"Der Gaspreis ist wieder auf Vorkriegsniveau", mit dieser guten Neuigkeit macht heute De Standaard auf. An der wichtigsten Energiebörse in Amsterdam bezahlt man im Moment knapp 83 Euro pro Megawattstunde. Am 23. Februar dieses Jahres, also am Tag vor dem russischen Angriff auf die Ukraine, stand der Gaspreis bei rund 85 Euro. Grund für den Abwärtstrend ist vor allem das - aktuell - vergleichsweise milde Wetter. "Gas im Überfluss", schreibt denn auch De Morgen auf Seite eins. "Und diese 'grüne Weihnacht' ist für Putin unerfreulich", fügt das Blatt hinzu. Er hatte auf Eiseskälte in Europa gehofft, stattdessen sind die Gasspeicher randvoll.
"Putin, ein Zar in Bedrängnis", meint denn auch La Dernière Heure in ihrem Leitartikel. Der russische Präsident mit seinem ausgesprochenen Hang zum Patriotismus und zu russischer Stärke, dieser Putin hat quasi alles verloren. Auf jeden Fall schonmal das Gesicht. Selbst innerhalb des Marktzirkels werden immer mehr Stimmen laut, die die angebliche "Spezialoperation" infrage stellen. Und auch geopolitisch hat sich der Krieg als kontraproduktiv erwiesen. Nicht nur, dass die USA wieder in ihre Rolle als Weltpolizist schlüpfen konnten, der Konflikt hat zudem die Europäer näher zusammenrücken lassen. Wegen seiner Selbstüberschätzung könnte Putin womöglich so enden wie die Zaren des alten Russlands.
Burnout und Depressionen haben Konjunktur
"Die Daten von 300.000 Kunden von belgischen Banken sind in falsche Hände gelangt", so die Aufmachergeschichte von Gazet van Antwerpen. Dieser Datensatz wurde jedenfalls in einem Internet-Forum zum Kauf angeboten. Dazu zählen die Namen, die vollständige Adresse oder auch die IBAN-Nummern, aber offenbar keine Kontoinformationen. Betroffen sind anscheinend in erster Linie Kunden der Belfius-Bank.
"Burnouts und Depressionen haben in den letzten fünf Jahren um die Hälfte zugenommen", schreiben L'Echo und De Tijd auf Seite eins. Genau gesagt ist die Zahl der Arbeitnehmer, die wegen psychischer Probleme für längere Zeit ausfallen, um 45 Prozent gestiegen. Diese Menschen machen mehr als ein Drittel aller Langzeitkranken aus.
"Diese Zahlen sollten insbesondere die Sozialpartner aufrütteln", mahnt De Tijd. Fast eine halbe Million Menschen sind hierzulande seit mehr als einem Jahr krankheitsbedingt nicht mehr am Arbeitsplatz erschienen. Einer von zehn Menschen im arbeitsfähigen Alter ist als langzeitkrank registriert. Ursache ist vor allem die Vergreisung der Bevölkerung, aber dann auch gleich schon die Zunahme von psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Burnouts. Das sollte die Unternehmen dazu anspornen, wachsamer zu werden und vielleicht noch mehr als bisher im Zweifel individuelle Lösungen anzubieten für Arbeitnehmer, denen es nicht so gut geht. Und auch die Gewerkschaften sollten sich mal dieser Problematik annehmen. Statt ihre Grabenkämpfe ausschließlich um die Lohnnorm auszufechten, sollten sie ihre Energie vielleicht mal auf einen - im wahrsten Sinne des Wortes - "gesunden" Arbeitsmarkt verwenden.
"Mit dem Tiger reden mit dem Kopf in seinem Maul"
Einige Zeitungen erinnern daran, dass die Regierung bis Ende dieses Jahres ein Abkommen mit dem Atomkraftwerksbetreiber Engie über die geplante Verlängerung von zwei Reaktorblöcken versprochen hatte. Die beiden jüngsten Meiler - also Doel 4 und Tihange 3 - sollen ja nach 2025 noch zehn weitere Jahre am Netz bleiben.
Die Verhandlungsposition der Regierung ist aber äußerst ungünstig, analysiert L'Echo in seinem Leitartikel. Oder, ums mal mit Winston Churchill zu sagen: "Man kann mit einem Tiger nicht vernünftig reden mit dem Kopf in seinem Maul". Premier De Croo ist eigentlich in der Bittsteller-Position. Und, klar: Engie nutzt das gnadenlos aus. Etwa, wenn der Konzern öffentlich die geplante Erhöhung der Atomabgabe kritisiert. Im Grunde wird hier nur der Preis nach oben getrieben. So, wie die Karten derzeit liegen, wird es für die Regierung sehr schwer, aus diesen Verhandlungen als Siegerin herauszukommen. Ein Aufschub wäre allerdings noch schlimmer, würde es doch bedeuten, dass hinter der mittelfristigen Versorgungssicherheit die Fragezeichen bleiben.
"Und wo bleibt die Reform der Energierechnung?", fragt sich ihrerseits ungeduldig La Libre Belgique. Schon seit Jahren prangert allen voran die Regulierungsbehörde CREG die Missstände an: Die Energierechnung sei nicht transparent genug; und das erlaube es den Anbietern, den Kunden versteckte Kosten anzurechnen. Und all das ist gerade in diesen Zeiten hoher Energiepreise umso unerträglicher. Es ist schlichtweg nicht normal, dass die Kunden nicht wissen, wofür sie zahlen. Die schon so oft angekündigte Reform des Systems ist inzwischen mehr als überfällig.
Platz für eine neue Zentrumspartei?
Le Soir beschäftigt sich mit den Planspielen hinsichtlich der möglichen Schaffung einer großen Zentrumspartei. "Les engagés", also die ehemalige CDH, verhandeln offenbar mit der vor allem in Brüssel verankerten Partei Défi über einen Zusammenschluss. Mit dabei sind offenbar auch Leute um den abtrünnigen MR-Politiker Jean-Luc Crucke. Wenn das politische Zentrum auch in den letzten Jahren nicht wirklich Konjunktur hatte, so muss das nicht so bleiben, glaubt Le Soir. Je klarer sich die linken und rechten Parteien jeweils auf ihrer Seite des Spektrums positionieren, desto wichtiger kann eine mäßigende Kraft in der Mitte werden. Eben, um die anderen auszubalancieren. Allerdings müsste das jetzt schnell vonstattengehen: Nach dem kommenden Frühjahr wäre es mit Blick auf das Superwahljahr 2024 für eine neue Partei zu spät.
Sorge um das Reich der Mitte
De Standaard schließlich blickt mit Sorge auf China. Im Reich der Mitte sorgt das Coronavirus wieder mal für Verwerfungen; dort hatte Covid-19 ja schon seinen Ursprung. Seit die Regierung in Peking von ihrer Null-Covid-Strategie abgerückt ist, spitzt sich die Lage dramatisch zu. Mit potenziell ernsten Konsequenzen, auch für den Rest der Welt. Niemand weiß, ob durch den massiven Ausbruch in China nicht neue Mutationen entstehen.
Und es gibt auch Risiken wirtschaftlicher und politischer Natur. Sollten etwa wieder Lieferketten abreißen, dann werden die drohende Rezession und die galoppierende Inflation im Westen noch verstärkt. Und der innenpolitische Druck kann schließlich Machthaber Xi Jinping sogar dazu verleiten, militärische Abenteuer einzugehen; Stichwort Taiwan. Die Corona-Katastrophe in China verheißt jedenfalls nicht viel Gutes.
Roger Pint
eine neue Zentrumpartei macht nur Sinn, wenn sie national ist. Also auch mit flämischen Parteien. Dies ist offensichtlich überhaupt nicht beabsichtigt. Les Engagés und Défi wollen das nicht.
Eine neue Zentrumspartei macht nur dann Sinn, wenn es im Gesamtergebnis weniger Parteien gibt, die dann national verankert sind und nicht in den Regionen.
Der jetzige Zustand mit über 10 Parteien im föderalen Parlament ist nicht tragbar. Ist keinem vernünftigen Menschen zu vermitteln, nur Postenjäger und Karriererittern, die als einzige davon profitieren.