"Belgischen Betrieben geht es viel schlechter als gedacht", titelt Het Nieuwsblad. "Die Gewinnmargen der Unternehmen sind am Schmelzen", so die Überschrift bei L'Echo. "Nur die größten belgischen Unternehmen sehen ihre Gewinnmargen steigen", präzisiert De Tijd in ihrem Aufmacher.
Die größten Firmen sacken einen großen Teil des Gesamtgewinns ein, das geht aus einer neuen Studie der Nationalbank über die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen hervor, schreibt De Standaard in seinem Leitartikel. Damit ist bestätigt, was viele bereits vermutet hatten. Die Nationalbank spricht hier von den "Superstar-Betrieben". Bei den anderen Betrieben sind die Gewinnmargen hingegen mehr oder weniger konstant geblieben. Das bestätigt auch das Bild von Großkonzernen, die durch ihre Marktmacht in der Lage sind, Mehrkosten durchzureichen.
Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber werden in der neuen Studie Elemente finden, die ihre jeweiligen Standpunkte in der Kaufkraftdebatte stützen, denn es gibt eben Unternehmen, denen es finanziell prima geht und Unternehmen, bei denen das immer weniger der Fall ist. Wir kommen nicht um die Feststellung herum, dass das belgische zentralisierte System zur Lohnbildung unter den heutigen Bedingungen nicht optimal funktioniert. Geändert wird es wahrscheinlich trotzdem nicht. Denn diese Büchse der Pandora kann nicht geöffnet werden, allen Betroffenen mangelt es nämlich am dafür notwendigen gegenseitigen Verständnis, glaubt De Standaard.
Die finanzielle Gesundheit der Firmen steht auf dem Spiel
Das Wirtschaftsbüro Graydon hat gewarnt, dass drei von zehn kleinen und mittleren Unternehmen finanziell am Ende sind, obwohl sie vor einem Jahr noch gesund waren, erinnert die Wirtschaftszeitung L'Echo. Sie haben schon die Indexanpassungen der Löhne 2022 kaum überlebt und für 2023 stehen weitere Indexanpassungen in Höhe von fünf bis sechs Prozent ins Haus. Hinzu kommt die große Unsicherheit in puncto Energierechnungen. Deswegen befürchten nicht nur die Arbeitgeber, sondern auch der Gouverneur der Nationalbank und der Premierminister, dass Belgien in puncto Wettbewerbsfähigkeit abgehängt werden könnte. Die Geschichte lehrt uns, dass eine Entgleisung der Löhne schwierig zu korrigieren ist. Jedenfalls viel schwieriger als eine Entgleisung des Haushalts. Dieses Problem sollte also lieber zeitig angegangen werden, fordert L'Echo.
Mit ihrer Studie korrigiert die Nationalbank ein falsches Bild, das sie selbst durch eine allgemeine Zahl für Gewinnmargen mitgeschaffen hat, schreibt De Tijd. Nämlich das Bild, dass die Unternehmen nicht oder nur wenig unter der teureren Energie, der Inflation und den Lohnkosten leiden. Mit diesem Märchen ist es jetzt vorbei und deswegen hat es auch keinen Platz mehr in der Debatte um die Indexanpassung der Löhne. Statt allgemeiner Diskussionen muss viel genauer geschaut werden, um welche Betriebe es geht: große, kleine, arbeitsintensive, weniger arbeitsintensive, international oder nur national aktive, Nischenprodukte oder Massenprodukte - die Herausforderungen sind eben nicht die gleichen für alle Firmen. Die politisch Verantwortlichen haben Recht, wenn sie die Kaufkraft der Haushalte im Auge behalten wollen. Aber sie dürfen dieses Problem nicht auf Kosten der finanziellen Gesundheit der Unternehmen lösen wollen. Sie müssen ein Gleichgewicht finden, mahnt De Tijd.
Die belgische Flüchtlingspolitik am Pranger
Le Soir blickt in seinem Kommentar auf die Tatsache, dass der belgische Staat von Gerichten wieder und wieder wegen Verstößen bei der Aufnahme von Flüchtlingen verurteilt wird. Das scheint die Vivaldi-Regierung aber nicht zu kümmern, nichts ändert sich. Die belgische Liga für Menschenrechte spricht schon von einer "Orbánisierung" des belgischen Staats, weil der Rechtsstaat systematisch verletzt werde. Verletzungen, die umso einfacher zu begehen sind, weil sie einen Großteil der Bevölkerung nicht betreffen. Aber Achtung: Die Macht und der Fortbestand der Demokratie beruhen auch maßgeblich auf der Unabhängigkeit der und dem Respekt vor der Justiz, warnt Le Soir.
L'Avenir blickt auf einen Vorfall am Montag am Brüsseler Flughafen: Zwei junge Iraner, deren Asylanträge abgewiesen worden waren, sollten ausgewiesen werden. Sie weigerten sich jedoch, das Flugzeug zu besteigen, das sie zunächst in die Türkei bringen sollte. Die zwei Männer behaupten, dass ihr Leben im Iran in Gefahr sei, weil sie an Demonstrationen gegen das Regime teilgenommen hätten. Ob das nun stimmt oder nicht, Tatsache ist, dass eine Rückkehr in den Iran aktuell keine Perspektive ist, insbesondere für junge Menschen, die sich emanzipieren wollen. Und nach dem Medienrummel am Montag würde eine Abschiebung in den Iran das Leben der Männer in der Tat gefährden. Hoffen wir, dass die belgischen Behörden Gewissen beweisen. Denn bis zum bitteren Ende an einer formaljuristischen Logik festzuhalten, wäre absurd, findet L'Avenir.
Zwischen Vabanquespiel und bester Strategie
Das GrenzEcho kommentiert die Debatte um die Lieferung deutscher Kampfpanzer an die Ukraine: Was der Westen dringend braucht, ist eine zielgerichtete Debatte über die Optionen, die er zur Etablierung eines Waffenstillstands in der Hand hat. Und Europa muss sich überdies die Frage stellen, zu welchen - wenngleich schmerzhaften - Zugeständnissen es bereit ist, um die Spirale der Gewalt zu durchbrechen. Das bloße Liefern schwerer Waffen ist angesichts der Unberechenbarkeit des russischen Regimes ein gefährliches Vabanquespiel, ist das GrenzEcho überzeugt.
Die Lieferung von Leopard-Panzern ist nur der nächste und wohl nicht der letzte Schritt, analysiert De Morgen. Aber mangels einer sinnvollen Alternative bleibt die beste Strategie, die ukrainische Verteidigung weiter zu unterstützen, um ein erschöpftes Russland an den Verhandlungstisch zu zwingen. Noch ist dieses Endziel aber nicht in Sicht. In diesem Sinne ist Behutsamkeit besser als Kriegsbegeisterung, so De Morgen.
Boris Schmidt