"Von Bpost bezahlte Kabinettsmitarbeiterin war doch beteiligt an einem umstrittenen Vertrag", titelt Het Nieuwsblad. "Bpost schließt weitere problematische Verträge nicht aus", bemerkt Le Soir auf Seite eins. "Ministerin Petra De Sutter gerät wegen der Bpost-Skandale mehr und mehr unter Druck – das Ganze wird zur Staatsaffäre", schreibt La Libre Belgique.
Kein Tag mehr ohne neue Enthüllungen über dubiose Praktiken bei Bpost. Vorgestern noch hatte die zuständige Föderalministerin Petra De Sutter jeglichen Interessenkonflikt ausgeschlossen. Dies, nachdem bekannt geworden war, dass zwei ihrer Kabinettsmitarbeiter bis vor Kurzem noch auf der Gehaltsliste von Bpost standen. Jetzt stellt sich heraus, dass eine von ihnen an den Verhandlungen über den Vertrag um die Zeitungszustellung beteiligt war. Hierbei soll es Preisabsprachen gegeben haben.
Die markigen Aussagen von damals klingen nun ziemlich hohl
Ministerin Petra De Sutter wollte eigentlich aufräumen, steht nun aber selbst am Pranger, konstatiert das GrenzEcho in seinem Leitartikel. Jetzt stellt sich jedenfalls heraus, dass nicht nur das unter Beschuss geratene Post-Unternehmen der Öffentlichkeit klare Antworten schuldet, sondern auch die Beziehungen zwischen der Post und dem belgischen Staat ganz genau beleuchtet werden müssen. Wobei man sich die Frage stellen kann, ob es wirklich Zufall ist, dass Petra De Sutter gerade jetzt unter Druck gerät, so kurz nach dem Rücktritt der Ecolo-Staatssekretärin Sarah Schlitz. Dabei ruft im vorliegenden Fall nicht das Vorgehen einer einzelnen Amtsträgerin oder einer Partei grundlegende Probleme hervor, sondern das ganze System.
Auch Het Nieuwsblad sieht die grünen Parteien in der Krise. Die Enthüllungen rund um die von Bpost bezahlten Kabinettsmitarbeiter sind Gift für die Grünen, die sich doch eigentlich die politische Erneuerung auf die Fahne geschrieben hatten. "Keine zwielichtigen Hinterzimmer-Deals mehr, stattdessen Transparenz und Sauberkeit", so lautete sinngemäß die Parole. Solch markige Aussagen klingen heute doch ziemlich hohl.
"Ein unverschämt flagranter Fall von Diskriminierung"
Het Laatste Nieuws bringt heute Neuigkeiten zum Pensionsskandal in der Kammer. "Ein Ex-Parlamentarier fordert 80.000 Euro, weil er seinen Pensionsbonus als zu niedrig empfindet", so der Titel der Aufmachergeschichte. Besagtes ehemaliges Kammermitglied hat demnach das Parlament verklagt, weil er oder sie nicht den vollständigen Pensionsbonus von 20 Prozent bekommt. Die Klage ist offensichtlich schon fünf Jahre alt.
"Ein unverschämt flagranter Fall von Diskriminierung!", zischt Het Laatste Nieuws sarkastisch in seinem Kommentar. Der arme Kläger muss mit 4.000 Euro netto pro Monat auskommen, während seine Kollegen 4.650 Euro erhalten. Selten wohl gab es größeres Unrecht. Das schreit nach einer Benefiz-Aktion. Aber, mal ernsthaft: Diese neuen Enthüllungen sind im Grunde nur noch mal der beste Beweis, dass der umstrittene Pensionsbonus im Parlament offensichtlich bestens bekannt war. Mehr noch: Anscheinend gab es sogar eine Vereinigung von pensionierten Parlamentariern, die für den Erhalt des Systems aktiv Lobbyarbeit betrieben hat. Das alles für ein paar hundert Euro mehr. Das ist schamlos, habgierig und scheinheilig.
Hilfe für die Ukraine: "Bitte nicht zu teuer!"
Einige Zeitungen beschäftigen sich auch mit dem gestrigen Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in den Niederlanden. Der hatte insbesondere für die Schaffung eines internationalen Sondertribunals plädiert, um die russischen Verantwortlichen für den Angriffskrieg gegen sein Land und die dabei verübten Kriegsverbrechen bestrafen zu können, bis hin zum russischen Präsidenten Wladimir Putin. Später war auch der belgische Premier Alexander De Croo hinzugestoßen, der, wie auch sein niederländischer Amtskollege Mark Rutte, der Ukraine neue Militärhilfe in Aussicht stellte.
"Das war ein gelungener PR-Coup von De Croo, das muss man ihm lassen", findet De Standaard in seinem Leitartikel. De Croo hat auf diese Weise nämlich den Eindruck vermittelt, dass Belgien einen wirklich substanziellen Beitrag zur Unterstützung der Ukraine leistet. Dabei stimmt eigentlich eher das Gegenteil. Belgien bewegt sich da im unteren Mittelfeld. Dafür gibt es freilich Gründe: Erstens haben die Streitkräfte kein überschüssiges Material mehr, das sie der Ukraine überlassen könnten. Und zweitens sind die Staatskassen leer. Das belgische Engagement kann man denn auch mit einem Satz zusammenfassen: "Wir unterstützen Selenskyj, aber es darf bitte nicht zu viel kosten".
Bestrafung für Wladimir P.!
De Morgen unterstützt seinerseits die Forderung Selenskyjs nach einem internationalen Tribunal. Es gibt da ja durchaus schon leuchtende Vorbilder: Die Sondertribunale für Jugoslawien oder Ruanda haben es in der Vergangenheit durchaus geschafft, selbst hohe Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen. Man denke nur an Leute an Slobodan Milosevic oder Ratko Mladic. Und auch ein internationales Mandat für ein Ukraine-Tribunal ist absolut denkbar und auch möglich. Denn hier geht es um Gerechtigkeit. Der russische Kriminelle Wladimir P. muss irgendwann in Scheveningen eine Zellentür hinter sich ins Schloss fallen hören.
"Wir müssen es genauso machen wie 1945", diese Parole hört man in diesen Tagen häufiger, kann auch Le Soir nur feststellen. Gemeint sind die Nürnberger Prozesse gegen die führenden Repräsentanten des Nazi-Regimes. Bei seinem Besuch in den Niederlanden hat Wolodymyr Selenskyj jedenfalls nichts, rein gar nichts dem Zufall überlassen. Sehr bewusst wählte er den 4. Mai. An diesem Tag erinnern sich die Niederlande an die Befreiung von der Nazi-Herrschaft und gedenken der Opfer des Zweiten Weltkriegs. Wir sollten im Übrigen auch wieder dem 8. Mai den Platz einräumen, der ihm gebührt. Denn der Zweite Weltkrieg bleibt ein Schlüsselmoment. "Ist die Demokratie wirklich immer stärker als der Totalitarismus?" Genau diesem Test werden die Europäer gerade wieder unterzogen.
Roger Pint