"Tausende Menschen marschieren in Brüssel gegen Antisemitismus", meldet La Libre Belgique. "4.000 Personen sind gegen Antisemitismus auf die Straße gegangen", fasst Le Soir zusammen. "Marsch gegen Antisemitismus - 'Wir fühlen uns in Gefahr'", bringt La Dernière Heure ein Zitat zur gestrigen Demonstration in Brüssel.
Laut den Organisatoren des Marsches erinnert das Aufflammen des Antisemitismus an einige der dunkelsten Kapitel der Geschichte, schreibt La Dernière Heure in ihrem Leitartikel. Aber Antisemitismus bedeutet nicht nur Hakenkreuze, körperliche und verbale Aggressionen. Antisemitismus kann auch viel alltäglicher sein. Antisemiten wollen uns auch weismachen, dass alle Juden superreiche Diamantenhändler sind oder die Chefs großer Konzerne. Antisemiten fordern auch von Juden, klar Position zu beziehen hinsichtlich eines blutigen Gegenangriffs eines Landes, das ihnen vollkommen fremd sein kann. Der alltägliche Antisemitismus ist latent, hinterhältig, arglistig und perfide. Und er muss wie alle anderen Formen des Antisemitismus bekämpft werden, fordert La Dernière Heure.
Ohne Gerechtigkeit kein Frieden
Die israelischen Luftangriffe auf Gaza sind, was zivile Opfer betrifft, die tödlichsten der letzten Jahre, kommentiert De Morgen. In den ersten drei Wochen des Vergeltungskrieges nach den Hamas-Massenmorden vom 7. Oktober waren 61 Prozent der palästinensischen Opfer Zivilisten. Der Durchschnitt der Kriege des 20. Jahrhunderts liegt rund zehn Prozent niedriger. Möglicherweise wird die Hamas militärisch bald geschlagen sein, aber was dann? Zivilisten töten wird die Sicherheit Israels nicht verbessern, im Gegenteil: Die überlebenden Palästinenser, die aus den Ruinen hervorkriechen werden, werden auf Rache aus sein.
Israel sollte sich stattdessen seine Vorgehensweise im Fall Adolf Eichmann in Erinnerung rufen, um die Hamas-Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Die Banalität des Bösen der Hamas darf nie zur Entschuldigung werden, um ein Volk kollektiv zu bestrafen. Die Angehörigen der israelischen Opfer haben ein Recht auf einen Prozess, genau wie die Palästinenser. Ohne Gerechtigkeit wird es keinen Frieden geben, meint De Morgen.
Kampf gegen Moskau und Öl- und Gas-Subventionen
Diese Woche wird entscheidend werden für die Europäische Union und die Europäer, erinnert derweil Le Soir an den andauernden russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Denn die EU muss eine unmissverständliche und starke Botschaft senden: an die Ukrainer, an den Kreml, aber auch an Washington. Die Ukrainer müssen nach Wochen des Zögerns und Zauderns endlich ein Paket an Sicherheitsgarantien erhalten, das vor allem grünes Licht für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen beinhaltet. Aber auch Garantien für die Finanzierung von Waffen und Munition. Dem Kreml, wo sich Putin gerade vorbereitet, sich bis mindestens 2036 an die Macht zu klammern, muss unmissverständlich klargemacht werden, dass es keine europäische "Ukraine-Müdigkeit" gibt, auch nicht vor dem Hintergrund des Nahostkonflikts. Und Washington muss demonstriert werden, dass Europa weiter willens ist, gegen Moskaus neo-imperialistischen Bestrebungen zu kämpfen. Und zwar unabhängig davon, ob Donald Trump 2025 ins Weiße Haus zurückkehrt. Es geht darum zu zeigen, dass Europa Gewicht hat. Und dass es seine demokratischen Werte und Freiheiten verteidigen will angesichts der diversen autokratischen Pole, die mit gezückten Messern die Welt umformen wollen, appelliert Le Soir.
De Standaard blickt auf die Klimakonferenz der Vereinten Nationen: Es war nur eine Fußnote im Nachrichtenstrom aus Dubai, aber Belgien hat sich einer Koalition zum Abbau von Subventionen für fossile Energieträger angeschlossen. Viel Gewicht hat diese Koalition noch nicht, außer Frankreich, Kanada und Österreich besteht sie vor allem aus kleinen Spielern wie Luxemburg, Dänemark, Costa Rica oder Antigua und Barbuda. Laut dem Internationalen Währungsfonds fließen pro Jahr weltweit etwa 7.000 Milliarden Euro an Steuergeldern in Öl und Gas. Eine königliche Unterstützung, die in krassem Widerspruch steht zur Einsicht, dass wir mit ihrer Verbrennung aufhören müssen. Hier nicht zu handeln wäre gleichbedeutend mit schuldhafter Unterlassung, prangert De Standaard an.
SNCB-Surrealismus
Het Nieuwsblad beschäftigt sich mit der Erweiterung des Zugangebots der SNCB: Das Endziel ist, mehr und mehr Menschen davon zu überzeugen, den Zug zu nehmen, bis 2032 soll die Zahl der Passagiere um 30 Prozent gesteigert werden. Man muss diesem Plan zumindest zugutehalten, dass er ehrgeizig ist. Allerdings muss man sich auch die Frage stellen, ob wir hier über die gleiche SNCB sprechen, deren Pünktlichkeit einen Tiefpunkt erreicht hat? Streiks noch nicht mal mitgezählt. Die Bahn kämpft mit einem akuten Personalmangel und veraltetem Material. Die Folge sind Zugausfälle und Passagiere, die sich wie Sardinen in den übrigen Zügen drängen. In so einer Lage das Zugangebot auszuweiten, das hat schon etwas von belgischem Surrealismus.
Aber es wird noch zynischer, nach neun Prozent Preiserhöhung dieses Jahr, kommen im neuen Jahr weitere sechs Prozent dazu. Mehr bezahlen für weniger Service, selbst durchgefallene Wirtschaftsstudenten wissen, dass das kein idealer Weg ist, um mehr Kunden zu gewinnen. Wenn das Auto nicht nur bequemer und effizienter ist, sondern auch noch billiger wird als Zugfahren, dann wird es schwierig, die Passagierzahlen zu steigern. Ganz zu schweigen davon, dass die Elektrifizierung des Wagenparks auch das schlechte Gewissen wegen des CO2-Ausstoßes verschwinden lassen wird. König Auto könnte so noch lange auf seinem Thron sitzen bleiben, wettert Het Nieuwsblad.
Boris Schmidt