbergs. Man wird den Eindruck nicht los, dass belgischen Politikern die Nato und die Verteidigungspolitik insgesamt ziemlich egal sind. Während etwa in Deutschland als Folge des Ukraine-Kriegs eine "Zeitenwende" ausgerufen wurde, passierte hierzulande gar nichts. Belgien scheint den Ernst der Lage immer noch nicht erkannt zu haben.
Asoziales Verhalten
Het Nieuwsblad schließlich beklagt die enormen Müllberge, die sich in den letzten Tagen an der Küste angehäuft haben. Allein in Ostende wurden am Montagabend 4.000 Liter Abfall gesammelt, und das allein auf einem Strandabschnitt von nicht mal 500 Metern Länge. Das ist ein trauriges Zeichen der Zeit, meint das Blatt in seinem Leitartikel. Die Episode in Ostende steht beispielhaft für ein allgemeines Phänomen. In anderen Küstengemeinden dürfte die Situation ähnlich sein. Und man will gar nicht wissen, wie der Campingplatz des Pukkelpop-Festivals nach dem kommenden Wochenende aussehen wird. Manchmal sieht es nach solchen Veranstaltungen so aus, als hätte dort eine Horde von Hunnen gewütet. Wir haben hier ein gesellschaftliches Problem: Vor der eigenen Haustüre ist der Boden heilig, da verlangt jeder Einzelne absoluten Respekt. Und der Rest der Welt kann gucken, wo er bleibt. Asoziales Verhalten nimmt zu. Dabei ist die Welt doch größer als das eigene Grundstück. Immer mehr Menschen scheinen aber zu vergessen, dass sie Teil des gesellschaftlichen Räderwerks und damit auch gegebenenfalls Teil des Problems sind. Der Sündenbock ist dabei immer derselbe: Am Ende ist dann "natürlich" der Staat schuld, wenn man sein Badehandtuch an einem nicht ganz so properen Strand ausbreiten muss.
Roger Pint