"Nach 43 Tagen ist das Ende noch nicht in Sicht", titelt Het Laatste Nieuws. "Die Sozialschlichtung bei Delhaize gerät zum Fiasko, die Streiks gehen weiter", schreibt Le Soir auf Seite eins. "Und jetzt befürchtet man noch härtere Protestaktionen bei Delhaize", so die Schlagzeile bei Het Nieuwsblad und La Libre Belgique.
Bei der Supermarktkette Delhaize haben sich gestern einige Hoffnungen zerschlagen. Das erste Treffen zwischen Direktion und Gewerkschaften unter Leitung eines Sozialschlichters dauerte zwar länger als erwartet. Das war aber letztlich doch kein gutes Zeichen. Im Gegenteil: Nach zehn Stunden konnten beide Seiten nur feststellen, dass es nach wie vor keine gemeinsame Gesprächsgrundlage gibt.
"Das wäre also geklärt", meint leicht verbittert La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Konkret: Die Direktion wird nicht einlenken. Und die Gewerkschaften auch nicht. Sechs Wochen nach Beginn des Sozialkonflikts sind die Fronten verhärteter denn je. Im Grunde steht die Auseinandersetzung bei Delhaize aber nur stellvertretend für die Herausforderungen des Einzelhandels insgesamt. Wie wird die Zukunft aussehen? Ist es wirklich sinnvoll, in dem Sektor zwischen fünf verschiedenen paritätischen Kommissionen zu unterscheiden? Fünf verschiedene Personalstatute also, für im Wesentlichen die gleiche Arbeit. Andere Frage: Entspricht das alles überhaupt noch den heutigen Konsumgewohnheiten? Der Konflikt bei Delhaize ist wohl nur die Spitze des Eisbergs und könnte in absehbarer Zeit den gesamten Einzelhandel in seinen Grundfesten erschüttern. Vielleicht gilt die Akte Delhaize in einigen Jahren als so eine Art Schulbeispiel. Hoffentlich als Schulbeispiel für eine intelligente Anpassung an aktuelle Marktentwicklungen und nicht für ein krachendes Scheitern.
"CD&V profiliert sich auf dem Rücken der Abtreibungsfrist"
"Die Regierung auf der Suche nach einer Schnittmenge bei der Reform der Abtreibungsgesetzgebung", titelt derweil La Libre Belgique. "Es herrscht Uneinigkeit über längere Abtreibungsfrist", präzisiert das GrenzEcho. "Verlängerung der Frist von 12 auf 18 Wochen: Die Debatte ist zurück", kann L'Avenir nur feststellen. Alle Koalitionspartner sind mit einer Verlängerung der Abtreibungsfrist auf 18 Wochen einverstanden bis auf die flämischen Christdemokraten CD&V.
Selten wohl war der Versuch einer politischen Profilierung durchsichtiger, giftet Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Erstmal hat sich die CD&V offensichtlich selbst in den Fuß geschossen. Auf ihr Betreiben hin wurde ein Expertengremium eingesetzt, das sich über die Abtreibungsfrist beugen sollte. Und was passiert? Die Fachleute widerlegen alle Argumente, die die CD&V bislang ins Feld geführt hat. Laut dem Gutachten spricht nichts gegen eine Verlängerung auf 18 Wochen, wäre das sogar empfehlenswert. Und was macht die CD&V? Sie zaubert dann doch wieder Scheinargumente aus dem Hut, die ihren Standpunkt untermauern sollen: nicht mehr als 14 Wochen. Und damit will die Partei offensichtlich nur die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, in der Hoffnung, dass der zweifelnde Wähler das bemerkt. Das droht uns jetzt wahrscheinlich bis zu den Wahlen bei jeder wichtigen Akte.
Die Fachleute haben die Argumente der CD&V regelrecht abgeschossen, konstatiert auch sinngemäß Gazet van Antwerpen. Die CD&V sagt: Nach der 14. Schwangerschaftswoche müssen andere, wesentlich invasivere Methoden angewandt werden. Stimmt nicht! Die CD&V sagt: Nach der 14. Schwangerschaftswoche kann ein Fötus Schmerz empfinden. Dafür gibt es ebenfalls keinen Beweis. Auf die CD&V wartet eine schwierige Debatte.
Abtreibungsdebatte ist kein Teppichhandel
Het Laatste Nieuws fühlt sich seinerseits an einen Basar erinnert. Die CD&V täuscht zunächst ein Einlenken vor, indem sie sich mit einer Verlängerung der Frist von 12 auf 14 Wochen einverstanden erklärt. Mehr ist für die Partei nicht verhandelbar. Darüber hinaus knüpft die CD&V das Ganze dann noch an eine ganze Reihe von strikten Bedingungen, die das Ganze unfassbar kompliziert machen. Die flämischen Christdemokraten wollten nach eigenen Worten nicht, dass die Diskussion über die Abtreibungsgesetzgebung am Ende wie ein Teppichhandel aussieht, aber genau das passiert hier gerade.
De Morgen benutzt exakt dasselbe Wort. Auf der einen Seite die CD&V, die quasi par ordre du mufti dekretiert, dass die Frist auf 14 Wochen verlängert wird und keinen Tag mehr. Und das sei unverhandelbar. Auf der anderen Seite die Grünen und die Sozialisten, die sofort aus allen Rohren auf die Christdemokraten feuern und dabei ausblenden, dass die Wissenschaft in solchen Fragen nicht das einzige Maß der Dinge ist. Und dann noch die OpenVLD, die die Abtreibungsdebatte mit der über eine neue Ausweitung der Sterbehilfe verknüpfen will. Die Diskussion über ein heikles ethisches Thema droht also in genau das auszuarten, was sie niemals sein darf: eben einen Teppichhandel.
"Die EU tut das, was die Staaten versäumen"
Einige Leitartikler beschäftigen sich schließlich mit der gestrigen Entscheidung des EU-Parlaments zur Verschärfung des Emissionshandels. Ganz grob zusammengefasst soll die Nutzung fossiler Brennstoffe teurer werden. Eine CO2-Steuer ist der Preis für den europäischen Green Deal, analysiert Het Belang van Limburg. Das ist natürlich keine angenehme Botschaft. Einige Parteien wollen der EU da gleich wieder den Schwarzen Peter zuschustern, nach dem Motto: Die EU tut nichts anderes als die Bürger zu schikanieren. Das Gegenteil ist wahr: Die EU tut vielmehr das, was nationale Regierungen viel zu oft versäumen, mit Namen: Sie trifft die unpopulären, aber nötigen Entscheidungen, sie legt die Latte hoch. Ja, das hat seinen Preis, aber die ganze Wahrheit ist, dass Untätigkeit uns unterm Strich noch mehr kosten würde.
Roger Pint