"MR und Les Engagés bilden rasend schnell wallonische Regierung", titelt De Morgen. "Wallonische Einigung am flämischen Festtag", schreibt Het Laatste Nieuws. "Größte Steuersenkung aller Zeiten und Smartphone-Verbot in der Schule", so Gazet van Antwerpen. "'Umsetzen, was seit 50 Jahren nicht mehr gewagt worden ist'", fasst L'Avenir in Form eines Zitats zusammen. "Auf Wallonie kommen Finanzreformen zu – MR und Les Engagés läuten neue Ära ein", liest man beim GrenzEcho. "Die Einigung, die die Tabus der PS angreift", lautet die Überschrift bei La Libre Belgique. "Das Ende der Tabus", formuliert es Le Soir ähnlich. "MR und Les Engagés versprechen, den frankophonen Raum durchzurütteln", ist der Aufmacher von L'Echo.
Während auf föderaler Ebene die Koalitionsverhandlungen in den kommenden Wochen in die heiße Phase gehen werden, steigt über Namur bereits weißer Rauch auf, resümiert das GrenzEcho in seinem Leitartikel das Regierungsabkommen für die Wallonie und die Französische Gemeinschaft. Die Vorsitzenden der künftigen Mehrheitspartner MR und Les Engagés, Georges-Louis Bouchez und Maxime Prévot, hatten bereits kurz nach dem Urnengang eine schnelle Einigung auf ein Regierungsabkommen rechts von der Mitte in Aussicht gestellt. Hinter diesem Vorsatz steht also bereits ein Häkchen. Die Chancen auf eine Einigung zur Bildung einer Föderalregierung noch vor den Kommunalwahlen im Oktober sind damit sicherlich nicht kleiner geworden. Im Gegenteil, unterstreicht das GrenzEcho.
Hard Rock statt alter Leier
Was für ein Geschenk hat die neue wallonische Koalition Flandern da gemacht am Flämischen Feiertag, kommentiert De Standaard. Viele der angekündigten Reformen sind im Norden des Landes bereits Realität. In einigen Bereichen wollen MR und Les Engagés sogar noch weiter gehen. Mit diesen beiden Parteien im Cockpit erwartet die Wallonie ein nie dagewesener Kulturwandel. Aber zahlreiche wichtige Fragen müssen noch beantwortet werden. Zum Beispiel die, wer welchen Posten bekommen soll. Vor allem aber: Wo sind die konkreten Zahlen? Denn MR und Les Engagés haben uns noch nicht erzählt, wo bei den staatlichen Ausgaben die Einschnitte stattfinden sollen, mit denen sie die 1,5 Milliarden Euro schwere Steuererleichterung und die Halbierung der öffentlichen Schulden finanzieren wollen, hebt De Standaard hervor.
Im frankophonen Landesteil gibt es jetzt Hard Rock statt der altbekannten Leier, schreibt Le Soir. MR und Les Engagés werden auch beweisen müssen, dass sie das Wohl der Wallonen im Sinn haben und nicht Rache an den Sozialisten und Grünen. Denn die vorgestellten Maßnahmen scheinen teilweise eindeutig gegen PS-Bastionen gerichtet zu sein und den Klimawandel doch arg zu vernachlässigen. MR und Les Engagés müssen zeigen, dass sie für alle regieren wollen, appelliert Le Soir.
Thatcher an der Sambre
Wir wollen die Party nicht versauen, aber irgendwer wird die Rechnung bezahlen müssen, erinnert Het Nieuwsblad. Denn die wird gesalzen werden. Und es wäre eine Überraschung, wenn sie den Begüterten aus dem reichen Wallonisch-Brabant in den Briefkasten flattern würde. Das Ziel von MR und Les Engagés ist derweil deutlich: Sie wollen eine flämische Wallonie, eine gehörige Dosis Thatcher an der Sambre. Das bringt Gefahren mit sich. Auch Thatcher hat ganze Regionen Großbritanniens mit dem Kopf unter Wasser gedrückt, warnt Het Nieuwsblad.
Eine drastische und ehrgeizige Diät, fasst L'Avenir zusammen, ohne Tabus. Bouchez hat auch immer wieder wiederholt, dass Schluss sein soll mit der "Waffeleisenpolitik". Also mit dieser Politik, dass immer, wenn eine Partei Geld für ein Projekt bekommt, auch die anderen Parteien Geld für ihre Steckenpferde bekommen müssen. Ab jetzt soll nicht mehr auf Basis der Machtverhältnisse über Budgets entschieden werden, sondern auf Basis der Projekte. Die Ansage ist deutlich. Aber wir werden sehen, ob die Frankophonen bereit sind, auf ihre Waffeln zu verzichten, wirft L'Avenir ein.
Es steht ein großes Fragezeichen hinter der Finanzierbarkeit, betont Het Laatste Nieuws. Bouchez und Prévot klopfen sich zwar schon auf die Brust. Aber das sollten sie erst tun, wenn ihre bisher vagen Berechnungen sich auch als richtig erwiesen haben. Denn so unbefleckt sie sich jetzt auch geben, auch ihre Parteien haben zu dem finanziellen Trümmerhaufen beigetragen, den es nun wegzuräumen gilt, giftet Het Laatste Nieuws.
Keine schönen Aussichten für Föderalregierung und BDW
Jetzt müssen wir auf die notwendigen Reformen in der Wallonie warten, hält Het Belang van Limburg fest. Denn schnell eine Regierung bilden ist eine Sache. Aber eine festgerostete Region auf Geschwindigkeit zu bekommen, das ist doch eine deutlich größere Herausforderung. Dann haben wir noch eine kurzfristige Frage: Welches Amt strebt Georges-Louis Bouchez selbst an? Hat der Geisterfahrer der Vivaldi-Koalition auch Regierungsambitionen? Wahrscheinlicher ist, dass er Parteivorsitzender bleiben will – "einen De Wever machen", wie wir es bis vor Kurzem in Flandern noch genannt haben. Also lieber Posterboy seiner Partei bleiben, als zu riskieren, seinen Glanz im Regierungs-Morast zu ruinieren. Aber schon wieder ein Bouchez außerhalb der Regierung ist keine schöne Aussicht für die nächste Föderalregierung, gibt Het Belang van Limburg zu bedenken.
Es weht ein neuer Wind durch den Süden, auch wenn in vielen Punkten noch mehr Deutlichkeit kommen muss, so Gazet van Antwerpen. Das müsste Bart De Wever doch eigentlich wie Musik in den Ohren klingen. Endlich scheint sich die Wallonie vom PS-Joch befreit zu haben und tut etwas für einen höheren Beschäftigungsgrad und mehr Wirtschaftswachstum. Aber in einer Hinsicht macht dieser wallonische Kurswechsel Regierungsbildner De Wever das Leben nicht einfacher, nämlich in puncto der von ihm geforderten Staatsreform. Bisher war sein Hauptargument ja immer gewesen, wie unterschiedlich und inkompatibel die beiden Landesteile beziehungsweise Flamen und Wallonen sind. Hier wird sich De Wever in jedem Fall andere Argumente überlegen müssen, stichelt Gazet van Antwerpen.
Boris Schmidt