"Mindestens 49 ehemalige Kammerabgeordnete haben ebenfalls einen Pensionsbonus erhalten", titelt Het Laatste Nieuws. Die Zeitung veröffentlicht die Story exklusiv. Demnach ist es so, dass seit 2014 alle Kammerabgeordneten die gesetzlich vorgeschriebene Pensionsgrenze um bis zu 20 Prozent überschreiten durften. Das entspricht einem Pensionsbonus von monatlich fast 1.600 Euro. Offen sei noch, wie viele Parlamentarier von der Regelung Gebrauch gemacht haben. Aus einer internen Note gehe außerdem hervor, dass mindestens 49 Abgeordnete noch mehr als diese 120 Prozent ausbezahlt bekommen haben. Für die gesetzliche Pensionsobergrenze seien aber überhaupt keine Ausnahmen vorgesehen, sagt eine Expertin in Het Laatste Nieuws.
Für Schlagzeilen sorgt heute aber auch die Abtreibungsdebatte, die in diesen Tagen wieder Fahrt aufnimmt. Das Parlament diskutiert derzeit über eine mögliche Verlängerung der Frist, bis zu welchem Zeitpunkt ein Schwangerschaftsabbruch zu erfolgen hat. Die CD&V hat hier ihre Position geändert: Die flämischen Christdemokraten sind nun doch mit einer Verlängerung dieser Frist einverstanden. Allerdings nur von zwölf auf 14 Wochen. "Die Kehrtwende der CD&V reicht den Partnern nicht", notiert aber De Morgen auf Seite eins. Die meisten Vivaldi-Parteien plädieren für eine Verlängerung der Frist, nicht auf 14, sondern auf 18 Wochen. Das Fazit jedenfalls von De Standaard: "Die Abtreibungsdebatte bricht los nach einer Kehrtwende der CD&V".
Ein hausgemachter Notfall
"Jeder fünfte Hausarzt hat schon einen Patientenstopp verhängt", so derweil die Aufmachergeschichte von Het Nieuwsblad. Jeder zweite Hausarzt akzeptiert neue Patienten nur noch unter strikten Auflagen.
"Hilfe! Der Hausarzt ertrinkt", warnt Het Nieuwsblad bildlich in seinem Leitartikel. Das Phänomen betrifft zwar erst mal nur die großen Städte. Aber: Wenn es in den Ballungsräumen regnet, dann tröpfelt es auf Dauer auch im Rest des Landes. Die auf den ersten Blick einfachste Lösung wäre eine Lockerung des Numerus Clausus, um schlichtweg mehr Studenten zum Medizin-Studium zuzulassen. Leider würde eine solche Maßnahme aber erst in zehn Jahren wirklich Wirkung zeigen. Wir sehen hier wohl vor allem eine Folge der Vergreisung der Bevölkerung. Zugleich muss man feststellen, dass viele Ärzte immer noch viel zu viel Zeit auf Verwaltungsarbeit verwenden müssen. Die zuständigen Regierungen haben das Problem in den letzten Jahren einreißen lassen, weil man das System nicht schnell genug der heutigen Zeit mit ihren neuen Herausforderungen angepasst hat.
Vor 2029 wird sich an dem Problem wohl nichts ändern, meint pessimistisch Le Soir. Denn erst 2029 sollen neue Quoten für Allgemeinmediziner festgelegt werden. Dass man so lange am bisherigen Numerus Clausus festgehalten hat, hatte vor allem mit Sparzwängen zu tun. Die demografischen Veränderungen lagen dabei nicht in der Waagschale. Und das rächt sich jetzt. Der Bericht des Föderalen Gesundheitsministeriums über die Situation der Hausärzte klingt jedenfalls nach einem Notfall.
Delhaize: Jetzt kommt der Sozialschlichter
"Der Sozialkonflikt bei den Supermärkten breitet sich weiter aus", titelt derweil Het Belang van Limburg. "Die Sektor-Verhandlungen im Einzelhandel stehen unter Hochspannung", kann auch L'Avenir nur feststellen. Vor dem Hintergrund des Sozialkonflikts bei der Supermarktkette Delhaize fordern die Gewerkschaften jetzt eine Neuordnung für die gesamte Branche. Konkret verlangen sie de facto eine Art "Einheitsstatut", was dazu führen würde, dass die Bezüge und Arbeitsbedingungen in der ganzen Branche harmonisiert würden.
Es wird höchste Zeit, dass sich bei Delhaize die Fronten aufweichen, mahnt De Tijd in ihrem Leitartikel. Die Erwartungen sind jedenfalls hoch vor dem Hintergrund, dass heute zum ersten Mal der Sozialschlichter die Arena betritt. Bislang haben nämlich Gewerkschaften und Direktionen noch nicht einmal vernünftig und besonnen über den Sozialkonflikt gesprochen. Im Gegenteil: Das Ganze hat sich immer weiter hochgeschaukelt und gipfelte darin, dass die Gewerkschaften sogar mehrere Gerichtsklagen eingereicht haben. Für die Arbeitnehmerverbände geht es hier längst nicht mehr nur um Delhaize, sondern um die Zukunft des gesamten Einzelhandels. Die Sozialpartner müssen dringend miteinander reden. Wenn dem Sozialschlichter das heute gelingt, wäre das schon ein erster wichtiger Erfolg.
Wut und Empörung im Westen
De Standaard beschäftigt sich mit dem Schicksal des russischen Kreml-Kritikers Wladimir Kara-Mursa. Der ist gestern wegen seiner Kritik am Ukraine-Krieg zu 25 Jahren Lagerhaft verurteilt worden. Im Grunde ist das ein Todesurteil auf Raten. Das Gleiche muss ja auch schon Alexej Nawalny erdulden. Die Reaktion im Westen auf die Behandlung der beiden Aktivisten ist allgemeine Wut und Empörung. Das allerdings ist eigentlich zu einfach. Parallel dazu nimmt nämlich vor allem in Europa die Kriegsmüdigkeit zu. Unser größtes Problem ist offensichtlich im Moment, dass das ukrainische Getreide unsere Marktpreise untergräbt. Und so mancher kann sich auch mit dem Gedanken anfreunden, mit Putin in der einen oder anderen Form zu verhandeln. Gegenüber dem Heldenmut der Kreml-Kritiker, die ebenso aus dem Ausland ihre Rolle als Oppositioneller hätten spielen können, steht das in schrillem Kontrast. Bleibt nur zu hoffen, dass wir unsere Prinzipien und unsere Solidarität so lange hochhalten, bis der Krieg in der Ukraine ein gutes Ende genommen hat.
Roger Pint