"Regierungsbildung: De Wever kehrt nächste Woche zurück zum König – Europa macht Druck", so die Überschrift beim GrenzEcho. "De Wever (und Jambon) bekommen zusätzliche Woche – europäische Haushaltsstrafe sorgt für großen Druck auf föderale Regierungsbildung", titelt Gazet van Antwerpen. "Europa drängt föderale Unterhändler zur Sanierung", liest man bei De Tijd. "Exzessives Defizit: Belgien hat drei Monate, um den Kurs zu korrigieren", schreibt L'Avenir. "Europa drängt Belgien, den Gürtel enger zu schnallen", ist der Aufmacher bei Le Soir.
Gestern hat der König die Informator-Mission von N-VA-Chef Bart De Wever um eine Woche verlängert. Dazu kommentiert das GrenzEcho: Wie der von König Philippe in das doppelt mit Minen bestückte Feld geschickte De Wever die Aufgabe der Minenräumung auf finanz-, wirtschafts- und sozialpolitischer Ebene auf der einen, und auf institutioneller Ebene auf der anderen Seite bewerkstelligen will, ist bislang sein Geheimnis. Der Noch-Bürgermeister von Antwerpen lässt sich nicht in die Karten blicken. Das ist auch ratsam. Ein Blick auf die Fußballfelder oder, besser gesagt, auf die Mannschaftsaufstellungen bei der Euro 2024 gibt ihm recht: Besser, die Bürger und die Medien spielen den Nationalcoach als den Regierungsbildner. Denn für beide gilt der Blick in die sprichwörtliche Küche: Viele Köche verderben den Brei, meint das GrenzEcho.
Bart De Wever hat noch Knoten zu entwirren
Man kann De Wever nicht vorwerfen, dass er trödelt, konstatiert De Standaard. Dass Vooruit so schnell eingewilligt hat, auf flämischer Ebene mit den Verhandlungen über eine neue Regionalregierung zu beginnen, ist auch ein gutes Zeichen. Das lässt hoffen, dass die flämischen Sozialisten auch bereit sein werden, sich an den föderalen Verhandlungstisch zu setzen. Aber übertriebener Optimismus ist fehl am Platze: Auf beiden Ebenen müssen nach wie vor Feuer und Wasser vereint werden. Der Föderalstaat wird die größten Haushaltsanstrengungen seit den 1980er-Jahren unternehmen müssen. MR und N-VA wollen vor allem im Gesundheitswesen sparen. Das kommt für Vooruit und Les Engagés aber nicht in Frage. Sie wollen vor allem Einkünfte aus Vermögen belasten. Das aber ist ein No-Go für MR und N-VA. Auf flämischer Ebene muss der Regierungsbildner außerdem Landwirtschaft und Umweltschutz unter einen Hut bringen. Und in der Region Brüssel-Hauptstadt scheint eine Regierungsbildung komplett unmöglich, unterstreicht De Standaard.
So lange in Flandern kein Regierungsabkommen steht, wird die föderale Regierungsbildung vermutlich auf der Stelle treten, kommentiert Het Nieuwsblad. Und die Probleme sind immer noch die gleichen: Die flämischen Sozialisten wollen ihre Haut möglichst teuer verkaufen. Und sie scheinen kein Problem damit zu haben, darauf zu warten, dass auch die PS wieder in das Spiel einsteigt. Die MR, der große Wahlsieger auf frankophoner Seite, will nichts wissen von einer großen Staatsreform. Bart De Wever muss zwischen all dem lavieren und zusehen, wo er eigene Versprechen umsetzen kann. In Flandern und in seiner eigenen Partei mag es ihm gelungen sein, die Knoten zu entwirren. Aber auf föderaler Ebene sicher noch nicht, hebt Het Nieuwsblad hervor.
Die Liste der Kommission klingt bekannt
Andere Zeitungen legen den Fokus ihrer Leitartikel auf den Zustand der belgischen Staatsfinanzen: Während Bart De Wever mit seinen Startnoten beschäftigt war, hat die Europäische Kommission ihre eigene Version der Startnote für eine föderale Regierung verfasst, schreibt De Tijd. Darin geht es um jährliche wirtschaftliche Empfehlungen an die EU-Mitgliedsstaaten. Das Ziel ist, zu verhindern, dass diese Länder wirtschaftlich und finanziell vor unüberwindbaren Problemen landen. Was Belgien betrifft, klingt die Liste der Kommission bekannt: Die Steuern auf Arbeit sind zu hoch, fossile Energie wird zu wenig belastet, im Dienstleistungssektor muss der Wettbewerb gestärkt werden und die Bürokratie muss reduziert werden. Die Vergreisung droht derweil, den Wohlfahrtsstaat unbezahlbar zu machen. Das Unterrichtswesen ist zu teuer und nicht gut genug. Zu viele Menschen mit Migrationshintergrund arbeiten nicht. Was das Ganze noch schwieriger macht: All das muss mit weniger Geld bewältigt werden. Aber wir haben keine Wahl: Die Arbeit, die viel zu lange liegen geblieben war, muss angegangen werden. Die politischen Karten dafür lagen noch nie so gut, ist De Tijd überzeugt.
Harte und wohlverdiente Kritik an Vivaldi
Der Enthusiasmus, mit dem die Vivaldi-Parteien ihre Politik verteidigt haben, klingt nach dem Urteil Europas ziemlich hohl, giftet Gazet van Antwerpen. Sie haben zwar für ihre Wähler gesorgt in den Krisenzeiten. Aber sie haben dabei nicht über die eigene Regierung hinausgeschaut und sind damit maßgeblich mitverantwortlich für die schweren Zeiten, die auf das Land zukommen. Nicht nur, weil sie Geld verjubelt und dem Land einen enormen Schuldenberg hinterlassen haben. Sondern auch, weil sie keine einzige fundamentale Reform durchgeführt haben, um die Zukunft zu sichern. Und so gut wie alle Finanzexperten und -Institutionen haben sie davor gewarnt. Jetzt werden das alle ausbaden müssen. Auf die Parteien der nächsten Regierung kommen harte Zeiten zu. Sie werden Verantwortung übernehmen, Mut zeigen und das Allgemeinwohl berücksichtigen müssen. All das, was die Politiker in den vorherigen Regierungen nicht ausreichend getan haben, urteilt Gazet van Antwerpen.
Die leitenden Parteien der scheidenden Vivaldi-Koalition, also vor allem Open VLD und PS, brauchen sich nicht über die Kritik zu beklagen, so De Morgen. Sie ist wohlverdient. Sicher, die Regierung begann schon mit dem Haushaltsloch, das ihr die Vorgängerregierungen hinterlassen hatten. Und ja, sie musste auch zwei globale Krisen meistern. Aber sie hat Chancen verschwendet, um den Haushalt nachträglich zurück auf die Schienen zu setzen. Es war schon lange deutlich, dass die nächste Regierung wieder Ordnung in die Finanzen würde bringen müssen – und das wird schmerzhaft werden, warnt De Morgen.
Boris Schmidt