"Wie Belgien die Kohlenstoffneutralität erreichen kann", kündigt Le Soir eine Klima-Sonderbeilage an. "'Ich hätte nie geglaubt, dass wir noch so viel tun können für das Klima'", zitiert De Standaard auf Seite eins aus einem Interview mit einer Klimastatistikerin. "Demir zieht in den Kampf gegen das Klimaurteil", titelt Het Nieuwsblad zur Reaktion der flämischen Umweltministerin auf das Urteil des Brüsseler Appellationshofs. Der hat dem Föderalstaat und den Regionen Flandern und Brüssel ja mehr Anstrengungen zur Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen auferlegt.
"Hat dieses Urteil die Politik wach gerüttelt?", fragt Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel. Die verschiedenen Regierungen haben sehr unterschiedlich reagiert. Während Demir vor den Kassationshof ziehen will, scheint die Föderalregierung keinen großen Druck zu spüren durch die Entscheidung. Die Koalitionspartner Groen und Ecolo verweisen darauf, dass die Klimaziele ohnehin schon im Regierungsabkommen stehen. Premierminister Alexander De Croo meldet sich von der Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen in Dubai und sagt, dass diese Art Prozesse nicht den geringsten Unterschied macht. So lange keine Strafzahlungen damit verbunden sind, bricht niemand wirklich in Panik aus. Und selbst wenn, die Krise um die Unterbringung von Asylbewerbern zeigt ja, dass selbst Geldstrafen nicht viel verändern. So oder so ist das Gerichtsurteil aber der x-te Anlass, sich endlich an die Arbeit zu machen und Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen. Sonst werden wir auf andere Weise für unsere Nachlässigkeit bezahlen, die Wallonen sind immer noch dabei, nach der großen Flut von 2021 aufzuräumen, warnt Het Belang van Limburg.
Eine unbegreifliche Form politischer Selbstverachtung
Es ist verlockend, Premier De Croo zuzustimmen, wenn er sagt, dass das Urteil keinen Unterschied machen wird, kommentiert De Standaard. Allerdings kann man angesichts seiner wortkargen Reaktion nur hoffen, dass er das Urteil nicht selbst gelesen hat. Denn der Text ist ein ergreifendes Dokument über die Klimapolitik. Er analysiert vernichtend präzise, wann wir was wissenschaftlich wussten, was die Folgen für die Bürger sind, was die Behörden sich vorgenommen hatten, um das zu verhindern, ob das ausreichend war und ob sie das auch umgesetzt haben. Das macht es zu einem radikalen Dokument, das haarklein und unumstößlich belegt, dass die Behörden schon seit mindestens 2009 sicher sind, dass der Klimawandel enormen Schaden verursachen wird. Dadurch wird der Klimaprozess zu einer Art Untersuchungsausschuss, der auch alle möglichen Einwände mit logischen und faktischen Argumenten widerlegt. Das aus Dubai einfach als unbedeutend abzutun, zeugt von einer unbegreiflichen Form politischer Selbstverachtung, wettert De Standaard.
Het Nieuwsblad greift ein Interview mit der Groen-Co-Vorsitzenden Nadia Naji auf: Naji legt den Finger in die Wunde: Klimapolitik muss für alle Menschen sein, auch für Menschen mit finanziellen Schwierigkeiten. Auch Experten unterstreichen die Notwendigkeit einer gerechten Klimatransition, sprich einer sozial verträglichen Klimapolitik, andernfalls drohen Unzufriedenheit und selbst Straßenproteste. Wir reden hier beispielsweise über Subventionen für Solarpanele, die Menschen entgehen, die sich keine Photovoltaikanlagen leisten können. Oder auch über Renovierungsprämien, davon hat man auch nichts, wenn das Geld fehlt, um sein Haus umzubauen. Aber den Finger in die Wunde legen ist eine Sache, Maßnahmen in Regierungspolitik umzusetzen eine ganze andere, erinnert Het Nieuwsblad.
Das Sterben hat wieder begonnen
Zweites großes Thema in den Leitartikeln ist das Ende der Feuerpause im Gazastreifen: Beide Seiten weisen sich gegenseitig die Schuld zu, hält Le Soir fest, aber Fakt ist, dass die Bombardierungen wieder begonnen haben - ebenso wie der Strom an Meldungen über Tote und Verletzte. Die israelische Regierung beharrt derweil auf ihren Zielen: Befreiung der Geiseln, Vernichtung der Hamas und sicherstellen, dass Gaza nie wieder eine Bedrohung für Israel darstellen kann. Das ändert aber nichts daran, dass Israel weiter vor dem gleichen Dilemma steht: Wie soll es die Hamas besiegen oder gar vernichten, ohne die verbleibenden Geiseln zu opfern? Und ohne dabei zehntausende Zivilisten zu massakrieren?, unterstreicht Le Soir.
Gazet van Antwerpen beklagt die hohe Zahl von Opfern, besonders unter Kindern. Nicht nur palästinensische Kinder im Gazastreifen, auch israelische Kinder, von denen manche von der Hamas als Geiseln verschleppt worden sind. Auch im Westjordanland und in Ostjerusalem werden Kinder weiter zu Opfern. Dieser Krieg zwischen Hamas und Israel ist mehr als jeder Krieg davor zu einem Friedhof der Kinder geworden, ohne dass Aussicht auf ein Ende besteht. Noch nie sind die Worte des ehemaligen US-Präsidenten Herbert Hoover aktueller und passender gewesen als jetzt: Ältere Herren erklären den Krieg, aber es ist die Jugend, die kämpfen und sterben muss, so Gazet van Antwerpen.
Wer soll hier wirklich geschützt werden?
Unter internationalem Druck hat sich die israelische Armee etwas Neues ausgedacht, um Unschuldige in Gaza besser zu schützen, schreibt L'Avenir. Sie hat den Gazastreifen in durchnummerierte Blocks aufgeteilt. Nun sollen die Bewohner prüfen, ob sie in einem Block leben, der angegriffen wird, oder in seiner unmittelbaren Nachbarschaft, und sich gegebenenfalls schnellstens vom Acker machen. Jetzt mal abgesehen von den schlechten historischen Erinnerungen, die die Zuteilung von Blocks und Nummern an die Zivilbevölkerung hervorruft: Was will die israelische Armee damit erreichen? Alle anderen Evakuierungsaufforderungen haben bisher doch auch nicht verhindert, dass massenhaft Zivilisten ums Leben gekommen sind. In Wirklichkeit scheinen es doch wohl eher die Regierung und allen voran Netanjahu zu sein, die so geschützt werden sollen, die immer weniger überzeugend darlegen können, dass es ihnen nur um die Vernichtung der Hamas geht.
Die Hamas gewinnt derweil leider auf der ganzen Linie: Mit jedem Tag, den der Krieg andauert, wächst der Antisemitismus, mit jedem Tag wird Israel regional und international stärker isoliert. Außerdem ist es der Hamas gelungen, palästinensische Gefangene freizubekommen im Tausch gegen Geiseln und die Zwei-Staaten-Lösung zurück auf die Agenda zu bringen, analysiert L'Avenir.