"Marsch für nachhaltige Zukunft: Klimakoalition fordert Investitionen", schreibt das GrenzEcho. "25.000 Menschen gehen für das Klima auf die Straße", bilanziert L'Avenir. "Organisatoren zählen 30.000 Teilnehmer bei Klimamarsch in Brüssel", nennt De Morgen eine zweite Zahl. "Krise ist ein Fremdwort für den Klimamarsch", stellt Le Soir fest.
Die Energiekrise hat das Problem der Klimaerwärmung aus dem Bewusstsein vieler Menschen verdrängt, kommentiert La Dernière Heure. Das ist zwar irgendwie nachvollziehbar, aber der Klimawandel ist mindestens genauso besorgniserregend. Es wäre auch ein Fehler, zwischen beiden einen Gegensatz herstellen zu wollen. Die Energiekrise, die auch Belgien erschüttert, ist direkt mit der Klimakrise und ihren Folgen verbunden. Wenn unsere politisch Verantwortlichen sich den Klimaproblemen früher gestellt hätten, dann hätten wir heute vielleicht schon viel mehr energiesparenden Wohnraum. Weniger Energieverschwendung hätte bedeutet, dass die aktuelle soziale Krise weniger ausgeprägt wäre. Wir können nur hoffen, dass die jetzigen schwierigen Monate Einsichten fördern, die der ganzen Gesellschaft zugutekommen werden. Denn Energiewende hat nicht zwangsläufig etwas mit Verarmung zu tun. Im Gegenteil: Man kann die Energiewende auch als Chance sehen zur Schaffung von Arbeitsplätzen und für einen neuen, nachhaltigeren Lebensstil. Eine Bereicherung für alle Schichten der Gesellschaft also, unterstreicht La Dernière Heure.
Wo bleibt die Politik?
La Libre Belgique hat beim Klimamarsch vor allem eine stärkere politische Präsenz vermisst: Allen anderen aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Brennpunkten zum Trotz ist es höchste Zeit, die Vorstellungen aufzugeben, dass es einen Konflikt zwischen wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklung und Klimaschutz gibt. Das sind nämlich nichts anderes als ideologische Haltungen. So etwas bremst nur den Willen aus, unser Land klimafreundlicher zu machen – und vor allem auch unabhängiger in puncto Energie. Das Klima geht uns alle an: die Bürger, die Politiker, die Arbeitgeber, die Gewerkschaften. Denn es geht ja auch um die Frage, wie unser Konsum und unsere Produktion in Zukunft aussehen sollen. Die Klimakrise bietet unseren politisch Verantwortlichen darüber hinaus eine Gelegenheit, um etwas gegen die Politikmüdigkeit zu unternehmen. Etwas, um ihre eigene Legitimität wieder zu stärken – wenn sie sich zu starken Gesten durchringen können, meint La Libre Belgique.
Über politische Problemkinder und Kinder-Influencer
Le Soir greift in seinem Leitartikel die nicht verstummenden Hilferufe der Föderalen Gerichtspolizei angesichts fehlender Mittel auf: Seit mittlerweile über einem Jahr schlagen die höchsten Verantwortlichen der Gerichtspolizei Alarm – von der Kammer bis in die Presse. Zahlreiche Beamte berichten, dass es immer schwieriger wird, sich für ihren Job zu begeistern. Sie fühlen sich von der Bürokratie und technischen Problemen ausgebremst. Währenddessen fließt immer mehr Expertise ab, einfach weil Beamte regulär in Rente gehen, die Rekrutierung von Nachwuchs in kritischen Bereichen aber sehr zäh verläuft. Wenn das so weitergeht, wird die Daseinsberechtigung der Föderalen Gerichtspolizei selbst auf dem Spiel stehen. Ja, die Politik hat Gegenmaßnahmen ergriffen, um auch die Gerichtspolizei finanziell und personell besser aufzustellen. Aber die Frage bleibt, ob diese Bemühungen ausreichend sein werden, warnt Le Soir.
Het Nieuwsblad befasst sich mit einem neuen Vorschlag des Außenministeriums bezüglich der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar: Außenministerin Hadja Lahbib soll laut verschiedenen Quellen vorgeschlagen haben, dass Belgien in Katar nur von König Philippe und Premierminister Alexander De Croo vertreten werden soll. Und auch nur dann, wenn die Roten Teufel das Halbfinale erreichen. Die WM findet nun einmal, so falsch die Entscheidung auch war, in Katar statt, hält die Zeitung fest. Die Frage ist also, wie wir als Land damit umgehen sollen. Die einen sagen, dass man weiter mit dem Regime reden können muss, wenn man wirklich etwas vor Ort verändern will. Andere wiederum meinen, dass man am besten Druck für Veränderungen aufbaut, indem man demonstrativ der Veranstaltung fernbleibt. Beide Denkansätze haben ihre Vor- und Nachteile. Deshalb ist der Kompromissvorschlag Lahbibs auch ehrenwert. Dennoch wäre es unserer Meinung nach besser, wenn die komplette Regierung zu Hause bliebe. Auch, um Politik und Sport ganz deutlich voneinander zu trennen. Und noch eines ist ganz wichtig: Auch nach diesem PR-Turnier sollten die Gespräche mit und der Druck auf Katar fortgesetzt werden, fordert Het Nieuwsblad.
L'Avenir macht sich derweil Sorgen um die Kinder, genauer gesagt um die sogenannten "Kinder-Influencer". Das immer weiter zunehmende Phänomen also, dass Kinder im Internet mit Videoclips oder Posts in sozialen Medien Produkte bewerben, beispielsweise Spielsachen, Kleidung oder auch Freizeitparks. Um diese neue Entwicklung in einen gesetzlichen Rahmen zu gießen, liegt in Belgien jetzt ein neuer Gesetzesvorschlag auf dem Tisch. Damit soll das bislang bestehende grundsätzliche Verbot von Kinderarbeit modifiziert werden. Für alle Deutlichkeit: Es geht nicht darum, dass ein Kind mal irgendwo ein Video über Spielzeug postet. Aber man muss über die Häufigkeit sprechen. Kinder sind vor allem Kinder, sie brauchen Freizeit, die sie zum Spielen, Lernen, Atmen nutzen können. Man darf ebenfalls nicht ausblenden, dass auch Internet-Ruhm zwar vergänglich ist, aber anhaltende dramatische, persönliche Folgen haben kann. Bis ein gesetzlicher Rahmen geschaffen wird, sollten sich die Eltern dieser Probleme bewusst sein, wenn sie Verträge mit Firmen unterschreiben, appelliert L'Avenir.
Ein schwerer Auftrag wartet
Gazet van Antwerpen blickt nach Großbritannien, auf das Schauspiel rund um die Nachfolge der zurückgetretenen Premierministerin Liz Truss. Wenn man das Hickhack um die angebliche und mittlerweile abgesagte Rückkehr von Boris Johnson mal ausblendet, dann stellt sich vor allem eine Frage: Was nun? Aussichtsreichster Kandidat ist der ehemalige Finanzminister Johnsons, Rishi Sunak. Wenn er das Rennen macht, wartet jedenfalls ein schwerer Auftrag auf ihn. Das Vertrauen der Briten in die Politik ist unter Null gefallen. Immer mehr Stimmen fordern vorgezogene Neuwahlen. Aber Neuwahlen würden für die Konservativen zweifelsohne zu einer historischen, vernichtenden Niederlage führen. Unter der politischen Misere leidet auch die Wirtschaft. Eine Wirtschaft, die zudem auch den Brexit noch nicht verdaut hat. Und die Energiekrise und der Ukraine-Krieg machen alles nur noch komplizierter. Falls Sunak das alles auf die Reihe bekommen sollte, dann darf er sich jedenfalls hinterher wirklich "großer Staatsmann" nennen, so Gazet van Antwerpen.
Boris Schmidt