"Die Energiepreise sinken weiter", titelt Het Laatste Nieuws. An der wichtigsten Energiebörse in Amsterdam kostet Gas jetzt noch 135 Euro pro Megawattstunde. Das ist ein Drittel des Preises von Ende August. Pro Jahr bezahlt ein Durchschnittshaushalt damit knapp 680 Euro weniger für Gas und rund 200 Euro weniger für Strom. Begründet wird die Entspannung am Energiemarkt vor allem mit den milden Temperaturen im vergangenen Monat Oktober. Wegen der gestiegenen Importe von Flüssiggas sind zudem die Gasspeicher mehr oder weniger voll. Dazu passt die heutige Schlagzeile von Het Nieuwsblad: "Seit dem Krieg verdient Russland noch mehr am Handel mit Belgien", schreibt das Blatt. Dies also trotz der EU-Sanktionen gegen Russland. Gazet van Antwerpen setzt eine Zahl drauf: "Seit dem Angriff auf die Ukraine haben sich die Importe aus Russland verdoppelt". "Verdoppelt" hat sich aber im Wesentlichen nur der Umsatz. Schuld sind nämlich vor allem die hohen Energiepreise.
Pragmatische Haltungen und hohle Statements
Das ist aber nicht der einzige Grund, analysiert Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Belgien bleibt ein großer Abnehmer von russischen Rohdiamanten. "Der Frieden ist viel mehr wert als Diamanten", hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj schon am 31. März in einer Rede vor dem belgischen Parlament gesagt. Damals gab es Applaus von allen Bänken. Passiert ist allerdings gar nichts. Im Gegenteil! Aller Kriegsrhetorik von Premierminister Alexander De Croo und dem flämischen Ministerpräsidenten Jan Jambon zum Trotz hat der Handel mit den wertvollen Steinen noch zugenommen. Der eine oder die andere mag diese Haltung als pragmatisch bezeichnen. Solange Diamanten aus Sibirien nach Belgien kommen, klingen all die entschlossenen Statements aus der Rue de la Loi aber doch ziemlich hohl.
Ist der Westen unbeeindruckt, rudert Putin zurück
Apropos Russland: "Moskau hebt die Getreideblockade auf", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins. Russland hatte am Samstag das Abkommen mit der Ukraine über die Ausfuhr von Getreide ausgesetzt. Dank türkischer Vermittlung konnte nun aber offenbar eine Lösung gefunden werden.
Das ist ein Gesichtsverlust für den russischen Präsidenten Wladimir Putin, glaubt Het Belang van Limburg. Putin hat sich offensichtlich verzockt. Er hatte wohl darauf spekuliert, dass die Ausfuhr von ukrainischem Getreide nach der Aussetzung des Abkommens zum Erliegen kommen würde. Zu beobachten war aber das genaue Gegenteil: Anfang der Woche setzten die Getreideschiffe ihre Transporte unvermindert fort, es passierten sogar Rekordmengen das Schwarze Meer. Putin stand also vor einem Dilemma: Entweder die Schiffe versenken oder einlenken. Er entschied sich für Letzteres, Gesichtsverlust inklusive. Diese Episode mag als Musterbeispiel für den Umgang mit Moskau dienen. Hier zeigt sich nämlich, dass die russischen Drohungen in der Regel hohl sind und nur darauf abzielen, den ängstlichen Westen einzuschüchtern. Wenn der sich unbeeindruckt zeigt, dann krabbelt Putin zurück.
27. Weltklimakonferenz – "weniger Show, dafür mehr Tatkraft"
Einige Leitartikler beschäftigen sich heute auch mit der 27. Weltklimakonferenz, die am Sonntag im ägyptischen Scharm-El-Sheikh beginnt. Es fällt immer schwerer, im Vorfeld eines Weltklimagipfels noch optimistisch zu sein, meint sinngemäß La Dernière Heure. Dabei ist das Plädoyer des Planeten inzwischen so überzeugend, dass Klimaskeptiker eigentlich keine Argumente mehr haben. Jüngstes Beispiel ist der vergangene Monat Oktober mit seinen milden Temperaturen, die ebenso historisch wie beängstigend waren. Der Klimawandel ist längst keine abstrakte Horrorvision mehr, sondern sichtbar im Hier und Jetzt. Und doch steht zu befürchten, dass die Weltgemeinschaft auch in Scharm-El-Sheikh das Ruder nicht herumreißen wird. Sogar Klimaaktivistinnen wie Greta Thunberg oder Anuna De Wever glauben nicht mehr an einen Erfolg und bleiben dem Weltklimagipfel fern.
"Weniger Show, dafür mehr Tatkraft!", wünscht sich Gazet van Antwerpen. Weltklimakonferenzen sind in den letzten Jahren mehr und mehr zu einem bloßen Schaulaufen verkommen. Und Belgien macht fleißig mit: Die Delegation, die uns in Scharm-El-Sheikh vertreten wird, umfasst sage und schreibe 125 Mitglieder, lächerlich viel für ein kleines Land, das zudem regelmäßig von der EU-Kommission wegen der Missachtung von Umweltschutzauflagen ermahnt werden muss.
Dass auch die flämische Umweltministerin Zuhal Demir die Weltklimakonferenz links liegen lässt, ist allerdings das falsche Signal, findet De Morgen. Die Begründung für ihr Fernbleiben mag ja noch nachvollziehbar klingen: Nach eigener Aussage will sie damit gegen die Menschenrechtsverletzungen in Ägypten protestieren. Die gibt es zweifellos. Doch klingt das aus dem Mund von Zuhal Demir doch etwas scheinheilig. Die N-VA-Ministerin war bislang nämlich nicht unbedingt für ihr Engagement für den Klimaschutz bekannt. Dazu nur so viel: Eine Ministerin ist keine Aktivistin. Und Zuhal Demirs Empörung ist selektiv: Sie sorgt sich um die Opfer von Menschenrechtsverletzungen und nicht um die Opfer des Klimawandels. Als verantwortliche Ministerin dem Klimagipfel fernzubleiben, ist unverantwortlich.
Identität entsteht von unten
De Standaard beschäftigt sich heute mit einer Streitschrift, in der flämische Historiker scharfe Kritik am geplanten "flämischen Kanon" üben. Darin sollen ja im Auftrag der flämischen Regierung die historischen Meilensteine definiert werden, die Flandern zu dem gemacht haben, was es heute ist. Die Politik will nun also die Oberhoheit über die Geschichtsschreibung für sich beanspruchen, schließt sich De Standaard der Kritik an. Geschichte soll also ideologisch vereinnahmt und instrumentalisiert werden. Ein von oben herab den Bürgern aufoktroyierter Kanon könnte aber das Gegenteil von dem erreichen, was sich die Befürworter aber hoffen. Identität entsteht von unten, sie lässt sich nicht aufzwingen.
Roger Pint