"Vernichtender Bericht über den Mangel an Wettbewerb im Bankensektor", titelt L'Echo. "Banken – ein frappierender Mangel an Konkurrenz", so die Schlagzeile von Le Soir. Und De Tijd geht schon auf die Folgen ein: "Mangel an Konkurrenz unter den Großbanken sorgt für zu niedrige Sparzinsen", schreibt das Blatt auf Seite eins. Denn, darum geht es, eben um die Sparzinsen.
Seit Monaten schon macht die Politik Druck auf die Banken, damit die endlich ihre Renditen erhöhen. Weil sich die Geldhäuser bislang kaum bewegten, hatte der föderale Wirtschaftsminister Pierre-Yves Dermagne die zuständige Wettbewerbsbehörde mit einer Untersuchung beauftragt. Und die Diagnose lautet, dass die Banken sich mehr oder weniger gegenseitig in Ruhe lassen, sich nicht wirklich Konkurrenz machen.
"Wir, die gemeinen Sparer, wir wussten das schon lange", zischt Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Jetzt haben wir es aber endlich schwarz auf weiß. Demnach ist es tatsächlich so, dass die vier Großbanken alles tun, um gegenseitige Konkurrenz zu vermeiden. Pierre-Yves Dermagne bringt es wie folgt auf dem Punkt: Die Banken verhalten sich quasi wie Radprofis in einem Peloton. Und das ist eigentlich eine blumige Umschreibung für "Preisabsprachen". Denn: Das alles riecht verdächtig nach illegalen Praktiken, nur beweisen kann man das nicht. In einem gesunden Wettbewerbsklima würden die Großbanken jedenfalls versuchen, sich gegenseitig die Kunden abzujagen. Dass das nicht passiert, das ist der beste Beweis dafür, dass sie einander nicht wehtun wollen. Und die Dummen, das sind wir: die gemeinen Sparer.
Am Ende verliert der Verbraucher
In einem solchen Marktumfeld kann der Verbraucher am Ende nur der Verlierer sein, analysiert auch L'Echo. Aber das muss ja nicht zwangsläufig so bleiben. Die Wettbewerbsbehörde hat nämlich auch gleich eine Reihe von Empfehlungen mitgeliefert. Die vielleicht interessanteste Forderung ist, dass die so genannte Treueprämie verschwinden sollte. Denn die Tatsache, dass sich die Rendite aus einem Zinssatz und eben einer Treueprämie zusammensetzt, macht es für die Kunden schwierig bis unmöglich, den genauen Ertrag eines Produkts zu kennen. Transparentere Informationen wäre also schonmal ein erster Schritt.
Am Ende liegt's dann aber auch an den Kunden, mahnt De Tijd. Wenn die Banken nicht spontan den Wettbewerb untereinander suchen, dann müssen die Sparer sie eben dazu nötigen. Indem sie sie etwa dazu bringen, wieder um ihre Kunden zu kämpfen. Nicht vergessen: Die Sparer verfügen über einen mächtigen Hebel. Auf belgischen Sparkonten schlummern insgesamt rund 300 Milliarden Euro.
SNCB – Ist der Bahnstreik nachvollziehbar oder nicht?
Einige Leitartikler beschäftigen sich auch mit dem Bahnstreik, der heute in seinen zweiten Tag geht. Eine 48-stündige Protestaktion, so etwas gab es lange nicht mehr. Und das wirkt irgendwie wie aus der Zeit gefallen, meint De Standaard. Denn eigentlich ist es doch so, dass sich die Politik lange nicht mehr so intensiv mit der SNCB beschäftigt hat. Nach Jahren gibt es endlich wieder einen Geschäftsführungsvertrag. Grob zusammengefasst: Es fließen neue Milliarden in die Bahn, dafür muss das Unternehmen aber in naher Zukunft seine Fahrgastzahlen um ein Drittel steigern. Und die Gewerkschaften? Die streiken. Und das aus Gründen, die Normalsterbliche kaum nachvollziehen können. Wie soll man die SNCB fit für die Zukunft machen, wenn die Gewerkschaften das Image des Unternehmens immer wieder schwächen?
Het Laatste Nieuws bringt seinerseits Verständnis auf für die Unzufriedenheit bei der SNCB. Dieser Streik fällt nicht vom Himmel. Seit langem schon muss das Personal den Eindruck haben, dass "Verschlankungsmaßnahmen" immer nur für die unteren Ebenen gelten. Und parallel dazu bläht sich das Management immer weiter auf. Heute zählt die erweiterte Chefetage rund doppelt so viele Kadermitglieder wie noch vor sieben Jahren. Da hat inzwischen niemand mehr den Durchblick. Und wenn am Ende das Unternehmen dem "Fußvolk" nicht mehr erklären kann, warum all diese Manager und Berater nötig sind und was die so machen, dann muss man sich am Ende nicht wundern.
EU-Erweiterung – keine risikolose Strategie
"Die EU-Kommission empfiehlt Beitrittsverhandlungen", notiert derweil das GrenzEcho. Gemeint sind hier in erster Linie die Ukraine und die Republik Moldau. "Die Ukraine macht einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung eines EU-Beitritts", so die Schlagzeile von La Libre Belgique.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach von einem "historischen Tag", und das vollkommen zu Recht, findet Gazet van Antwerpen. Der russische Angriffskrieg hat Dinge möglich gemacht, die bis vor kurzem noch undenkbar waren. Die Geschwindigkeit, mit der die Ukraine zum Beitrittskandidaten wurde, ist beispiellos. Die Umstände sind das allerdings auch. Um's mal so auszudrücken: Wenn selbst ein Krieg auf europäischem Boden in der EU nichts verändert hätte, dann wäre es um den Alten Kontinent wirklich schlecht gestellt. Indem sie der Ukraine eine Beitrittsperspektive gibt, beweist die Europäische Union jedenfalls, dass sie Putin weiter die Stirn bieten will und auch keine Angst vor den mögliche Folgen hat.
Die EU ist sich offensichtlich inzwischen der geopolitischen Herausforderungen bewusst geworden, meint auch La Libre Belgique. Ihre wiederentdeckte Begeisterung für eine Erweiterung der Union ist ganz klar eine Reaktion auf die Politik Russlands und auch Chinas, die beide ihre Einflusssphären erweitern wollen. Doch ist diese Strategie nicht ohne Risiko. Nach einer neuen Erweiterungsrunde könnte die EU nämlich schlichtweg unregierbar werden. Es bedarf zunächst einer tiefgreifenden Reform und dafür muss die EU auch in den Augen ihrer Bürger überzeugender und attraktiver werden.
Roger Pint