"Die Ukraine wird härter denn je zuschlagen", titelt Het Laatste Nieuws. Das sind die Worte des ukrainischen Verteidigungsministers Oleksij Resnikow. Zum ersten Jahrestag des russischen Angriffs zeigt sich die Ukraine mehr denn je entschlossen, die russischen Angreifer zu vertreiben und die Grenzen von 1991 wiederherzustellen.
"In der Ukraine zerstören die Russen gezielt die ukrainische Kultur; wie soll da Frieden möglich sein?", fragt sich ihrerseits La Libre Belgique auf Seite eins.
Einige Zeitungen bringen heute ein Interview mit der föderalen Außenministerin Hadja Lahbib: "Ob der Dritte Weltkrieg schon begonnen hat? Möglich! Wir wissen es nicht.", zitiert De Morgen die MR-Politikerin. Auf der Titelseite von L'Avenir gibt Lahbib quasi ihre Losung aus. "Gegenüber Russland Härte zeigen, Dialog mit dem Iran", so die Schlagzeile. Mit dem Regime in Teheran muss man insbesondere über die Freilassung des belgischen Entwicklungshelfers Olivier Vandecasteele verhandeln.
Schockierend: 32 Länder haben keine Meinung zum Krieg
Viele Leitartikler beschäftigen sich auch heute ebenfalls noch mit dem Krieg in der Ukraine. Die UN-Vollversammlung hatte am Donnerstag mit großer Mehrheit eine Resolution verabschiedet, in der Russland zum sofortigen Rückzug seiner Truppen aus dem Nachbarland aufgefordert wird.
"Von einer wirklich "globalen Koalition" kann hier aber keine Rede sein", glaubt Le Soir. Klar, das Abstimmungsergebnis wirkt auf den ersten Blick überzeugend: 141 der 193 UN-Mitgliedsstaaten haben für die Resolution gestimmt, nur sieben dagegen. Problematisch sind aber die 32 Enthaltungen. Darunter sind nämlich allen voran große Länder wie China oder Indien - daneben auch auffallend viele afrikanische Staaten. Auch Jahrzehnte nach dem Ende der Kolonialzeit hat es der sogenannte Westen also nicht geschafft, die Länder aus den Sphären, die man früher die dritte Welt nannte, hinter sich zu scharen. Konkret: Sie von ihren heute aufrichtigen und nicht mehr imperialistischen Absichten zu überzeugen. Wer das Glas halbleer sehen will, der mag einen isolierten Westen erkennen.
"Rund ein Viertel der UN-Mitgliedsstaaten hat also keine Meinung zu einem offensichtlichen Verstoß gegen das Völkerrecht", stellt La Libre Belgique verbittert fest. Keine Meinung zu einem brutalen Angriff eines mächtigen Staates auf ein souveränes Nachbarland, keine Meinung zu dem Martyrium, das die Zivilbevölkerung erleiden muss. Es ist eine Kohorte der Feiglinge, die nicht nur aus lupenreinen Diktaturen wie China oder dem Iran besteht, sondern auch aus zwei großen Demokratien, nämlich Indien und Südafrika. Nicht zu vergessen: zahlreiche afrikanische Staaten. Es ist schon schockierend, dass die Opfer der einstigen Kolonialregime so wenig Mitgefühl zeigen, wenn in einem anderen Teil der Welt die nationale Unabhängigkeit eines Landes attackiert wird.
"Friedensstifter" (mit Eigeninteresse)
Einige Blätter beschäftigen sich auch mit der chinesischen Friedensinitiative, die offiziell jetzt den Namen "Positionspapier" trägt. "Peking sendet im Moment doch diffuse Signale aus", meint sinngemäß L'Avenir. Auf der einen Seite wird in dem Dokument nicht klar benannt, wer in diesem Krieg der Aggressor und wer das Opfer ist. Auf der anderen Seite ist aber auch vom Respekt der Souveränität und der territorialen Integrität aller Länder die Rede. Auf der einen Seite will man Frieden stiften, auf der anderen Seite enthält man sich aber bei der Abstimmung in der UN-Vollversammlung. Das alles darf aber nicht wirklich verwundern. Geopolitisch ist das Reich der Mitte ein Gegner des Westens. Und das macht China fast schon zum natürlichen Verbündeten Russlands. Und, mal ehrlich, dem Regime in Peking geht der Frieden in der Ukraine am Allerwertesten vorbei. Chinas einziges Interesse liegt darin, dass die Situation nicht so weit eskaliert, dass die chinesische Wirtschaft darunter leidet.
"Dass sich China jetzt verstärkt mit dem Ukraine-Krieg zu beschäftigen scheint, das ist doch besorgniserregend", findet Gazet van Antwerpen. Erst recht, wenn man sich den Inhalt des Positionspapiers anschaut. Russland wird nicht als Aggressor benannt und der Westen wird aufgefordert seine Sanktionen gegen Russland aufzuheben. Neutralität sähe wohl anders aus. Mehr noch: Es mehren sich die Anzeichen dafür, dass China ernsthaft darüber nachdenkt, Russland mit militärischem Material zu unterstützen. Dann bekäme der Ukraine-Krieg noch einmal eine ganz neue Dimension. Und wie würde der Westen reagieren? Auch mit Sanktionen? Nicht vergessen: Wir sind in sehr vielen Bereichen von China ebenso abhängig, wie das beim russischen Gas oder Öl der Fall war. Der Westen hat dennoch keine wirkliche Option: Putin gegenüber darf nicht der Hauch eines Zugeständnisses gemacht werden.
Die Welt ist rauer geworden
"Ein Jahr nach Beginn des Ukraine-Krieges bleibt eigentlich nur eine traurige Feststellung: Die Welt ist härter geworden", analysiert nachdenklich De Standaard. Der Welthandel hat Sand im Getriebe. Das ist wenig beruhigend und hier entsteht der unschöne Eindruck, dass die Ära, die 1989 mit dem Fall der Berliner Mauer begann, jetzt zu Ende geht. Das Ende des Kalten Krieges war der Startschuss für die Globalisierung. Das Blockdenken wich einer Welt, in der die Beziehungen zwischen den Ländern und Großmächten durch internationalen Handel bestimmt wurden. Heute wissen wir: Es war eine Illusion zu glauben, dass freier Handel spontan zu einer freien Welt führen würde. Handelskonflikte machen das Ganze allerdings auch nicht besser.
Ganz andere Geschichte schließlich noch auf Seite eins von L'Echo und De Tijd: "Doel 4 und Tihange 3 können auch verlängert werden, ohne stillgelegt werden zu müssen", schreiben beide Wirtschaftsblätter. Das wäre dann also Plan B: Belgien sucht ja noch nach Stromkapazitäten für die Winter 2025 und 2026. Um die Versorgungssicherheit doch zu gewährleisten, wurde bislang darüber nachgedacht, die Laufzeiten der drei ältesten Reaktorblöcke noch einmal zu verlängern. Würden Doel 4 und Tihange 3 weiterlaufen, dann wäre das nicht nötig.
Roger Pint