"Magnette greift ein und schließt Tarabella aus der PS aus", titelt De Standaard. "Tarabella wird aus der PS und auch aus seiner Fraktion im EU-Parlament verbannt", präzisiert L'Avenir auf Seite eins.
Um Marc Tarabella wird es einsam. Der langjährige Europa-Abgeordnete wurde erst von seiner sozialistischen Fraktion und dann auch von seiner Partei bis auf weiteres ausgeschlossen. Er steht im Verdacht, Geld angenommen zu haben, um im Gegenzug ein Loblied auf das Golfemirat Katar zu singen. Nur konnten bislang bei diversen Hausdurchsuchungen noch keine schlagenden Beweise dafür sichergestellt werden.
Auch Le Soir beschäftigt sich auf seiner Titelseite weiter mit der EU-Korruptionsaffäre. "Die 'vergessenen' Reisen der Roberta Metsola", titelt das Blatt. EU-Abgeordnete müssen Reisen, die von Dritten finanziert werden, der Parlamentsverwaltung melden. Doch anscheinend hat selbst die Parlamentspräsidentin Roberta Metsola die Fristen nicht eingehalten und eine Reihe solcher Bescheide zu spät eingereicht.
Eine Frage der Moral
La Libre Belgique beschäftigt sich in ihrem Leitartikel mit der Tatsache, dass die belgische Justiz bei ihren Ermittlungen im EU-Korruptionsskandal auf die Kronzeugenregelung zurückgegriffen hat. Pier Antonio Panzeri, die mutmaßliche Schlüsselfigur in der Affäre, hat offenbar einen Deal mit der Justiz aushandeln können: Er sagt den Ermittlern alles, was er weiß, im Gegenzug kommt er in den Genuss einer Strafmilderung. "Das ist wohl der Preis für die Wahrheit", meint La Libre nachdenklich. Nicht vergessen: Eben solche Kronzeugenregelungen haben es den Behörden in Italien ermöglicht, der Mafia einige schwere Schläge zuzufügen. Natürlich hat das immer einen faden Beigeschmack.
Hier stellen sich insbesondere ethische Fragen: Kann man Geschäfte machen mit Leuten, die gegen Gesetze verstoßen haben, die möglicherweise sogar Blut an den Händen haben? Es sind wohl solche Bedenken, die erklären, warum die Kronzeugenregelung in Belgien seit ihrer Einführung vor fünf Jahren erst zweimal angewandt wurde. In einem solch heiklen Zusammenhang muss die Maxime gelten, dass man nur dann auf eine solche Regelung zurückgreift, wenn es wirklich keine andere Möglichkeit gibt, Licht in eine Affäre zu bringen. In einer Demokratie muss es letztlich auch immer um Moral gehen.
Het Laatste Nieuws stellt die Frage nach dem richtigen Umgang mit Lobbygruppen. Das EU-Parlament will sich im Fahrwasser der Katargate-Affäre hier neue Regeln geben. Dabei müssen unter anderem alle Abgeordneten sämtliche Kontakte mit Interessenvertretern offenlegen. Hier darf aber nicht der Eindruck entstehen, als seien Interessenvertretungen aller Art notwendigerweise Gift für das System. Es kommt immer mal wieder vor, dass Gesetzesvorschläge eingereicht werden, die teilweise oder selbst integral von Vertretern eines bestimmten Sektors geschrieben wurden. Das ist dafür immer noch kein Skandal. Schließlich wissen die Spezialisten aus den betroffenen Sektoren am besten, wie die Lage auf dem Terrain tatsächlich aussieht. Das Ziel muss also eine gesunde Wechselwirkung sein zwischen denen, die ein Gesetz beschließen, und denen, die es anwenden müssen.
Asylpolitik: Jeder für sich
"Noch nie haben so viele Menschen in Belgien Schutz gesucht", notiert derweil das GrenzEcho auf Seite eins. De Morgen spricht von der "größten Asylkrise seit 2015". Im vergangenen Jahr haben hunderttausend Flüchtlinge in Belgien um Schutz ersucht. 63.000 davon kamen aus der Ukraine. Die übrigen 37.000 stellten einen "klassischen" Asylantrag.
Das alles stellt die zuständigen Stellen vor enorme Herausforderungen, kann L'Avenir in seinem Leitartikel nur feststellen. Doch darf man dabei nie die Menschenwürde außer Acht lassen. Kritiker warnen immer davor, bloß keinen Ansaugeffekt zu erzeugen. Das darf aber nicht zur Folge haben, dass Belgien am Ende zu einem Land wird, in dem Flüchtlinge unangemessen oder gar unmenschlich behandelt werden.
Dennoch: "So kann es nicht weitergehen", ist Het Nieuwsblad überzeugt. Das belgische Asylsystem platzt gerade aus allen Nähten. Und da ist wenig Besserung in Sicht. Der russische Präsident Putin etwa wird weiter versuchen, ukrainische Flüchtlinge nach Westen zu treiben. Nur gilt hier die Feststellung, die 2015 auch schon richtig war: Das Flüchtlingsproblem kann nur auf europäischer Ebene gelöst werden. Im Moment ist es so, dass alle Schutzsuchenden am Ende in Westeuropa landen. In der Zwischenzeit muss Belgien aber alles tun, um dafür zu sorgen, dass kein Flüchtling auf der Straße übernachten muss.
Het Belang van Limburg sieht das genauso. So hat sich zum Beispiel herausgestellt, dass rund die Hälfte der Erwachsenen, die in Belgien Asyl anfragen, schon in einem anderen europäischen Land registriert wurden. Theoretisch darf das nicht sein, es passiert aber eben. In der Asylpolitik gilt mehr denn je: Jeder für sich. Nur ist das ein Irrweg. Mögen die Länder auch glauben, dass sie die Asylkrise am besten alleine lösen können, so produziert das unterm Strich einfach nur mehr Chaos. Die Asylkrise von 2015 war offensichtlich noch nicht dramatisch genug, um alle zu der Einsicht zu bringen, dass man das Problem nur gemeinsam, eben auf der EU-Ebene lösen kann. Vielleicht bringt diese Krise die Erleuchtung.
Roger Pint