"PTB-PS: Der Krieg der Linken", titelt Le Soir. "Das wird dann doch nochmal ein amüsanter Erster Mai", sagt die föderale Ministerin für Entwicklungszusammenarbeit Caroline Gennez auf Seite eins von De Morgen.
Am kommenden Montag ist der Erste Mai, also der Tag der Arbeit. Vor allem für die Links-Parteien ist das sozusagen der wichtigste Feiertag des Jahres. Und in diesem Jahr dürfte das Klima besonders aufgeheizt sein: 2024 ist ja das Superwahljahr.
"Auf zum letzten Gefecht!", meint augenzwinkernd La Dernière Heure, mit diesem Zitat aus der Internationalen. Der Erste Mai, der ist für die politischen Parteien gleichbedeutend mit einer Generalmobilmachung. Niemand will sich diesen Tag von der Konkurrenz wegnehmen lassen.
Und ein Jahr vor den Wahlen kann man sich auf die ganze Bandbreite einstellen: markige Ankündigungen, lyrische Höhenflüge, knallharte Frontalangriffe. Man muss sich also gefasst machen auf Slogans wie "Besteuert die Reichen", wobei irgendwann mal einer definieren müsste, ab wann man eigentlich reich ist.
Es gibt nämlich doch kleine, aber feine semantische Unterschiede, je nachdem, ob die Parolen jetzt von der linken oder von der rechten Seite kommen. Die einen verteidigen die Arbeiter, die anderen heben die Arbeit aufs Podest. Das sind zwei sehr verschiedene Blickwinkel. Einzige Gemeinsamkeit zwischen den beiden Lagern ist wohl der Brauch, sich zum Ersten Mai Maiglöckchen zu schenken.
Der Erste Mai: nicht nur eine Currywurst-Kirmes
Der Tag der Arbeit war jahrzehntelang allein das Hochamt der roten Parteien, notiert auch Het Belang van Limburg. Inzwischen nehmen alle Parteien den Tag zum Anlass, um das Thema Beschäftigung auf die politische Agenda zu setzen. Grillwürstchen, Fanfaren, Umzüge und eine Menge Bierchen werden da in die Schlacht geworfen.
Der Tag der Arbeit ist irgendwie zu einer Currywurst-Kirmes verkommen. Dabei mangelt es nicht an Themen. Zum Beispiel brauchen wir Lösungen für die 60.000 Langzeitarbeitslosen, ganz zu schweigen von den Hunderttausenden Langzeitkranken; parallel dazu gibt es Zehntausende freie Stellen; junge Familien leiden unter einer gestörten Work-Life-Balance. Statt einfacher Slogans brauchen wir also eine globale Herangehensweise. Das Wichtigste an diesem Ersten Mai 2023 ist es aber, die Arbeit und ihren Wert zu würdigen.
Das größte Problem auf dem heutigen Arbeitsmarkt, das ist aber die Kluft zwischen der Arbeitswelt und der Ausbildung, ist Het Nieuwsblad überzeugt. Auf der einen Seite sehen wir einen dramatischen Fachkräftemangel: freie Stellen für gut geschulte, technische Profile können partout nicht besetzt werden. Auf der anderen Seite entscheiden sich aber noch immer viel zu wenige junge Menschen für eine technische Ausbildung. Leider kommt die duale Ausbildung in Flandern einfach nicht in die Pötte.
Bei diesem Ersten Mai steht auch die Jugend im Fokus
Insbesondere die roten Parteien sollten aber nicht vergessen, dass der Erste Mai in diesem Jahr auch noch für etwas anderes steht, empfiehlt Le Soir. PS und PTB werden am Montag wohl aus allen Rohren aufeinander feuern. Und bis zur Wahl im Juni kommenden Jahres wird sich daran wohl auch nichts mehr ändern.
Im frankophonen Landesteil geht es inzwischen nämlich um nicht mehr und nicht weniger als die Vorherrschaft im linken Lager. Der kommende Montag ist aber auch der Stichtag für 280.000 Jugendliche. Junge Menschen ab 16 können sich von da an nämlich in die Wählerlisten eintragen, um an den nächsten Europawahlen teilzunehmen. Für diesen Urnengang wurde ja das Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt.
Diese jungen Neuwähler darf man nicht enttäuschen. "Präsentiert ihnen Vorschläge, Lösungen, Denkanstöße, die jungen Menschen eine wirkliche Perspektive geben", appelliert Le Soir an die Politik. "Lasst sie wissen, was ihr machen wollt, damit die jungen Menschen trotz des Klimawandels noch eine lebenswerte Zukunft haben". Diese jungen Menschen wollen keine parteipolitischen Standpunkte hören, sondern Visionen, die das Leben verändern können.
Bpost – Regenschirme im Anschlag
De Standaard beschäftigt sich in seinem Leitartikel mit den neuesten Affären bei Bpost. Das Staatsunternehmen musste gestern offiziell einräumen, dass es in mindestens drei Akten zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist. Ganz grob gesagt steht der Verdacht im Raum, dass die Post den Staat um Millionenbeträge betrogen hat.
"Und schon gehen die ersten Regenschirme auf", meint das Blatt sarkastisch. Wie nicht anders zu erwarten, will niemand die Schuld tragen. Die zuständige Ministerin Petra De Sutter betonte sogleich im Parlament, dass diese Sache nicht nur einen Minister und darüber hinaus auch nicht nur eine Legislaturperiode betrifft. Das ist freilich nicht ganz falsch. Einige der "Hochrisiko-Verträge" gehen zurück auf die 1970er Jahre. Und zuständig waren nicht nur die Minister für Staatsbetriebe, sondern auch die für Mobilität, Justiz oder Finanzen.
Da haben wohl eine ganze Menge Leute schon den Regenschirm im Anschlag. Wir sehen hier mal wieder eine klassische Verteidigungsstrategie: Man muss die politische Verantwortung nur auf möglichst viele Schultern verteilen.
Wenn die Vierte Gewalt stört
La Libre Belgique schließlich beschäftigt sich mit der Rolle der Presse in der heutigen Demokratie. In den letzten Monaten ist eine Reihe von peinlichen Skandale ans Licht gekommen: ungesetzliche Pensions-Extras für Abgeordnete, unverschämte Abschiedsprämien, ungerechtfertigte Ausgaben.
Einige Politiker werfen in diesem Zusammenhang der Presse vor, mit ihren Enthüllungen letztlich an den Grundfesten der Demokratie zu rütteln. Das Gegenteil ist richtig. Die Presse betreibt hier nicht eine Form von Antipolitik, sondern arbeitet letztlich an der Verbesserung des Systems. Transparenz, so lautet das Zauberwort.
Roger Pint