"Ein schwarzer Tag für Remco", so die große Überschrift bei Gazet van Antwerpen. Für L'Avenir war es gestern beim Giro d'Italia ein "verwünschter Tag". "Remco stürzt zwei Mal während einer Fahrt", fasst Het Laatste Nieuws zusammen. "Ein Höllentag für Remco – zwei Stürze in einer Etappe, aber er kann den Giro fortsetzen", hält La Dernière Heure fest.
Während man auf den Titelseiten also oft das Pech von Remco Evenepoel sieht, beschäftigen sich die Leitartikel mit ganz anderen Themen, etwa mit Bpost: "Das ist keine Leiche im Keller, sondern ein ganzer Friedhof", beginnt Gazet van Antwerpen seinen Kommentar mit einem Zitat eines Anteilseigners bei der gestrigen Bpost-Generalversammlung.
Wir können wirklich nur hoffen, dass das eine Übertreibung ist, stöhnt die Zeitung, und dass uns nicht eine monatliche Reihe neuer Enthüllungen bevorsteht. Festzuhalten ist aber, dass jedes bisher aufgetauchte Problem weitere Steine ins Rollen gebracht hat. Das schadet nicht nur Bpost, sondern der Politik an sich. Klar ist auch: Die Probleme sitzen viel tiefer als nur bei Bpost, kritisiert Gazet van Antwerpen.
Bpost: ein doppelter Betrug?
Optimismus ist halt ihre moralische Pflicht, greift De Morgen die Versicherung der Bpost-Verwaltungsratspräsidentin Audrey Hanard bei der Generalversammlung auf, dass Bpost gestärkt aus der Krise hervorgehen werde. Aber diese Worte können nicht verhüllen, wie schlecht es um die Post tatsächlich steht: kein Geschäftsführer, banges Warten auf die externen Untersuchungen über mögliches Fehlverhalten im Zusammenhang mit staatlichen Aufträgen, ein Börsenkurs, der mehr einer täglichen Folter gleicht, eine Verwaltungsratspräsidentin, die vor der Kammer Rede und Antwort stehen muss – Hanard kann wirklich nur hoffen, dass die Abgeordneten der Mehrheit es ihr, sich selbst und der Regierung nicht zu schwer machen werden, um eine schwere politische Krise abzuwenden.
Das größte Problem liegt aber ganz woanders: Jahrelang ist der Schein aufrechterhalten worden, dass Bpost ein erfolgreich modernisierter Staatsbetrieb war, eine Erfolgsgeschichte, in der es gelungen war, soziale Verantwortung mit Wirtschaftlichkeit zu vereinbaren. Inzwischen wissen wir aber, dass das zumindest zum Teil nur wegen der künstlich aufgeblasenen Rechnungen für staatliche Aufträge so war. Das riecht nach einem gleich doppelten Betrug – an den Steuerzahlern und an den Anteilseignern, wettert De Morgen.
(Kommunale) Wahlmüdigkeit im Norden
De Standaard kommentiert eine neue Umfrage, die die Zeitung gemeinsam mit dem flämischen öffentlichen Rundfunk VRT in Auftrag gegeben hatte. Demnach will mindestens jeder dritte flämische Wähler nicht zu den nächsten Gemeinderatswahlen gehen – denn bei den Kommunalwahlen 2024 fällt diese Wahlpflicht in Flandern erstmals weg. Würde die Wahlpflicht für die anderen anstehenden Wahlen ebenfalls wegfallen, also für die Föderal-, Regional und Europawahlen, dann würden ihnen wohl auch viele Flamen fernbleiben, meint die Zeitung.
Kein erfreuliches Ergebnis, die Wähler sind aus verschiedenen Gründen unzufrieden mit beziehungsweise sogar böse auf die Politik. In den Augen vieler Menschen schaffen es Politiker und Parteien nicht, über den eigenen Schatten zu springen und zu einer tatsächlich wirksamen Politik zu finden. Die Umfrage zeigt auch, dass immer mehr Menschen glauben, dass Politiker stets mehr mit sich selbst und ihren eigenen Interessen beschäftigt sind.
Die gute Nachricht ist allerdings, dass eine deutliche Mehrheit der Befragten die Demokratie an sich weiterhin nicht ablehnt, auch wenn der Wunsch nach einem starken Mann oder selbst einem Eingreifen der Armee etwas an Boden gewonnen hat. Die Flamen wollen die Demokratie also nicht abschaffen, sie wollen, dass sie besser funktioniert, hält De Standaard fest.
Für Het Nieuwsblad sind die Ergebnisse der Umfrage schlicht besorgniserregend. Noch schlimmer ist allerdings, wie die Politik mit ihnen umgehen wird. Es wird wieder heißen, dass die Zahlen auch nicht schlechter sind als in den Nachbarländern oder dass sie ein falsches Bild der Wirklichkeit vermitteln. Dabei sollten die Zahlen alle Alarmglocken schrillen lassen, den Politikern sollte endlich klar werden, dass es schlecht läuft, dass die Kontroversen um die Pensionsboni, um Bpost und den Umgang der Politik damit alles noch schlimmer gemacht haben. Diese Umfrage müsste doch Schockwellen in den Reihen der Parlamentarier auslösen. Aber wetten wir, dass das nicht so sein wird?, verzweifelt Het Nieuwsblad.
Ein guter Botschafter für Flandern
Le Soir blickt derweil auf den neuen sogenannten "Kanon über Flandern": Wir haben also nun ein Buch und eine Webseite bekommen mit 60 thematischen Fenstern, die eine Übersicht über ausgewählte Persönlichkeiten, Orte, Ereignisse und Konzepte geben, die die Jury als typisch flämisch erachtet hat.
Aber nicht nur das, der Kanon hat uns auch mit mehreren Lehren beglückt. Erstens: Man sollte mit einem Urteil immer warten, bis man sieht, was herausgekommen ist. Zweitens: Solche Vorhaben müssen immer eng begleitet und öffentlich debattiert werden, um eine Vereinnahmung durch Parteien oder Ideologien zu verhindern. Drittens: Es lebe die Demokratie, die die freie Meinungsäußerung und Diskussionen erlaubt und die öffentliche Entstehung dieses Kanons möglich gemacht hat. Und schließlich viertens: Auch wenn der neue flämische Kanon sicher nicht perfekt ist und man das eine oder andere kritisieren kann, ist er interessant und attraktiv geworden und kann ein guter Botschafter werden, um den Süden dazu zu animieren, mehr über den Norden des Landes zu lernen, lobt sinngemäß Le Soir.
Boris Schmidt