"Der Krieg in Gaza wird lang und blutig sein", schreibt De Morgen auf Seite eins. "Und das wird ein Albtraum, auch für die israelische Armee", fügt das Blatt hinzu. "Die Hisbollah erwägt einen "totalen Krieg" gegen Israel und die USA", titelt La Libre Belgique.
Im Nahen Osten geht der Krieg mit unverminderter Härte weiter. Am Freitag hatten sich aber alle Blicke auch auf den Libanon gerichtet: Hassan Nasrallah, der Chef der Schiiten-Miliz Hisbollah, hat nämlich eine mit Spannung erwartete Rede gehalten, in der er die Strategie der Miliz darlegen wollte. Und das war erstmal keine Kriegserklärung an Israel, wie man es im Vorfeld befürchtet hatte; die Hisbollah lässt sich aber alle Optionen offen.
"Israel macht einen monumentalen Fehler!"
Der Krieg zwischen Israel und der Hamas dauert nun schon fast einen Monat. Und das war ein Monat geprägt von unerträglichen Bildern auf beiden Seiten, meint La Libre Belgique in einem nachdenklichen Leitartikel. Erst der barbarische Terrorangriff der Hamas mit seinen bestialischen Massakern an unschuldigen Bürgern. Und dann der israelische Gegenschlag, der nichts anderes ist als methodische Rache. Dabei reiht auch die israelische Armee Vorfälle aneinander, die man nur als Kriegsverbrechen bezeichnen kann; vergleichbar mit denen, die die Hamas an jenem unseligen 7. Oktober verübt hat. Wenn das so weitergeht, dann wird es in diesem Krieg keinen Sieger geben. In Washington hat man das inzwischen verstanden. Die USA versuchen, auf Israel einzuwirken, um die palästinensische Zivilbevölkerung mehr aus der Schusslinie zu halten. Denn ansonsten könnte die Lage vollkommen außer Kontrolle geraten,
"Was Israel da gerade macht, das ist ein monumentaler Fehler", meint auch Het Nieuwsblad. Der Satz stammt eigentlich von Bart De Wever; und der N-VA-Chef hat recht. Wenn dieses Zitat vielleicht auch nicht um die Welt gehen wird, so illustriert es doch, wie sehr Israel gerade dabei ist, seine Freunde zu verlieren. Einen nach dem anderen. Denn De Wever war bislang nicht als Kritiker der israelischen Regierung aufgefallen, eher im Gegenteil. Man kann jedenfalls nur feststellen, dass die Dinge immer deutlicher beim Namen genannt werden. Dass Israel auch einen erheblichen Beitrag zur Gewaltspirale in Nahost leistet, solche Sätze hörte man bis vor Kurzem eher selten. Das ist das einzig Positive an diesem Konflikt: Lang gehegte Tabus sind im Begriff zu fallen. Israel muss verstehen, dass blinde Gewalt als Reaktion auf blinde Gewalt keine Lösung ist,
"Verallgemeinerungen sind Gift"
L'Avenir warnt in diesem Zusammenhang einmal mehr vor falschen Verallgemeinerungen. Immer noch wird man sehr schnell als Antisemit abgestempelt, wenn man auch nur die Ungerechtigkeiten anprangert, die der palästinensischen Zivilbevölkerung widerfahren, wenn man die blinden Bombenangriffe auf den Gazastreifen brandmarkt, wenn man für eine humanitäre Feuerpause plädiert.
Aber nicht jede Kritik ist gleich Ausdruck von Antisemitismus. Diese Überlegung funktioniert aber auch in die andere Richtung: Nicht jeder jüdische Mitbürger unterstützt "automatisch" die israelische Regierung. Auch hier werden alle einfach in einen Topf geworfen. Insgesamt brauchen wir mehr Augenmaß; jede Pauschalisierung ist Gift.
Tod eines Fünfjährigen - Resultat eines Fehlers oder Schicksal?
Ganz andere Geschichte auf Seite eins von Het Nieuwsblad. "Nach dem Tod eines Fünfjährigen bei Sturm Ciarán ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung", schreibt das Blatt. Der ukrainische Junge war am Donnerstag auf einem Spielplatz von einem herabstürzenden Ast getötet worden. Die Justiz will jetzt untersuchen, ob das Unglück nicht hätte vermieden werden können…
"Man kann sich nicht immer hinter Paragraphen verstecken", meint De Standaard sinngemäß in seinem Leitartikel. Nach dem Brüsseler Anschlag hatte auch schon Innenministerin Annelies Verlinden gebetsmühlenartig wiederholt, dass alle Prozeduren eingehalten worden seien. Das gleiche hört man jetzt aus Gent. Aber beantwortet das wirklich die Frage, warum Kinder bei diesem Sturm draußen spielen durften? In anderen Städten hatte man - Warnstufe gelb, hin oder her - alle öffentlichen Parks und Friedhöfe vorsorglich geschlossen. Hier geht es nicht um die Schuldfrage, hier geht es um Verantwortlichkeiten. Und in Gent fiel auf, dass man vor allem betonte, dass man keinen Fehler gemacht hat, statt sich in aller Demut zu fragen, ob man nicht besser hätte handeln können.
Die Gefahr einer lähmenden Risikoaversion
Het Laatste Nieuws sieht das nuancierter. Natürlich ist die Frage erlaubt, warum Kinder an jenem stürmischen Morgen draußen spielen dürfen. Die Betreuer müssen sich wohl gedacht haben, dass sie noch schnell vor dem Sturm die Kinder sich ein bisschen austoben lassen. Und genau in dem Moment, in dem sie ihre Schützlinge wieder in das Gebäude bringen wollten, kam es zu der Tragödie. Das, muss man sagen, das ist erstmal schlicht und einfach brutales Pech.
Davon abgesehen ist man im Nachhinein immer schlauer: Wie oft kommt es vor, dass die Wetterdienste einen Sturm überschätzen? Dann werden sie gleich der Panikmache beschuldigt. Und wenn ein Sturm stärker ist als erwartet, dann werfen dieselben Leute den Meteorologen vor, dass sie nicht Warnstufe rot ausgerufen haben. Das alles nur, um zu sagen: Risiken gehören leider zum Leben. Und wer alle Risiken ausschließen will, der verschwendet Lebenszeit.
De Morgen denkt den Gedanken zu Ende: In unserer hochtechnisierten Welt glaubt der Mensch am Ende, dass er sein Schicksal vollständig selbst in der Hand hat und jedes Unheil abwenden kann. Und wenn sich doch eine Tragödie ereignet, dann wird gleich nach Schuldigen gesucht. Das kann am Ende zu einer Form von Risikoaversion, Risiko-Abneigung führen: Die Angst, das etwas schiefgehen kann, sorgt dann schlicht und einfach dafür, dass die Menschen weniger unternehmen, dass sie mehr verbieten, immer komplexere und schwerfälligere Kontrollmechanismen ausbaldowern. Das Resultat ist letztlich aber weniger Entwicklung und weniger Fortschritt.
Blockade statt Klimaschutz
Einige Zeitungen schließlich beklagen, dass es Belgien nicht gelungen ist, der EU fristgerecht einen Klimaschutz-Fahrplan vorzulegen. "Wir machen uns inzwischen auf der europäischen Bühne regelrecht lächerlich", zischt etwa Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel. Weniger als zwei Monate vor dem Beginn der belgischen EU-Ratspräsidentschaft macht sich das Land einmal mehr zum Gespött.
Vielleicht ist das aber in gewisser Weise "im Sinne des Erfinders". Denn es ist die flämische Regierung, die einen gesamtbelgischen Klimaplan nach wie vor blockiert. Mit Namen: die N-VA-Energieministerin Zuhal Demir. Die flämischen Nationalisten sehen hier wohl eine ideale Möglichkeit, um nochmal den Beweis für ihre These zu erbringen, nämlich, dass dieses Land nicht funktioniert. Es ist unbegreiflich, dass die Koalitionspartner Open VLD und CD&V dieses Spielchen mitspielen. Unterm Strich zeigt sich hier: Die N-VA findet eine simple Blockade-Politik offensichtlich wichtiger als die Folgen des Klimawandels...
Roger Pint