"Doel 4 und Tihange 3 laufen zehn Jahre lang weiter", titelt L'Avenir. "Es braucht noch mehr als diesen Energie-Deal, um das Licht weiter brennen zu lassen", so die Schlagzeile bei De Tijd. "Engie ist der große Gewinner, Belgien hält Schaden in Grenzen", wertet La Libre Belgique auf Seite eins.
Die Einigung zwischen der Föderalregierung und dem französischen Energiekonzern Engie über die Laufzeitverlängerung von zwei Kernreaktoren bis 2035 ist auch das zentrale Thema für die Leitartikler.
Le Soir hält fest: Das Gute an dem Deal ist, dass er existiert. Aber er hat auch große Schwachstellen. Die drei wichtigsten: Erstens: Die Verlängerung der zwei Kernreaktoren ist nicht die große Langzeitstrategie, die Belgien für seine Energiesicherung braucht. Zweitens: Die neue Struktur, die Partnerschaft zwischen Staat und Engie, um die beiden Reaktoren gemeinsam zu verwalten, muss sich noch beweisen. Ist das tatsächlich eine Win-Win-Situation oder wird sie eher Quelle von Streitigkeiten sein? Drittens: Engie weiß jetzt, wie viel das Unternehmen für die Beseitigung der nuklearen Abfälle zahlen muss: nämlich 15 Milliarden Euro. Ob das reicht, weiß keiner. Für den Staat könnte das noch eine böse Überraschung bedeuten, warnt Le Soir.
Ein risikobehafteter Deal
Het Nieuwsblad findet ebenfalls: Es ist gut, dass es diesen Deal mit Engie jetzt gibt. Aber der reicht bei weitem nicht aus, um die Energiesicherheit bis 2035 zu gewährleisten. Der Netzbetreiber Elia schätzt, dass wir gegen 2029 noch 2,9 Gigawatt zusätzlich an Elektrizität nötig haben. Dafür bräuchten wir einen dritten Kernreaktor am Netz. Die Nachfrage an Elektrizität steigt halt enorm. Deshalb muss jetzt sofort an allen anderen Energiefronten weitergearbeitet werden. Batterien, Nachfragesteuerung, Windenergie, Sonnenpaneele, Wärmedämmung und so weiter. Dieser Deal mit Engie darf nicht das Ende, sondern muss der Anfang von weiteren Bemühungen sein, fordert Het Nieuwsblad.
15 Milliarden Euro! Reicht das?, beschäftigt sich L'Echo näher mit dem Betrag, den Engie für die Beseitigung des Nuklearabfalls bezahlen muss. Das ist ein enormes Risiko, mit dem der Staat die Schultern künftiger Generationen belastet. Denn noch weiß man gar nicht, wie viel die Beseitigung des Atomabfalls insgesamt kosten wird. Das wird ein komplexer Prozess werden, der leicht länger als ein Jahrhundert dauern könnte, gibt L'Echo zu Bedenken.
Alles bleibt unsicher
De Morgen stellt fest: Die Einigung macht deutlich: Nach 2035 ist Engie raus aus der Atomenergie, wie wir sie bislang in Belgien hatten. Nichts anderes bedeutet die Summe von 15 Milliarden Euro, die Engie für die Atommüllbeseitigung zahlen wird. Im Umkehrschluss heißt das: Andere Formen der Energiegewinnung müssen gefunden werden. Möglicherweise auch andere Formen der Kernenergie, aber eben nicht mehr diese riesigen Anlagen, die es heute gibt. Das lange Ringen um den Ausstieg aus der Kernenergie hat gezeigt: Wir müssen jetzt anfangen, nach neuen Wegen zu suchen, wie wir künftig die Energiesicherheit unter Berücksichtigung von Unabhängigkeit und Klimafreundlichkeit leisten können, mahnt De Morgen.
La Dernière Heure kommentiert zur Affäre um Außenministerin Hadja Lahbib: Gestern in der Kammer gab es noch einmal Wirbel. Mitglieder der Delegation aus dem Iran, die dank Lahbib in Brüssel sein konnten, sollen Demonstranten gefilmt haben. Deren Mutter in Teheran soll dann Besuch von iranischen Sicherheitskräften bekommen haben. Kurz stellte das die vorher angekündigte Rückendeckung für Lahbib nochmal in Frage. Doch letztlich bleibt sie im Amt. Zu verstehen ist das allerdings nicht. PS und Ecolo brennen darauf, der MR eins auszuwischen. Lahbib sollte ihrer Meinung nach zurücktreten. Trotzdem stimmen sie für ihre Rettung. Was bedeutet: Alles bleibt unsicher. Lahbib könnte weiter bleiben, aber auch zurücktreten... Wer weiß das schon? Mit dieser Regierung scheint alles möglich, ätzt La Dernière Heure.
Sommerkurse für lernschwache Schüler
Mit Blick auf die Regierung meint auch Het Belang van Limburg: Mit einer angezählten Lahbib, mit einer halbherzigen Energiepolitik, einer führungslosen Open VLD und in Erinnerung an die physische Auseinandersetzung zwischen den Ministern Vandenbroucke und Van Quickenborne schleppt diese Regierung sich ächzend und stöhnend Richtung Sommerpause. In den nächsten Tagen will sie allerdings noch ihre Pläne für die große Steuerreform vorstellen. Man darf zweifeln, ob das wirklich ein großer Wurf werden wird, betont Het Belang van Limburg.
Gazet van Antwerpen schreibt anlässlich der heute beginnenden Schulferien in der Flämischen Gemeinschaft: Es ist erfreulich zu sehen, dass immer mehr Schulen während der Ferien Sommerkurse anbieten. Das bringt viele Vorteile. Lernschwache Kinder können dadurch Stoff auffrischen. Außerdem bleiben sie im Lernrhythmus. Der geht vielen anderen Kindern währen der zweimonatigen Ferien verloren. Es wäre zu überlegen, die Sommerferien zu verkürzen, um das zu vermeiden, schlägt Gazet van Antwerpen vor.
Kay Wagner