"Europa leitet Strafprozedur gegen Belgien ein – Wir stehen vor den größten Einsparungen in 30 Jahren", meldet De Tijd auf Seite eins. "Belgien auf dem Radar Europas wegen exzessiven Defizits", so L'Echo. "Europa gibt unserem Land einen Klaps auf die Finger wegen des Haushalts", schreibt Het Nieuwsblad.
In puncto ausgeglichener Haushalt steht die Föderalregierung vor der Besteigung des Mount Everest, kommentiert Het Laatste Nieuws. Gerade im Vergleich zu Flandern. In der Wallonie scheint nach den Wahlen ein frischer Wind zu wehen. Aber werden die frankophonen Parteien wirklich willens sein zu tun, was getan werden muss? Sprich werden sie bereit sein, das Gesundheitsbudget weniger stark steigen zu lassen? Was ist mit den Kosten für die Vergreisung? Werden Politiker an die Renten gehen? Oder werden sie die ohnehin schon haushohen Steuern nochmal kräftig anheben? So viele Möglichkeiten gibt es einfach nicht, um einen Haushalt zu sanieren. Und was ist mit den Regionen? Sollen sie dazu beitragen, das föderale Defizit abzubauen?, fragt Het Laatste Nieuws.
Eine schwierige und undankbare Aufgabe
Dieses Mal wird die Europäische Kommission keine Milde mehr zeigen, betont L'Echo. Belgien wird höchstwahrscheinlich einen Klaps auf die Finger bekommen, denn es geht vor allem um ein strukturelles Problem: Die laufenden Ausgaben sind nicht unter Kontrolle. Allzu viele Optionen haben wir dabei nicht: Bei den Steuern sind wir bereits an eine gewisse Grenze gestoßen, bleibt also eine Reduzierung der Ausgaben. Das wird natürlich eine schwierige und undankbare Aufgabe werden. Aber sie wird sicher nicht unmöglich sein, Belgien hat bereits mehrfach bewiesen, dass es zu so etwas in der Lage ist, wenn der Druck groß genug ist. Man sollte auch hervorheben, dass derjenige, der den Haushalt zu einer Priorität gemacht hat, auch die Wahlen gewonnen hat: Bart De Wever. Aber bei allen notwendigen Einsparungen muss trotzdem auch weiter investiert werden, um unsere Wirtschaft zu fördern – unter anderem in Energie und Industrie, Digitalisierung der Wirtschaft und nachhaltige Mobilität. Genau das empfiehlt Europa auch, unterstreicht L'Echo.
Keine Regierung wird große Einsparungen vermeiden können, fasst Het Belang van Limburg zusammen. Dafür wird die Politik möglichst viel Rückhalt in der Bevölkerung wollen. Eine alles andere als einfache Aufgabe angesichts des Tiefstands des Vertrauens der Menschen in die Politik. Die Antwort liegt nicht nur in guter Politik, sondern vor allem auch darin, mit gutem Beispiel voranzugehen. Der erste Beschluss der neu zusammengestellten Parlamente Anfang Juli muss deshalb die Abschaffung der fürstlichen Abfindungen für Abgeordnete sein, die aus dem Parlament ausscheiden. Sie bekommen dieses Jahr zusammengenommen rund 20 Millionen Euro, in manchen Fällen kommen noch äußerst großzügige Pensionen dazu. Natürlich wird das am Haushaltsloch so gut wie nichts ändern. Aber es geht um das Signal an die Bevölkerung, appelliert Het Belang van Limburg.
Nicht vergaloppieren
Im Zusammenhang mit den höchstwahrscheinlich anstehenden Haushaltsanstrengungen wird auch schnell wieder der mäßige Beschäftigungsgrad Belgiens zur Sprache kommen, schreibt De Morgen. Vollkommen zurecht natürlich, denn mehr Menschen in Arbeit zu bringen ist der schmerzloseste Weg für den Staat, um Ausgaben zu senken – weniger Menschen sind auf Bezüge angewiesen, mehr Menschen tragen über ein besteuerbares Einkommen zum Wohlstand bei. Aber wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht vergaloppieren auf der Jagd nach der magischen 80-Prozent-Marke. Oft wird beispielsweise die Frage in den Raum gestellt, ob Studenten nicht mehr arbeiten können. Allerdings belegen Studien, dass Studenten, die nebenher arbeiten, im Schnitt länger brauchen, um ihren Abschluss zu machen. Das kostet die Gesellschaft Geld. Deswegen ist es auch wichtiger, die Produktivität zu steigern, anstatt sich stur auf eine Erhöhung des Beschäftigungsgrads zu konzentrieren. Eine hochqualifizierte Bevölkerung bringt in dieser Hinsicht mehr als früh überarbeitete junge Menschen, meint De Morgen.
Fünf vor zwölf
La Libre Belgique blickt in ihrem Leitartikel auf die Regierungsbildung in der Region Brüssel-Hauptstadt: Die Wähler haben die Karten hier alles andere als einfach gelegt für die Regierungsbildner, die Zersplitterung des politischen Spielfelds war noch nie so groß wie jetzt. Fassen wir die Lage kurz zusammen: Die MR hat den ersten Platz auf dem Podium erobert, die PS hat das Gesicht gewahrt, die PTB hat 20 Prozent geholt, während Ecolo abgeschmiert ist. Und Les Engagés haben zwar für eine Überraschung gesorgt, aber sind weit entfernt von den Spitzenplätzen. Der klare Sieg von Groen macht das Puzzle noch komplizierter. Das Ergebnis wird sein, dass die nächste Brüsseler Regierung sich weder durch Kohärenz noch durch eine gemeinsame Zukunftsvision auszeichnen wird. Aber angesichts des erbärmlichen Zustands des regionalen Haushalts kann sich Brüssel keine ewig währenden Verhandlungen erlauben. Und auch keine kleine Vivaldi-Koalition, die keine Reformen auf die Reihe bekommen wird, mahnt La Libre Belgique.
Gazet van Antwerpen beschäftigt sich mit dem Wetter und seinen Folgen: Schon wieder Überschwemmungen und Probleme mit zu viel Wasser, es ist das x-te Klima-Warnsignal. Hoffentlich dringt das auch zu den Regierungsbildnern durch. Es ist fünf vor zwölf. Aber in den Wahlen hat der Klimawandel kaum eine Rolle gespielt. Nicht dass die meisten Parteien den leugnen würden. Sie haben einfach nicht darüber geredet. Das ist zynisch. Belgien und seine Gliedstaaten werden auch jenseits der europäischen Maßnahmen einen gehörigen Zahn zulegen müssen, um das entgleiste Klima wieder unter Kontrolle zu bekommen. Das wird viel Zeit in Anspruch nehmen. Die Informatoren und Regierungsbildner müssen das zu einer Priorität machen, fordert Gazet van Antwerpen.
Boris Schmidt