"Sieben Mal Sorry für 'blöden Unsinn'", titelt Het Laatste Nieuws. "Rousseau entschuldigt sich für 'falsche Worte eines betrunkenen Mannes'", heißt es bei De Morgen auf Seite eins. "'Ich bin selbst erschrocken über meine Worte im betrunkenen Zustand und das tut mir leid'", zitiert Gazet van Antwerpen auf ihrer Titelseite.
Der Vorsitzende der flämischen Sozialisten, Conner Rousseau, sorgt für die Topmeldung bei den flämischen Zeitungen. Auf einer Pressekonferenz gestern Abend in seiner Heimatstadt Sint-Niklaas hatte Rousseau sich für seine verbalen Entgleisungen gegen Roma entschuldigt. Er sei betrunken gewesen, als er diese Äußerungen gemacht habe. Seine Worte würden nicht das widerspiegeln, was er sei.
Het Laatste Nieuws kommentiert: Man muss Rousseau zugutehalten, dass er sich entschuldigt hat. Das hätte er zwar viel früher machen können. Aber immerhin. Wer sich entschuldigt, sollte das auch in völliger Transparenz tun. Und das war bei Rousseau nicht der Fall. Was er an dem besagten Abend genau gesagt hatte, darüber schwieg er sich aus. Und auch um das Wort "rassistisch" machte er einen Bogen. "Geschwafel eines Betrunkenen" nannte er das. Man kann den Sprecher der Roma-Gemeinschaft in Sint-Niklaas verstehen, der nach der Pressekonferenz sagte: "Wir bleiben besorgt, denn das, was jemand im betrunkenen Zustand sagt, ist meist auch das, was er wirklich denkt", zitiert Het Laatste Nieuws.
Wo ist der Unterschied?
De Morgen stellt fest: Strafrechtlich sieht es so aus, als ob die Sache gegessen sei. Die Vorwürfe gegen Rousseau wiegen zu leicht, als dass man daraus weitere rechtliche Schritte ableiten könnte. Aber aus moralischer Sicht bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Dabei geht es um Anstand. Wenn man das, was Rousseau jetzt gesagt hat, durchgehen lässt, wird der weitere politische Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit sehr schwer. Denn wo soll der Unterschied sein, wenn jemand von "völkischer Übernahme" spricht oder davon, "Roma mit Schlagstöcken in die Schranken zu weisen", wie es Rousseau gesagt haben soll, fragt De Morgen.
Het Nieuwsblad beobachtet: Rousseau ließ gestern vieles im Ungewissen. Die genauen Worte, die er damals gesagt haben soll, kamen ihm nicht über die Lippen. Er entschuldigte sich zwar, aber sagte auch, dass das Gespräch mit den Polizisten über die Roma deshalb geführt worden war, weil Bewohner von Sint-Niklaas Angst haben. Sie trauten sich manchmal nicht mehr nach draußen, weil dort Roma für Unsicherheit sorgten. Als Rousseau das sagte, hörte er sich an, wie ein gewählter Volksvertreter des Vlaams Belang, poltert Het Nieuwsblad.
Was ist Gewalt?
Le Soir glaubt: Für seine Anhänger wird der Vorfall jetzt erledigt sein. Es ist wahrscheinlich, dass Rousseau auch hinsichtlich der Wahlen keinen Schaden davonträgt. Vielmehr könnte er gestärkt aus der ganzen Sache hervorgehen. Niemand stellt infrage, dass er gegen Rassismus ist, und viele werden ihn weiter für seine Fähigkeit bewundern, Sachen klar anzusprechen und die Probleme der normalen Menschen aufzugreifen. Das macht ihn als Verteidiger der kleinen Leute populär. Damit schöpft er auch Stimmen von Rechtsextremen ab, analysiert Le Soir.
Zur gestrigen Demonstration gegen ein neues Demonstrationsgesetz schreibt La Dernière Heure: Das neue Gesetz soll Krawallmacher bestrafen. Wenn sie bei einer Demonstration Gewalt ausüben, sollen sie drei Jahre lang nicht mehr demonstrieren dürfen. Der Streit entzündet sich daran, was genau als Gewalt angesehen wird. Eine Scheibe einschlagen, ein Auto anzünden oder Polizisten angreifen – das ist eindeutig Gewalt. Paletten anzünden, ein Graffiti sprühen oder Luft aus einem Autoreifen lassen – darüber lässt sich diskutieren. Klar sollte auch sein: Um Straftaten zu verurteilen, bräuchte man das neue Gesetz nicht. Dafür gibt es schon das Strafgesetzbuch, erinnert La Dernière Heure.
Wo ist die EU?
L'Echo beschäftigt sich mit den Erweiterungsplänen der EU: Das kann nur klappen, notiert die Zeitung, wenn erstens die Funktionsweise der EU reformiert wird. Entscheidungen müssen mehrheitlich getroffen werden können, von der Einstimmigkeit muss man sich verabschieden. Zweitens sollte die EU auch nicht alle Länder, die gerne beitreten würden, um jeden Preis aufnehmen. Wenn Beitrittskandidaten die Regeln der Union nicht befolgen wollen oder können, dann müssen sie eben draußen bleiben, betont L'Echo.
De Standaard schaut auf den Konflikt in Berg-Karabach und findet: Die EU bekleckert sich dort gerade nicht mit Ruhm. In Berg-Karabach droht eine ethnische Säuberung an der armenischen Bevölkerung und die Reaktion der EU ist gleich null. Nur das Parlament hat gestern mit einer Resolution auf diesen Missstand aufmerksam gemacht. Und klar: Die EU steht da vor einem Problem. Der Aggressor Aserbaidschan ist ein Partner bei der Gasversorgung seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Aber jetzt mit einem weiteren Aggressor zu paktieren, ist problematisch. Hilfe bräuchten jetzt die Armenier. Die EU sitzt in der Zwickmühle, bedauert De Standaard.
Kay Wagner