"Selenskyj in Washington", titelt La Libre Belgique. "Biden sagt Selenskyj weitere Hilfen zu", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins. "Nach 300 Tagen Krieg in der Ukraine nimmt das Wettrüsten weiter zu", so die Schlagzeile von De Standaard.
Der Besuch des ukrainischen Präsidenten Selenskyj bei seinem US-amerikanischen Amtskollegen Joe Biden in Washington ist auch ein Thema in den Leitartikeln der Zeitungen. Le Soir notiert: Lebendig und voller Tatendrang! Das ist die Botschaft, die Wolodymyr Selenskyj in die Welt geschickt hat, indem er den Fuß auf amerikanischen Boden gesetzt hat. Lebendig, kraftvoll, frech und unheimlich bewegend – dieser erste und bisher einzige Ausbruch des ukrainischen Präsidenten aus der Hölle des Krieges seit zehn Monaten ist von einer unerhörten symbolischen Kraft. Es ist auch ein riesiger ausgestreckter Mittelfinger in Richtung des russischen Präsidenten Putin, der es immer noch nicht geschafft hat, ein Land und eine widerstandswillige Bevölkerung zu unterwerfen, die von Selenskyj verkörpert werden, schwärmt Le Soir.
Ähnlich La Libre Belgique: Mit dieser historischen Reise streckt Selenskyj Putin die Zunge raus. Putin, der Ende Februar glaubte, er könne die Ukraine in ein paar Tagen unterwerfen, kann seinen Feind noch nicht einmal daran hindern, in die USA zu reisen. Zumal Selenskyj sich ja sicher ist, dass die Russen ihn auch nicht daran hindern können, wieder in die Ukraine zurückzukehren, staunt La Libre Belgique.
Globaler Krieg
La Dernière Heure hebt hervor: Selenskyj ist nicht nach Brüssel, nicht nach Europa gereist, sondern nach Washington. Diese hochsymbolische Reise verdeutlicht Entscheidendes über die neue Weltordnung. Trotz der Kriegsmüdigkeit, die sich im Westen breitgemacht hat – übrigens auch in den USA – steht die größte Militärmacht der Welt felsenfest hinter der Ukraine. Sie sieht sich immer noch als Anführer der "Guten". Deshalb gibt es auch neue militärische Rekordhilfe. Die USA bleiben der militärische Schutzschirm der Ukraine und damit auch von Europa, stellt La Dernière Heure fest.
De Morgen analysiert: Der Krieg in der Ukraine hat längst globale Ausmaße angenommen. Die Reise von Selenskyj in die USA ist dabei nur die eine Seite der Medaille. Russland seinerseits bekommt Hilfe vom Iran, sucht den Schulterschluss mit Weißrussland und hat gestern Ex-Präsident Medwedew nach China geschickt, um dort für Unterstützung zu werben. Europa muss achtgeben, dass es sich behauptet in diesem globalen Machtspiel. Sonst könnten die Kollateralschäden verheerend sein. Europas Unterstützung für die Ukraine muss klar sein und auch die europäische Öffentlichkeit muss sich wieder mehr für den Krieg interessieren. Selenskyj sollte deshalb schnell auch nach Brüssel reisen, fordert De Morgen.
Unfähig, einfache Dinge zu lösen
Het Nieuwsblad beschäftigt sich mit dem Bericht des Internationalen Währungsfonds IWF zur wirtschaftlichen Lage in Belgien und erinnert: Die Experten des IWF sind alles andere als unfehlbar. Trotzdem sind ihre Einschätzungen immer ein guter Gradmesser dafür, wie die wirtschaftliche Situation Belgiens im weltweiten Vergleich aussieht. Zurzeit sieht es nicht so gut aus. Die Experten raten zum Sparen und zu einer Reform des Index-Systems. Die Begründung dafür ist einleuchtend. Bleibt die Frage, ob die Vivaldi-Koalition dazu fähig ist. Denn das sind schwere Brocken. Und die Regierung zeigt gerade schon bei einer Reform, die eigentlich einfach sein sollte, nämlich der Reform des Urheberrechts, wie unfähig sie ist, selbst einfache Sachen zu lösen, ärgert sich Het Nieuwsblad.
L'Echo meint zu der Reform des Urheberrechts: Dieses Hickhack um Kleinigkeiten bei den Reformbemühungen zeigt das Dilemma unseres gesamten Steuersystems. Alles ist viel zu kompliziert, es gibt viel zu viele Ausnahmen und eigentlich lohnt es sich nicht, sich an so kleinen Reformen abzuarbeiten. Ein großer Wurf muss her! Eine große Steuerreform muss her, die alles klar und einfach regelt, ohne die Dynamik unserer Wirtschaft abzuwürgen, fordert L'Echo.
Drillrap: Neues Phänomen erschüttert Antwerpen
Gazet van Antwerpen beschäftigt sich mit dem Mord an einem 16-jährigen Teenager gestern in Antwerpen und führt aus: Nach ersten Erkenntnissen sollen sowohl die Täter als auch das Opfer aus dem sogenannten Drillrapper-Milieu kommen. Das ist ein Zeichen dafür, dass wir dieses Phänomen nicht länger ignorieren können. Mit Drillrap bezeichnet man Rapmusik, die zu Gewalt aufruft. In Videoclips zeigen sich maskierte Jugendliche mit Waffen, Banden rivalisieren miteinander, man steigt in der Achtung der Anderen, wenn man jemanden erniedrigt, schlägt oder gar ermordet. Die meisten Mitglieder haben einen afrikanischen oder südamerikanischen Hintergrund und wachsen in Brennpunkt-Vierteln auf. Das Phänomen ist aus den USA über Großbritannien und die Niederlande jetzt auch zu uns gekommen. Einfach nur die Musik zu verbieten und die Filme im Internet zu sperren, löst das Problem nicht. Das Phänomen muss breiter angepackt werden, weiß Gazet van Antwerpen.
Kay Wagner