"Kiew unterstützen um jeden Preis", titelt Le Soir. "Ein Kuss für ihn, Sanktionen für Russland", heißt es bei Het Nieuwsblad auf Seite eins zu einem Foto, auf dem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dem ukrainischen Präsidenten Selenskyi einen Begrüßungskuss auf die Wange haucht.
Der gestrige Besuch von von der Leyen in der Ukraine wird allerdings nur von wenigen Zeitungen auf der Titelseite berücksichtigt. Und auch in den Leitartikeln spielt er keine Rolle.
Het Laatste Nieuws kommentiert die Ankündigung von PS-Chef Paul Magnette, nach den Wahlen 2024 Premierminister werden zu wollen: Paul Magnette als Premier?, fragt die Zeitung. Als Belgier, der etwas Besseres aus unserem Land machen möchte, muss man bei dieser Nachricht ein Stoßgebet zum Himmel schicken. Der PS-Vorsitzende will Verantwortung übernehmen, sagt er. Wenn es sein muss, werde er die Ärmel hochkrempeln als Premier von Belgien.
Das hört sich nach größtem Unheil an. Denn wenn Magnette bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, dann sollte er das jetzt machen. Seit drei Jahren sitzt seine PS mit in der Föderalregierung. Aber zu keinem Zeitpunkt hat man erkannt, dass sie dort Verantwortung übernimmt, erinnert Het Laatste Nieuws.
Große Arroganz
Ähnlich scharf urteilt Gazet van Antwerpen: Die Ankündigung von Magnette, Kandidat für den Posten des Premierministers zu sein, ist ein Zeichen von großer Arroganz. Denn es gibt genug Dinge, um die sich die Regierung dringend kümmern müsste: der schlechteste Haushalt von Europa, die Wallonie am Rande des Bankrotts, Krieg in der Ukraine, die hohen Energiepreise und Stillstand bei den unbezahlbaren Renten. Anderthalb Jahre vor den Wahlen sollten sich Politiker um die Sorgen der Bürger kümmern. Wer der künftige Premier sein wird, gehört nicht zu diesen Sorgen, schimpft Gazet van Antwerpen.
Weniger aufgeregt stellt Het Nieuwsblad fest: Magnette schenkt klaren Wein ein. Er ist Kandidat für den Posten des Premiers. Ein deutlicheres Zeichen kann es nicht geben, dass die Parteien sich bereits im Wahlkampfmodus befinden. Überraschend ist das nicht. Aber ein schlechtes Zeichen für die Mannschaft von Premierminister De Croo. Große Reformen werden immer unwahrscheinlicher, bedauert Het Nieuwsblad.
Alibiveranstaltung droht
Le Soir beschäftigt sich in seinem Leitartikel mit der Reform der Parteienfinanzierung und beobachtet: Wieder einmal ist eine Abstimmung in der Kammer über eine Reform verschoben worden. PS und MR wollen wieder einmal etwas von Experten prüfen lassen. Das alles scheint ein endloses Spiel zu werden. Nur gut, dass sich dagegen Widerstand regt, und zwar von Seiten der Bürger. Es ist nur zu begrüßen, dass jetzt ein Gremium von 60 Bürgern gegründet werden soll, die sich zwischen März und Mai mit der Frage der Parteienfinanzierung beschäftigen werden. Das wird sehr wahrscheinlich zu ordentlichen Ergebnissen führen. Und zeigt auch der Politik, dass die Bürger ein wachsames Auge auf die Verwendung der Steuergelder haben. Nicht gegen, sondern zum Wohle der Politik, betont Le Soir.
Ganz anders sieht das De Morgen und begründet: Was soll denn bei diesem Bürgerforum schon herauskommen? Das Ergebnis ist doch jetzt schon klar. Erstens: Die Parteien müssen weniger Geld bekommen. Zweitens: Das Geld darf nicht in den Kassen der Parteivorsitzenden verschwinden. Drittens: Man darf mit dem Geld nicht machen, was man will. Spenden an Facebook zum Beispiel sind verboten. Weil das alles klar ist, droht das Bürgerforum reine Zeitverschwendung zu werden, eine Alibiveranstaltung, ärgert sich De Morgen.
Hände als Mutmacher
La Dernière Heure notiert zur Aufhebung der Immunität des belgischen Europaabgeordneten Marc Tarabella: Endlich! Seit Beginn der Korruptions-Affäre im Europaparlament wurde der Name des sozialistischen Abgeordneten immer genannt. Bislang hat Tarabella auch immer seine Unschuld beteuert. Jetzt kann endlich die Justiz ihre Arbeit aufnehmen und Tarabella befragen. Das Ergebnis wird zeigen, ob er wirklich eine weiße Weste hat oder im Gegenteil doch mit den dunklen Mächten zu tun hatte, wie hier und da behauptet wird, zeigt sich La Dernière Heure gespannt.
La Libre Belgique berichtet vom Papstbesuch im Kongo: Gestern hat der Papst sich in Kinshasa die Geschichten angehört von jungen Menschen aus dem Ostkongo. Sie haben dem Papst die Grausamkeiten geschildert, von denen sie Zeugen geworden sind. Der Papst hat diese jungen Menschen gebeten, ihre Hände zu betrachten. Diese Hände, sagt er, seien einmalig, so wie sie, die jungen Menschen aus dem Ostkongo, einmalig seien.
Diese Worte des Papstes sind revolutionär. Sie haben die Würde des Einzelnen hervorgehoben angesichts all der Grausamkeit, der Korruption und der Gleichgültigkeit, mit der diese jungen Menschen in ihrem Alltag zurechtkommen müssen. Außerdem hat Papst Franziskus die Welt dazu aufgerufen, den Hilfeschrei aus dem Ostkongo zu hören und ernst zu nehmen, schließt La Libre Belgique.
Kay Wagner