"Free Olivier Vandecasteele", so die Schlagzeile von Le Soir. La Libre Belgique wird deutlicher: "Wir fordern die sofortige Freilassung von Olivier Vandecasteele", schreibt das Blatt. "Die Mobilisierung für Olivier Vandecasteele wächst", meint L'Echo. "Ihre Zeitung engagiert sich für Olivier Vandecasteele", wendet sich L'Avenir an seine Leser. "Ganz Belgien steht hinter Olivier Vandecasteele ", schreibt La Dernière Heure.
Ausnahmslos alle frankophonen Zeitungen widmen ihre Titelseite heute dem belgischen Entwicklungshelfer Olivier Vandecasteele. Der 42-Jährige sitzt seit knapp einem Jahr in einem iranischen Gefängnis. Vor einigen Tagen wurde bekannt, dass er wegen angeblicher Spionage zu 40 Jahren Haft und 74 Peitschenhieben verurteilt wurde. Allgemein wird davon ausgegangen, dass Teheran eigentlich beabsichtigt, Vandecasteele gegen einen iranischen Ex-Diplomaten auszutauschen, der derzeit in einem belgischen Gefängnis sitzt. Der war vor zwei Jahren wegen der Vorbereitung eines Terroranschlags von einem Antwerpener Gericht zu 20 Jahren Haft verurteilt worden.
Olivier Vandecasteele – "Wir werden niemals lockerlassen"
Dass sich ausnahmslos alle frankophonen Zeitungen für die Freilassung von Olivier Vandecasteele einsetzen, ist durchaus ein Ereignis, betont L'Avenir in seinem Leitartikel. Warum tun wir das? Zuallererst, um Teheran gegenüber unsere Abscheu zum Ausdruck zu bringen, unsere Empörung angesichts der willkürlichen Inhaftierung von Olivier Vandecasteele und dem offensichtlichen Schauprozess, der ihm gemacht wurde. Zugleich wenden wir uns aber auch an die belgischen Behörden, und zwar mit der Forderung, alles, wirklich alles zu tun, um unseren Landsmann aus dem Foltergefängnis herauszuholen, in dem er seit fast einem Jahr ausharren muss. Das Gleiche erwarten wir auch im Übrigen von der EU. Und wir haben auch noch eine Botschaft an die Mullahs: Nein, wir werden niemals lockerlassen. Wir werden niemals vergessen.
"Olivier, wir warten sehnlichst auf deine Rückkehr", schreibt emotional La Dernière Heure. Mit der heutigen Aktion wollen die frankophonen Zeitungen nicht nur ein ebenso ungerechtes wie barbarisches Gerichtsurteil anprangern, es geht vor allem darum, dass das Schicksal von Olivier Vandecasteele nicht in Vergessenheit gerät. Und Dutzende Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport haben sich der Initiative angeschlossen. In der Hoffnung, dass die Mobilisierung jetzt noch weiter Fahrt aufnimmt. Und auch die EU wäre gut beraten, sich dem Kampf anzuschließen. Hier geht es schließlich um die Freilassung eines Mannes, der willkürlich inhaftiert wurde.
Zusätzliche Waffen für die Ukraine
Zweites großes Thema ist das heutige Treffen der so genannten Ukraine-Kontaktgruppe auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein. Dort werden Vertreter aus 50 überwiegend westlichen Staaten über weitere Militärhilfen für die Ukraine beraten. "Belgien verspricht der Ukraine zusätzliche Waffen", titelt Het Nieuwsblad. "Auch Belgien will zusätzliche Waffen in die Ukraine schicken", schreibt auch Gazet van Antwerpen. Beide Blätter berufen sich auf Verteidigungsministerin Ludivine Dedonder, die Belgien bei dem Treffen vertreten wird.
"Wir dürfen Kiew nicht loslassen", appelliert L'Echo in seinem Leitartikel. In den letzten Tagen hat sich gezeigt, dass Russland durchaus noch Karten auf die Hand hat. Die jüngsten Erfolge der russischen Truppen im Osten der Ukraine können sogar eine Destabilisierung der ukrainischen Armee zur Folge haben. Erst recht vor diesem Hintergrund könnte die Regierung in Kiew schwere Kampfpanzer aus dem Westen bestimmt sehr gut gebrauchen. Das Problem ist und bleibt da aber die zögerliche Haltung der deutschen Bundesregierung. In Berlin befürchtet man offenbar nach wie vor, dass mit der Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine aus Sicht des Kremls eine rote Linie überschritten würde. Derlei Argumente gelten aber inzwischen immer weniger. Ob wir es wollen oder nicht: Wir befinden uns längst in einem Konflikt mit Moskau. Und wenn wir der Ukraine jetzt nicht die Mittel geben, sich zu verteidigen, dann laufen wir Gefahr, dass die bereits geleistete Hilfe am Ende umsonst war.
In der Ukraine geht es auch um die Zukunft Europas
De Tijd bringt ihrerseits Verständnis für die Haltung des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz auf. Scholz nimmt sich Zeit. Vor allem hat er Angst davor, den Kreml mit Panzerlieferungen unnötig zu provozieren und am Ende auf die eine oder andere Weise die Rechnung dafür präsentiert zu bekommen. Scholz sucht deshalb die Rückendeckung der Amerikaner, etwa indem er die mögliche Lieferung von Leopard-2-Panzern davon abhängig macht, dass die USA der Ukraine auch ihren Abrams-Panzer zur Verfügung stellen. Ist diese Haltung wirklich so unvernünftig? Schließlich hat der ehemalige russische Präsident Dimitri Medwedew gerade wieder mit einem Atomkrieg gedroht.
Het Nieuwsblad hat demgegenüber kein Verständnis für das Berliner Zögern. Deutschland fürchtet eine mögliche Eskalation? Dieser Begriff ist doch längst überholt. In den letzten Monaten wurden ein ums andere Mal angebliche rote Linien überschritten. Passiert ist nichts. Entsprechend wirken die Eskalation-Drohungen aus Moskau mehr und mehr wie bloße heiße Luft. Die meisten Nato-Staaten haben das verstanden. Nur Deutschland anscheinend noch nicht. Dabei hat gerade Deutschland die moralische Pflicht, der Ukraine in ihrem Überlebenskampf zu helfen. Berlin war schließlich der Motor für den Russland-freundlichen Kurs der EU. Indem man sich in eine ungesunde Abhängigkeit von russischem Gas begeben hat, hat man zudem Putins Kriegskasse gefüllt. Das war falsch, kann jetzt aber korrigiert werden. Wer nicht versteht, dass es beim Krieg in der Ukraine auch um die Zukunft Europas geht, der begeht einen historischen Fehler.
Roger Pint