"Neue Streikankündigung für 72 Stunden bei der SNCB", meldet L'Echo auf Seite eins. "Sozialistische Gewerkschaft will drei Tage streiken", so Het Belang van Limburg. "Schienenverkehr Ende des Monats teilweise lahmgelegt", kündigt L'Avenir an. "Angedrohter neuer Streik macht Malaise auf den Schienen komplett", titelt De Standaard. "Streikankündigung: Die Gewerkschaften sind gespalten", schreibt Le Soir.
Hat die sozialistische Gewerkschaft etwa vor, eine neue monatliche Tradition einzuführen?, fragt De Standaard in seinem Leitartikel. Schon den dritten Monat in Folge soll gestreikt werden. Im November und Dezember waren es noch je 48 Stunden, jetzt sollen es drei Tage werden. Aber während die Streiks länger werden, nimmt ihre Wirksamkeit ab: Die sozialistische Gewerkschaft hat immer größere Probleme, die anderen Gewerkschaften zum Mitmachen zu überreden. Das ist auch nicht wirklich verwunderlich, denn der Protest richtet sich vor allem gegen Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz bei der Bahn. Aber nur durch mehr Effizienz lässt sich der strukturelle Personalmangel lösen. Mehr Effizienz bedeutet auch weniger Arbeitsdruck, was die Bahn wiederum zu einem attraktiveren Arbeitgeber machen würde.
Vielleicht müssen sich die Gewerkschaften erst an diese neuen Realitäten gewöhnen, brauchen sie noch Zeit, um einzusehen, dass nur eine Anpassung der Arbeitsweisen zu einer Verbesserung der Situation ihrer Mitglieder führen wird. Reflexartig gegen jede Veränderung auf die Barrikaden zu gehen, ist einfach kontraproduktiv, meint De Standaard.
De Lijn-Verkehrsplan – Kahlschlag bei den Schwächsten
Ärger gibt es auch um die flämische öffentliche Nahverkehrsgesellschaft De Lijn, denn das neue Jahr bringt einen neuen Verkehrsplan, der auch die Abschaffung zahlreicher Bushaltestellen vorsieht: Fast ein Viertel der flämischen Haushalte hat kein Auto, kommentiert dazu De Morgen. Und das sind nicht etwa alles Yuppies, die Lastenfahrräder und Uber nutzen. Laut einer aktuellen Untersuchung gibt es 100.000 arme Familien ohne Auto in ländlichen Gegenden. Die Karte der gestrichenen 3.800 Bushaltestellen spricht auch Bände – die am stärksten betroffenen Gemeinden liegen in Westflandern, Limburg und den flämischen Ardennen. Viele dieser Gemeinden schneiden auch schlecht ab, was soziale und wirtschaftliche Chancen angeht. Schon problematische Gebiete werden also noch stärker abgehängt, beklagt De Morgen.
Am schmerzlichsten ist, dass vor allem die Menschen getroffen werden, die schon am wenigsten mobil sind, schlägt Het Laatste Nieuws in die gleiche Kerbe. Wer radeln kann, der radelt. Wer Autofahren kann, der fährt Auto. Aber was ist mit den Menschen, die das nicht oder nicht mehr können? Zum Beispiel aus gesundheitlichen oder finanziellen Gründen? Diesen Menschen bleibt nur der Bus. Wenn es in der flämischen Verkehrspolitik so etwas wie einen roten Faden gibt, dann, dass es seit zehn Jahren eigentlich nur noch bergab geht. Selbst N-VA-Chef Bart De Wever hat zähneknirschend und öffentlich einräumen müssen, dass es die Brüsseler Nahverkehrsgesellschaft STIB besser macht als De Lijn, stichelt Het Laatste Nieuws.
BYD aus China statt Van Hool aus Belgien
De Lijn macht aber noch aus einem zweiten Grund Schlagzeilen: Die Nahverkehrsgesellschaft hat für 43 Millionen Euro 92 Elektrobusse bestellt. Der Kauf von Elektrobussen ist absolut notwendig, um den Ausstoß von Abgasen zu senken, räumt Het Nieuwsblad ein. Allerdings ist der Auftrag nicht etwa an den belgischen Busbauer Van Hool gegangen, sondern an den chinesischen Konzern BYD, den internationalen Marktführer bei E-Bussen.
Warum wird hier nicht die einheimische Wirtschaft unterstützt? In anderen Ländern wäre das eine Selbstverständlichkeit. Strategische Autonomie ist also mal wieder schön und gut, aber sie darf eben nicht zu viel kosten. Die zuständige Regionalministerin investiert Gelder, die sie im flämischen Haushalt losgeeist hat, lieber in Prämien für Menschen, die sich Elektroautos sowieso leisten können. Zumindest ist sie konsequent: Auch bei privaten Elektroautos beherrschen chinesische Modelle den Markt, giftet Het Nieuwsblad.
Die Kritik an der Bestellung bei den Chinesen ist nachvollziehbar, schreibt De Tijd: Die Beziehungen mit China sind schon mehr als angespannt, außerdem werden den Chinesen Dumping-Praktiken vorgeworfen. Fakt ist auch, dass die Dominanz chinesischer E-Autos rasant zunimmt. Der Grund dafür ist der technische Vorsprung gegenüber anderen Produzenten, gerade aus Europa. Ein Weg, chinesische Importe zu stoppen, wären Zölle auf Wagen aus China. Allerdings werden die BYD-Elektrobusse für De Lijn in Ungarn produziert, so einfach ist die Sache also nicht. Es ist logisch, dass sich Europa gegen unfaire Konkurrenz nicht nur aus China, sondern auch aus den Vereinigten Staaten wehren will. Aber es herrscht keine Einigkeit darüber, wie das bewerkstelligt werden soll, erinnert De Tijd.
Die Quadratur eines Teufelskreises
Le Soir befasst sich derweil mit einer neuen Studie über die Ausgaben politischer Parteien für Werbekampagnen auf Facebook und Instagram: Politik kann schon ziemlich bizarr und widersprüchlich sein. Siehe etwa die PTB-PVDA: Die fanatisch antikapitalistische, linksextreme Partei gehört zu denen, die am meisten Geld ausgeben in den Sozialen Netzwerken des Meta-Konzerns, der wie kaum ein anderer für beispiellosen Turbokapitalismus steht.
Beim rechtsextremen Vlaams Belang, der mit an der Spitze liegt bei den Ausgaben, ist die Sache zumindest ideologisch deutlich einfacher. Außerdem nutzt die Partei den Umstand, dass die Auflagen für Inhalte bei Meta lockerer sind. Überall sonst gelten für verantwortungsvolle Verleger strengere Regeln.
Angesichts dieser Entwicklungen kann man sich schon die Frage stellen, in welche Richtung sich die Politik entwickelt. Ja, wir haben keine Wahl und müssen mit der Zeit gehen, aber das ist die Quadratur eines Teufelskreises, befürchtet Le Soir.
Boris Schmidt