"Rekordanzahl ausländischer Mediziner in Belgien – Ärzte sollen Sprache der Patienten sprechen", titelt das GrenzEcho auf Seite eins. "Westflandern geht in Mexiko und Indien auf die Suche nach Arbeitskräften", so der Aufmacher bei De Standaard. "Arbeitsmarkt: Immer öfter bedient Sie ein Kellner auf Englisch", liest man bei Het Belang van Limburg.
Gestrichene Züge durch zu wenige Zugbegleiter, leere Krankenhausbetten, weil es nicht genug Pflegepersonal gibt, angepasste Stundenpläne in den Schulen durch den Lehrermangel, ein schleppender Kampf gegen die Drogenmafia, weil sich keine Polizeianwärter finden, zählt De Standaard auf. Und das sind nur die sichtbarsten Zeichen für den Arbeitskräftemangel – es gibt ja auch noch Fabriken, die deswegen eine Schicht weniger fahren oder Bauunternehmen, die keine neuen Aufträge mehr annehmen. Natürlich ist die Erhöhung des Beschäftigungsgrads eine sehr wichtige politische Priorität, aber das wird nicht reichen. Schon gar nicht angesichts der Tatsache, dass sich die Lage durch die Vergreisung nur noch weiter verschlimmern wird. Die Wahl ist also glasklar: Entweder wir holen Arbeitskräfte aus dem Ausland oder unser Wohlstand wird leiden. Allerdings dürfen wir die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen: Integration, Begleitung, Unterbringung und Ausbildung werden essenziell sein, mahnt De Standaard.
Der wirkliche Zustand des Arbeitsmarkts
Westflämische Unternehmer, die in Indien und Mexiko versuchen, ihre offenen Stellen zu besetzen – deutlicher lässt sich der Arbeitskräftemangel wohl nicht illustrieren, schreibt Het Nieuwsblad. Das legt auch gnadenlos offen, wie es um den Arbeitsmarkt hierzulande wirklich bestellt ist. Die Firmenbosse glauben weder daran, dass die große Zahl an flämischen Langzeitarbeitslosen reaktiviert werden kann, noch dass sie auf der anderen Seite der Sprachgrenze fündig werden. Im Süden des Landes wird lieber an der Politik festgehalten, die die Region schon seit Jahrzehnten nicht vorangebracht hat. Und es geht ja keinesfalls nur um hochqualifizierte Spezialisten, die händeringend gesucht werden – es mangelt an Arbeitskräften auf allen Ebenen. So lange Firmen auf die andere Seite der Erde reisen müssen, um Arbeitnehmer zu finden, kann sich die Politik auch ihre ganzen Versprechen über die Erhöhung des Beschäftigungsgrades sparen, wettert Het Nieuwsblad.
De Morgen sieht viele Parallelen zwischen dem Lehrer- und dem Ärztemangel: In beiden Berufen schlägt die Vergreisung gnadenlos zu. Aber bei den Ärzten ist es besonders dramatisch, denn die alternde Bevölkerung braucht ja immer mehr medizinische Versorgung. Jüngere Ärzte und insbesondere Ärztinnen haben heute dann auch ganz andere Ansprüche an die Work-Life-Balance, deswegen treten sie beruflich kürzer. Das Frustrierende an der Situation ist, dass diese Entwicklungen abzusehen waren und die Politik mal wieder nicht genug dagegen getan hat. Selbst wenn zum Beispiel die Quoten für Medizinstudenten jetzt nach und nach wieder gelockert werden, wird es Jahre dauern, bis sich das auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar machen wird. Sowohl der Lehrer- als auch der Ärzteberuf haben außerdem stark an Ansehen eingebüßt. Die Folge ist, dass weniger junge Menschen diese Laufbahnen einschlagen wollen. Eine Aufwertung wäre also bitter nötig, um sie wieder attraktiver zu machen, fordert De Morgen.
Für die Verkehrswende ist Sicherheit entscheidend
Mit einem ganz anderen Thema befasst sich La Dernière Heure: Unaufhörlich werden die Bürger dazu aufgefordert, ihre Autos stehen zu lassen und auf öffentliche Verkehrsmittel wie die Bahn umzusteigen. Damit diese Verkehrswende gelingen kann, müssen die Menschen aber überzeugt und begeistert werden, sie müssen Lust bekommen, den Zug zu nehmen. Wenn man sich den Zustand unserer Bahnhöfe anschaut, dann ist aber das genaue Gegenteil der Fall. Der Brüsseler Südbahnhof ist ja kein Einzelfall, in Lüttich, Namur und Charleroi gibt es die gleichen Probleme. Es reicht nicht, die Tickets bezahlbarer zu machen und das Angebot auszuweiten – Sicherheit ist eine entscheidende Vorbedingung für den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel, appelliert La Dernière Heure.
Wie lange wird der Westen noch einen Platz am Tisch haben?
Le Soir greift den BRICS-Gipfel auf, der diese Woche in Johannesburg in Südafrika stattfindet: Für Moskau und Peking und ihren anti-westlichen Kreuzzug ist der Gipfel eine goldene Gelegenheit, die sie sich nicht entgehen lassen können. Sie werden ihren Einfluss maximal zur Geltung bringen – auch im Schlechten. Angesichts dieser Bemühungen werden wir als Westen ein ums andere Mal betonen müssen, dass die großen internationalen Institutionen und die große Nachkriegsordnung keine "westlichen" Konstrukte sind. Wir werden darauf beharren müssen, dass Menschenrechte nicht verhandelbar sind und dass das internationale Recht keine künstliche westliche Vorstellung ist. Denn wir werden diese Staaten brauchen, die wir viel zu lange nur als "aufstrebende" Staaten betrachtet haben. Abwarten und auf alte Freundschaften vertrauen wird nicht mehr reichen, die Welt ist multilateral geworden. Noch sichern uns unsere wirtschaftliche und militärische Macht einen Platz am Tisch, aber wie lange wird das so bleiben?, fragt Le Soir.
Mehr als 40 Staaten haben mittlerweile Interesse daran, der BRICS-Gemeinschaft beizutreten, hält De Tijd fest. Diese Annäherung ist auch nur logisch, denn die großen internationalen Institutionen repräsentieren die Machtverhältnisse auf der Erde immer schlechter. Der Gipfel zeigt auch, dass sich der Kampf um die wirtschaftliche Weltordnung nicht nur zwischen den Vereinigten Staaten und China abspielt, sondern zwischen einer viel größeren Gruppe von Ländern. Der Westen inklusive Japan, Australien und Neuseeland bleibt zwar aus militärischer Sicht übermächtig, verliert aber immer mehr an wirtschaftlicher Schlagkraft. Gleichzeitig zeichnen sich die BRICS-Staaten und ihre neuen Freunde durch die Bank dadurch aus, dass sie das westliche Demokratieverständnis, persönliche Freiheiten und Institutionen ablehnen, die zu einer Zersplitterung der Macht führen – sie setzen lieber auf starke Führer. Auch politisch-intellektuell betrachtet verliert der Westen weltweit immer mehr an Boden. Westliche Werte, deren Verteidigung sich lohnt, werden immer stärker verteidigt werden müssen, meint De Tijd.
Boris Schmidt