"Conner Rousseau wird Donnerstag vernommen über angebliche rassistische Äußerungen", titelt Gazet van Antwerpen. "Rousseau hat nach Alkohol-Zwischenfall mit Korpschef telefoniert", meldet Het Nieuwsblad. "Telefongespräch mit Korpschef soll Rousseau entlasten nach Alkohol-Vorfall", so Het Belang van Limburg.
Noch diese Woche soll der Vooruit-Vorsitzende Conner Rousseau vernommen werden zum nächtlichen Zwischenfall in Sint-Niklaas Anfang September, bei dem er rassistische Äußerungen gemacht haben soll, rekapituliert Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Nach diesem Verhör will er offen über die Vorwürfe sprechen. Das wird auch höchste Zeit, denn er hat das Ganze gehörig verpfuscht. Um es mal nett auszudrücken: Das juristische Vorgehen Rousseaus gegen die Veröffentlichung von Medienberichten war dumm, so wie es seine Kommunikation nach wie vor ist. Es musste Rousseau doch klar sein, dass der Inhalt des Protokolls an die Öffentlichkeit gelangen würde. Indem er versucht, das zu verhindern, verstärkt er nur den Eindruck, dass er etwas zu verbergen hat. Der Kult um seine Person führt offenbar auch dazu, dass er nicht mehr parteiintern kritisiert werden darf und dass ihm keine guten Ratschläge mehr gegeben werden können. Falls sich Rousseau Ende der Woche tatsächlich öffentlich entschuldigen muss, dann werden seine Vooruit-Anhänger, die jetzt über eine "Hexenjagd" und "Stasi-Methoden" wettern, ziemlich dumm dastehen mit ihren Verschwörungstheorien, warnt Het Nieuwsblad.
Selbst eingebrockt
Bei den flämischen Sozialisten wird man inständig hoffen, dass diese Geschichte die letzte sein wird, die Wirbel um die Person Conner Rousseau und sein Privatleben verursacht, kommentiert Gazet van Antwerpen. Drei Mal sind nach Vorwürfen bereits Ermittlungen gegen ihn aufgenommen worden in den letzten Monaten, drei Mal sind sie eingestellt worden, aber Fragezeichen sind geblieben. Jetzt heißt es einmal mehr Warten auf die nächste Runde Schadensbegrenzung. Und es ist ironisch, dass letzten Endes vielleicht nicht die Berichte über grenzüberschreitendes Verhalten die größte Rolle spielen werden, sondern Äußerungen nach übermäßigem Alkoholkonsum. Das hat Rousseau sich selbst eingebrockt, die Medien kann er dafür nicht verantwortlich machen, unterstreicht Gazet van Antwerpen.
Das Schweigen der Vooruit-Spitze
Das gerichtliche Vorgehen von Rousseau ist nicht nur schmerzhaft für jeden Demokraten, es verstößt außerdem gegen das in der Verfassung verankerte Verbot gegen präventive Zensur, schreibt Het Laatste Nieuws. Aber die Einmischung geht offenbar noch weiter: Personen in hohen Positionen sollen Rousseau versichert haben, dass das Protokoll, dass die Polizeibeamten wegen der Äußerungen gegen ihn erstellt haben, keine Folgen haben wird. Derweil bleibt es bei der Parteispitze von Vooruit mucksmäuschenstill. Was wäre eigentlich, wenn es der N-VA-Vorsitzende Bart De Wever gewesen wäre, der Polizisten rassistisch beleidigt und dafür ein Protokoll kassiert hätte? Wie hätten die Sozialisten darauf reagiert? Wohl verständlicherweise sehr scharf, sollte man annehmen. Was man einem politischen Gegner ankreiden würde, darf man auch dem eigenen Führer nicht durchgehen lassen, egal wie populär und talentiert der auch sein mag. Wer das tut, ist ein blinder Anhänger und nicht jemand, der für seine politischen Ideale kämpft, giftet Het Laatste Nieuws.
Artikel 25 der belgischen Verfassung ist eindeutig, hält La Libre Belgique fest: "Die Presse ist frei; die Zensur darf nie eingeführt werden". Die Presse ist nicht an das Untersuchungsgeheimnis laufender Ermittlungen gebunden, die Freiheit der Presse hat immer höchste Priorität. Auch wenn es dem Vooruit-Präsidenten nicht passt und bei allem notwendigen Respekt vor seinem Privatleben: Die Aufgabe der Medien ist nicht, zu verhindern, dass ein persönliches Problem zu einem politischen Problem wird für den Mann, der sich ja gerne als potenzieller Premierminister profiliert. Sein Vorgehen gereicht ihm nicht zur Ehre, urteilt La Libre Belgique.
Europa hat keine Wahl
De Morgen blickt nach Kiew: Hier haben sich zum ersten Mal die 27 Außenminister der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union außerhalb des Gebiets der Union getroffen. Ein sehr symbolträchtiger Akt, mit dem die Europäische Union zeigen will, dass sie noch immer hinter dem ukrainischen Volk steht. Das ist auch nötig, denn die Einigkeit des westlichen Bündnisses scheint zu bröckeln, verschiedene Länder gehen auf Abstand, radikal rechte, Putin-freundliche Parteien legen zu. Eine logische Erklärung dafür ist Kriegsmüdigkeit, denn Putin hält verbissen an seinem Angriffskrieg fest. Aber dennoch haben die europäischen Länder keine Wahl, sie müssen die Ukraine weiter unterstützen, um die Invasoren zurückzudrängen. Das liegt auch in ihrem eigenen Interesse, denn ein Russland, dass gewinnt oder einen vorteilhaften Frieden schließen kann, wird weiter eine Bedrohung darstellen. Deswegen ist es auch wichtig, dass die Führer der europäischen Länder ihren Bevölkerungen klarmachen, dass hier Freiheit und Wohlstand auf dem Spiel stehen. Genauso wichtig ist aber, dass sie deutlich sagen, dass sich Europa auf einen langen, schleppenden und furchtbaren Krieg einstellen muss, so De Morgen.
In Washington und den meisten europäischen Hauptstädten hat man begriffen, dass die Erzeugung von Kriegsmüdigkeit im Westen zu einem zentralen Element der russischen Strategie geworden ist, hebt De Standaard hervor. Die ukrainischen Soldaten haben noch viele Kilometer offenes Gelände vor sich, das die Russen mit Minenfeldern, Schützengräben, Panzerhindernissen und Bunkern übersät haben. Hier durchzukommen, ohne zu viele Truppen und Panzer zu verlieren, erfordert Zeit und Geduld. Zeit und Geduld sind nun die wertvollsten Elemente an der Front. Wer mit ihnen dumm umgeht, wird den Krieg verlieren, prophezeit De Standaard.
Boris Schmidt