"Familie mit vier Töchtern kommt bei einem Brand ums Leben", titelt Het Laatste Nieuws. "Sechsköpfige Familie überrascht im Schlaf", so die Schlagzeile von Gazet van Antwerpen und Het Nieuwsblad. Ausnahmslos alle berichten heute über den schrecklichen Brand in einem Wohnhaus in Huy. Das Feuer war in der Nacht ausgebrochen und muss sich rasend schnell ausgebreitet haben. Die Eltern und ihre vier Töchter saßen in der Falle. "Es ist eine wirkliche Tragödie", sagt ein Feuerwehroffizier in der Zeitung L'Avenir. Die Familie lebte in bescheidenen Verhältnissen. "Die Eltern verzichteten auf alles, zum Wohle ihrer Kinder", schreibt La Dernière Heure auf Seite eins.
Klimawandel + aktuelle Raumordnung = Katastrophe programmiert
"Neue Überschwemmungen sind nicht zu vermeiden", so derweil die alarmierte Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. "Gewappnet gegen noch mehr Wasser, zumindest hoffen sie das", schreibt Het Nieuwsblad. Im Süden der Provinz Westflandern, im so genannten Westhoek, ist im Moment banges Abwarten angesagt. Die Pegelstände stehen auf Rekordniveau. Die Pumpen laufen auf Hochtouren. Die Deiche stehen unter ständiger Beobachtung. Und die Rettungskräfte sind im Dauerstress. Immer wieder müssen einzelne Zonen evakuiert werden.
Den Bewohnern des Westhoek steht das Wasser buchstäblich bis an die Lippen, konstatiert De Morgen besorgt in seinem Leitartikel. Man sieht zuweilen herzzerreißende Szenen: überflutete Häuser, zerstörte Ernten, verweinte Augen. Man denkt da reflexartig gleich an den Klimawandel und seine Folgen. Im vorliegenden Fall ist das aber nur ein Teil der Erklärung. Im Fokus steht hier nämlich auch die Gestaltung unseres öffentlichen Raums. Immer noch wird Betonieren großgeschrieben, werden zu große Flächen regelrecht versiegelt. Insgesamt ist das Wassermanagement schlichtweg falsch. Was dazu führt, dass im Sommer zu schnell Trockenheit droht, und in regnerischen Zeiten dann gleich Überschwemmungen. Hier muss sich schnellstens was ändern.
Echte Bauwende dringend nötig
Het Nieuwsblad sieht das ganz genauso. An Bilder wie die aus dem Westhoek werden wir uns leider gewöhnen müssen, da sind sich die Experten einig. Schuld ist vor allem die total fehlgeleitete Raumordnungspolitik der letzten Jahrzehnte. Resultat: Im Sommer trocknet der Boden aus, im Herbst und Winter kann der knüppelharte Untergrund das Regenwasser nicht aufnehmen. Deswegen brauchen wir jetzt dringend eine echte Bauwende: Schluss mit dem konsequenten Asphaltieren und Zupflastern! In Flandern stand ja schon mal ein "Betonstopp" im Raum. Die amtierende Regierung Jambon hat den aber missverstanden, weigerte sich jedenfalls, die Bürger zu "schikanieren". Langsam, aber sicher dürfte jedem aufgehen, dass an solch drastischen Maßnahmen kein Weg vorbeiführt.
Unklare Auslegung der politischen Verantwortlichkeit
Die frankophonen Blätter beschäftigen sich ihrerseits weiter mit dem PFAS-Skandal, der die Wallonische Region erschüttert. "Auch die wallonische Wassergesellschaft SWDE wird sich erklären müssen", bemerkt La Libre Belgique auf ihrer Titelseite. Die zuständige Ecolo-Umweltministerin Céline Tellier hatte im zuständigen Parlamentsausschuss nicht alle Abgeordneten überzeugen können.
Hier stellt sich einmal mehr die Frage nach der politischen Verantwortung, meint Le Soir in seinem Leitartikel. Ecolo-Co-Präsident Jean-Marc Nollet hat es sich da gestern ein bisschen einfach gemacht. Seine Argumentation, sinngemäß gerafft: Schuld sind allein die, die den Dreck hergestellt haben. Ja, da ist was dran. Nur existieren PFAS-Chemikalien nun mal, und entsprechend geht es hier durchaus auch um die Verantwortung der Umweltministerin Céline Tellier. Zugegeben: Tellier hat eingeräumt, dass in der Verwaltung und sogar in ihrem Beraterstab Fehler gemacht wurden, sie hat sogar einen etwas zu passiven Mitarbeiter vor die Türe gesetzt. Aber reicht das? Vincent Van Quickenborne ist von seinem Amt als Justizminister zurückgetreten, weil ein Magistrat, der ihm nicht mal unterstellt war, einen folgenschweren Fehler gemacht hat. Politische Verantwortung ist hierzulande nicht klar definiert, entsprechend elastisch wird sie ausgelegt.
Fremdwort "Good governance"
"Wir sehen hier doch nur wieder die Symptome einer altbekannten Krankheit", glaubt La Libre Belgique. Good governance, eine effizienzorientierte Politik, das ist in Namur immer noch ein Fremdwort. Denn schockierend in dieser Geschichte ist vor allem die offensichtliche Nonchalance, die die verschiedenen Akteure an den Tag gelegt haben. Insgesamt sind alle Beteiligten allzu sorglos mit ihren Zuständigkeiten umgegangen. Gewisse Arbeitsabläufe wirken zudem wie aus einer anderen Zeit. Und dann sind die Verantwortlichkeiten noch derartig zerschnippelt, dass zugleich alle und niemand zuständig ist. Bei jedem Skandal stellt sich denn auch die gleiche Frage: Was muss noch passieren, damit den Verantwortlichen endlich aufgeht, dass es hier immer zuallererst ums Allgemeinwohl geht?
Dubiose Prioritätensetzung
Einige Zeitungen schließlich beschäftigen sich einmal mehr mit Conner Rousseau, dem Vorsitzenden der flämischen Sozialisten Vooruit. Der hatte ja Ärger mit der Justiz, nachdem er sich in Gegenwart eines Polizeibeamten abfällig und offenbar auch rassistisch über die Roma-Gemeinschaft geäußert hatte. Die zuständige Staatsanwaltschaft Ostflandern hat Rousseau jetzt eine Art "Therapie" auferlegt: Er muss ein Jahr lang an Sensibilisierungskursen in der Gedenkstätte in der Kaserne Dossin teilnehmen.
"Schießt die Justiz hier nicht doch ein wenig über das Ziel hinaus?", fragt sich Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Eine einjährige Therapie? Und das wegen einer unglücklichen Wortwahl? Wenn das Schule macht, dann müssen bald sehr viele Politiker auf die Psychiaterpritsche. Hinzu kommt ja dann auch noch, dass Rousseau von einer Justizassistentin begleitet werden soll. Da kann man sich wirklich fragen, ob man beim Einsatz der bekanntermaßen begrenzten Mittel hier die richtigen Prioritäten gesetzt hat.
Roger Pint