"Feuerwerk zum Auftakt – Deutschland eröffnet die Heim-EM mit überzeugendem 5:1-Sieg gegen Schottland", meldet das GrenzEcho auf Seite eins. "Jetzt geht's los", schreibt Gazet van Antwerpen auf Deutsch und fügt hinzu "Deutsche schlagen Schotten mit 5:1 im Eröffnungsmatch". "Fliegender Start für Deutschland", so Het Laatste Nieuws. "Was für ein Start", würdigt Het Nieuwsblad.
Wie jedes Mal bei internationalen Turnieren wird der Fußball nicht nur die üblichen Fans verführen, kommentiert La Dernière Heure. Das wird dieses Mal aber wohl noch stärker zutreffen als sonst. Denn seit der Pandemie haben wir kaum Anlässe zum Feiern gehabt, siehe Explosion der Energiepreise und Lebenshaltungskosten im Allgemeinen, Kriege, Wahlkampfkabbeleien. Das herbstliche Wetter tut sein Übriges für die Stimmung.
Also, auf, lasst uns von dieser Fußball-Europameisterschaft profitieren – und von den Olympischen Spielen, die auf sie folgen. Lasst uns vor großen und kleinen Bildschirmen zusammenkommen und zusammen die neue Generation der Roten Teufel feiern. Die werden am Montagabend um 18 Uhr das erste Mal auflaufen – gegen die Slowakei, erinnert La Dernière Heure.
Es gibt noch genug Stolpersteine
Ansonsten beherrscht allerdings die Politik die Leitartikel: Wir befinden uns mittlerweile in Phase zwei, dem Paarungstanz, hält Het Belang van Limburg fest: Der zwischen MR und Les Engagés ist schon vorbei. Die beiden werden eine wallonische Regierung bilden und sich aneinander binden für die Verhandlungen auf föderaler Ebene und in Brüssel.
Die flämischen Regierungsverhandlungen über die gelb-orange-rote "Raketeneis-Koalition" aus N-VA, CD&V und Vooruit laufen ebenfalls schon. Und für die föderale Ebene scheint es nur logisch, dass diese fünf Parteien gemeinsam in See stechen. Es kann also schnell gehen. Betonung auf "kann". Denn sowohl flämisch als auch föderal gibt es noch genug Stolpersteine, warnt Het Belang van Limburg.
Die Wahlergebnisse waren wirklich überraschend deutlich, hebt De Standaard hervor. Aber es ist dennoch nicht undenkbar, dass am Ende die Differenzen zwischen den Parteien die Oberhand gewinnen werden bei den Verhandlungen oder die Egos der Verantwortlichen. Oder dass die flämischen Sozialisten von Vooruit doch darauf bestehen werden, die frankophone Schwesterpartei PS föderal mit ins Boot zu nehmen.
Es könnte also durchaus sein, dass wir nach dem Sommernachtstraum der vergangenen Tage am Montag die Rückkehr in die parteipolitischen Schützengräben erleben werden. Allerdings ist die Hoffnung tatsächlich gerechtfertigt, dass wir vor einer neuen politischen Dynamik stehen. Denn der Druck, endlich etwas zu ändern, ist groß.
Nicht nur von den frustrierten Wählern, die für die radikalen Parteien gestimmt haben, sondern auch von den Zentrumswählern. Und dann sind da noch die europäischen Haushaltsregeln und die steigenden Zinsen, die wie eine dunkle Wolke über allem schweben, gibt De Standaard zu bedenken.
De Wever hat keine leichte Mission
Selten waren wir nur eine Woche nach dem Urnengang schon so weit, stellt Gazet van Antwerpen fest: Aber auch wenn es schnell zu gehen scheint, Bart De Wever steht vor einem höllischen Puzzle. Nächste Woche werden wir erfahren, welche finanziellen Anstrengungen Europa von Belgien erwartet. Das Planbüro befürchtet schon jetzt das Schlimmste in dieser Hinsicht.
Unter diesen Umständen ist es nachvollziehbar, dass Vooruit wenig Lust hat, als einzige linke Partei in eine Föderalregierung mit nur Mitte-Rechts-Parteien einzutreten. Deswegen pokert Conner Rousseau hoch: Falls Vooruit nichts dafür bekommt, wird De Wever nichts anderes übrigbleiben, als es mit der Open VLD zu probieren, analysiert Gazet van Antwerpen.
Het Nieuwsblad befasst sich mit Georges-Louis Bouchez: Der Erfolg seiner MR im frankophonen Landesteil macht den Parteivorsitzenden noch forscher und direkter als er eh schon war. Das sind keine guten Nachrichten für alle, die mit ihm koalieren müssen.
Bouchez hat bereits gesagt, dass eine Staatsreform, wie Bart De Wever sie will, nicht infrage kommt. Das macht die Mission des Informators sicher nicht einfacher. Sowohl die potenziellen Regierungspartner auf flämischer als auch auf föderaler Ebene werden beten, dass Bouchez wallonischer Ministerpräsident wird. Denn dann hätte er weniger Zeit, um andere zu piesacken, stichelt Het Nieuwsblad.
Die königliche Mission des Informators ist nicht ungefährlich für De Wever, schreibt La Libre Belgique. Der N-VA-Chef ist sich der historischen Chance bewusst, die er hat, um die Staatsverschuldung zu reduzieren und den Beschäftigungsgrad in die Höhe zu treiben. Es ist also durchaus möglich, dass noch vor den Kommunalwahlen Fortschritte erzielt werden können. Er wird aber auch etwas in puncto mehr flämische Autonomie holen müssen, um das Gesicht zu wahren.
Scheitert De Wever, dann würde das seine Partei lähmen und in eine schwere Krise stürzen. Der Vlaams Belang müsste sich dann nur noch bücken, um die Früchte zu ernten, so La Libre Belgique.
Insel der Glückseligkeit neben einem politischen Inferno
Eines muss man nach der vergangenen turbulenten Woche jedenfalls festhalten, meint Le Soir: Die Demokratie hat gewonnen und hat sich als sehr lebendig erwiesen in Belgien. Das sieht man unter anderem an den Umwälzungen, die die Bürger durch die Abgabe ihrer Stimme erzwungen haben. Aber auch daran, dass der Damm gegen die Rechtsextremen in Flandern gehalten hat.
Das bedeutet aber keinesfalls, dass Belgien immun ist gegen die Probleme, die andere europäische Länder haben. Ja, wir dürfen uns glücklich schätzen über unsere aktuelle kostbare Insel der Glückseligkeit. Aber wir müssen auch alles dafür tun, um sie zu bewahren. Wir brauchen verantwortungsbewusste Regierungen, die unseren Werten und dem Allgemeinwohl dienen, keine Führer, die sich auf Instinkte verlassen oder nur auf ihr Ego bedacht sind, appelliert Le Soir.
L'Echo blickt nach Frankreich: Man kann wirklich nur fassungslos auf den politischen Brand blicken, den Präsident Emmanuel Macron da gelegt hat und auf den Kollaps der demokratischen Spielregeln. Die Folgen davon könnten auch wir zu spüren bekommen. Denn Frankreich ist eine große Militärmacht – und die einzige mit Atomwaffen in der Europäischen Union, die Wladimir Putin abschrecken könnten.
Aber sowohl die französischen Rechtsextremen unter Le Pen als auch die Linksextremen unter Mélenchon stehen Russland sehr nah. Dann sind da noch die Ankündigungen, sich aus diversen europäischen Verpflichtungen zurückziehen zu wollen – auch das wäre weit über die Grenzen Frankreichs hinaus zu spüren.
Die nächsten Wochen werden zeigen, welchem Schicksal wir hierzulande entkommen sind, indem die Extremisten nicht an die Macht gekommen sind. Aber wir werden dennoch nicht vor den Konsequenzen geschützt sein, befürchtet L'Echo.
Boris Schmidt