"Der Terrorist schickte noch kurz vor dem Brüsseler Attentat ein Video an einen Franzosen", schreiben Gazet van Antwerpen und Het Nieuwsblad auf Seite eins. Eben dieser Mann ist am Abend im westfranzösischen Nantes festgenommen worden. Das wirft wieder die Frage auf, ob es um den Brüsseler Attentäter nicht doch ein Netzwerk gab. "Womöglich hatte der Terrorist tatsächlich Verbindungen zur Terrororganisation IS", mutmaßt denn auch Het Nieuwsblad im Innenteil.
"Man braucht 20 Minuten, um eine Waffe zu finden", so derweil die doch beunruhigende Aufmachergeschichte von La Dernière Heure. Hintergrund der Story ist die Tatsache, dass der Brüsseler Attentäter ein Sturmgewehr vom Typ AR-15 benutzt hat. "Sich eine Waffe zu besorgen ist so leicht wie ein Uber-Taxi zu bestellen", zitiert die Zeitung eine anonyme Quelle.
Illegaler Waffenhandel vs. Abschiebepolitik – Was ist wichtiger?
Das Problem ist längst bekannt, beklagt De Morgen in seinem Leitartikel. Die Liste der Beispiele ist lang. Die Terrorzelle von Verviers, der Terrorist Amedy Coulibaly, der 2015 in einem Supermarkt für koschere Waren in Paris vier Juden ermordete, der vereitelte Anschlag auf den Thalys… Immer kamen die Waffen aus Belgien. Es heißt sogar, dass man sich nirgendwo so schnell bewaffnen kann wie in Brüssel. Im Fall von Abdesalem Lassoued stellt sich allerdings noch eine Frage: Für Sturmgewehre vom Typ AR-15 bezahlt man laut Experten rund 3.000 Euro. Das ist mehr als doppelt so viel wie der Preis, den die Brüsseler Terrorzelle 2016 für ihre Kalaschnikows bezahlt hat. Wie also ist ein Mann, der illegal in Belgien lebte, an so viel Geld gekommen? Das alles jedenfalls nur um zu sagen, dass man sich viel eher mit dem illegalen Waffenhandel beschäftigen sollte als mit einer möglichen Anschärfung der Abschiebepolitik.
"Die Abschiebepolitik muss effizienter werden"
Genau um diese Thematik dreht derzeit aber die politische Diskussion, wenn es um die möglichen Lektionen aus dem Brüsseler Anschlag vom Montagabend geht. "Illegale zu Hause festnehmen", so fasst Het Laatste Nieuws auf seiner Titelseite eine Forderung zusammen. Gemeint sind damit die umstrittenen "Wohnungsbetretungen", die vor einigen Jahren für eine Polemik gesorgt hatten. Demnach könnte die Polizei also Menschen, die abgeschoben werden sollen, in deren Wohnung abholen.
"Die Abschiebepolitik muss in jedem Fall effizienter werden", ist La Libre Belgique überzeugt. Premierminister Alexander De Croo und auch Asylstaatssekretärin Nicole de Moor haben recht, wenn sie darauf hinweisen, dass Ausweisungsverfügungen viel zu oft einfach ignoriert werden. Und das macht die Suche nach potenziell radikalisierten und gewaltbereiten Personen wesentlich komplizierter. Das System muss also schnellstens verbessert werden. Erstens muss man die Prozedur beschleunigen und, noch wichtiger: Man braucht dringend mehr Abkommen mit Drittstaaten, damit diese auch tatsächlich ihre Staatsbürger zurücknehmen. Hier hat auch und vor allem die EU eine Rolle zu spielen.
"Das erste Opfer des Krieges ist immer die Wahrheit"
"Der Krieg in Gaza bewegt nach wie vor weltweit die Gemüter", titelt derweil De Morgen. Ein bisschen überall auf der Welt gibt es Protestkundgebungen, bei denen insbesondere auf das Schicksal der Palästinenser aufmerksam gemacht wird. Einige Leitartikler beklagen in diesem Zusammenhang aber auch die zahllosen Falschmeldungen, die insbesondere im Internet kursieren.
"Das erste Opfer des Krieges ist immer die Wahrheit", so abgedroschen dieser Satz auch ist, er trifft leider immer noch zu, meint etwa leicht resigniert Het Laatste Nieuws. Ein frappierendes Beispiel dafür ist die Explosion auf dem Gelände eines Krankenhauses in Gaza. Der Rauch hatte sich noch nicht verzogen, da wurde der Täter schon benannt: "Israel war das", vor allem in der arabischen Welt bestand da von Anfang an kein Zweifel. Inzwischen ist das längst nicht mehr so klar, sieht es sogar eher danach aus, als habe es sich um eine palästinensische Rakete gehandelt. Was aber bei diesem Krieg noch einmal besonders auffällt, ist die Feststellung, wie sehr die Menschen das glauben, was ihnen in den Kram passt. Beispiele dafür gibt es übrigens auch bei uns. Ein Foto, das angeblich einen kleinen Jungen mit einem Gewehr bei einer pro-palästinensischen Kundgebung zeigt, ist nachweislich gefälscht. Es stammt aus einem Videoclip für ein Musikstück. Das sollte auch Zeitungen oder Fernsehsendern eine Lehre sein: Wir sind Medien, keine sozialen Medien, die allzu oft als Megafone für Propaganda dienen.
Het Belang van Limburg sieht das ähnlich. Besagtes Bild von dem Kind mit dem Gewehr wurde im Internet fleißig geteilt, unter anderem vom N-VA-Politiker Theo Francken und vom Vlaams Belang-Kollegen Filip Dewinter. Auch bei uns ist also Deeskalation geboten, auch hierzulande sollte man sich nicht in den Strudel von Propaganda und Fake News hineinziehen lassen.
Die N-VA und das Recht auf freie Meinungsäußerung
In diesen Zusammenhang passt auch der Leitartikel von Het Nieuwsblad. Die Zeitung kritisiert eine Entscheidung des flämischen Ministerpräsidenten Jan Jambon. Der N-VA-Politiker lässt zwei Vereinigungen durchleuchten wegen mutmaßlicher Sympathien für die Terrorgruppe Hamas. Schlimmstenfalls droht den Organisationen die Streichung der flämischen Subventionen. Das ist auch eine Form von "Cancel Culture", giftet Het Nieuwsblad. Das läuft nämlich darauf hinaus, dass Vereinigungen nur dann flämisches Geld bekommen, wenn sie strikt der Meinung der amtierenden Regierung folgen. Das erinnert doch verdächtig an Verhältnisse wie in Ungarn oder Russland. Über das Recht auf freie Meinungsäußerung ist in letzter Zeit viel diskutiert worden. Der N-VA-Vorsitzende Bart De Wever hat sogar ein ganzes Buch geschrieben, in dem er beklagt, dass die Woke-Bewegung den Menschen den Mund verbietet. Ja, man darf tatsächlich nichts mehr sagen! Ansonsten streicht einem die flämische Regierung nämlich die Zuschüsse.
Roger Pint