"Die Regierung versucht, die Preisexplosion für Unternehmen einzudämmen", titeln fast gleichlautend die Wirtschaftszeitungen L'Echo und De Tijd. "Vivaldi möchte Indexeinfluss begrenzen", so auch die Schlagzeile von Le Soir auf Seite eins.
Die Föderalregierung hat begonnen, sich Gedanken über den kommenden Haushalt zu machen. Eine Überlegung dabei ist, die finanzielle Belastung der Unternehmen durch die automatische Lohnangleichung so gering wie möglich zu halten.
Dazu kommentiert De Standaard: Über die außerordentliche Belastung belgischer Unternehmen durch die Indexanpassungen ist schon häufig gestritten worden. Die gleichen Argumente tauchen jetzt wieder auf. Gestern dürften die Unternehmensbosse verstanden haben, dass eine Indexstreichung mit der Vivaldi-Regierung nicht kommen wird. Das hat Premierminister De Croo in seiner Rede an der Uni Gent verdeutlicht. Protestieren werden die Unternehmen dagegen nicht. Zu erwarten ist, dass sie abwarten, bis die ersten negativen Effekte der hohen Belastung durch die Indexanpassung spürbar werden. Allerdings könnten die Unternehmen auch kreativer sein. Denn nicht alle leiden in der aktuellen Krise. Diejenigen, die gerade hohe Gewinne einfahren – man denke an die Energieunternehmen – könnten sich zum Beispiel auch solidarisch zeigen mit anderen Unternehmen, die durch die Krise in ihrer Existenz bedroht sind, schlägt De Standaard vor.
Die Bahn ist immer noch kein Auto
La Libre Belgique beschäftigt sich mit dem Zustand der belgischen Eisenbahn und führt aus: Nicht alle Forderungen der Gewerkschaften beim heutigen Streik der Bahn sind wirklich prioritär. Richtig aber ist die Forderung, dass deutlich mehr Geld in die Bahn gesteckt werden muss. Wenn die Bahn wirklich eine zentrale Rolle spielen soll beim Kampf gegen CO2 und den Klimawandel, muss sie besser werden. Fast überall. Menschen muss es Spaß machen, mit der Bahn zu fahren. Das ist heute meistens nicht so. Das große Problem der Bahn ist es, dass sie es noch immer nicht geschafft hat, eine wirkliche Alternative zum Auto zu sein, stellt La Libre Belgique fest.
L'Echo erinnert: Die schlechten Zustände bei der Bahn sind das Ergebnis der schlechten Bahnpolitik der Vergangenheit. Viel zu wenig wurde in die Bahn investiert; das rächt sich jetzt bei einer Regierung, die die Bahn als wichtig ansieht. Um der Bahn die Rolle zu ermöglichen, die sie spielen soll, muss viel Geld in die Hand genommen werden. Es ist nicht mehr möglich, nur halbherzig in die Bahn zu investieren. Klare Entscheidungen müssen her, um den Ambitionen für die Bahn gerecht zu werden, fordert L'Echo.
Erziehung: Griechenland als Vorbild
In Brüssel und Gent wollen heute Erzieher demonstrieren. Dazu bemerkt Het Nieuwsblad: Die Forderungen der Erzieher sind vollkommen gerechtfertigt. Was auf den ersten Blick nicht so scheint. Denn immerhin, hat die flämische Regierung nicht weniger als 115 Millionen Euro mehr versprochen, um die Gehälter zu verbessern. Doch das reicht den Erziehern nicht. Es geht ihnen auch um bessere Arbeitsverhältnisse. Als Eltern weiß man, wie aufreibend es schon ist, sich um zwei kleine Kinder gleichzeitig zu kümmern. In Flandern kommen auf einen Erzieher bis zu neun Kinder. Zum Vergleich: In Frankreich, Polen und Schweden sind es maximal fünf, in Griechenland und Finnland vier, in Großbritannien drei. Auch hier muss sich etwas ändern. Unter anderem deshalb gehen Erzieherinnen und Erzieher heute auf die Straße, erklärt Het Nieuwsblad.
Het Belang van Limburg staunt über die Erfolge des ukrainischen Militärs im Konflikt mit Russland und meldet: Nach der Rückeroberung der strategisch wichtigen Stadt Lyman bröckelt mittlerweile auch die russische Verteidigungslinie rund um die Stadt Cherson. Sollte die Hafenstadt im Süden der Ukraine von der Ukraine zurückerobert werden, wäre das der größte Rückschlag für den russischen Präsidenten Putin nach der gescheiterten Offensive gegen Kiew zu Beginn des Kriegs, ordnet Het Belang van Limburg ein.
Das sollte man mal diskutieren…
De Tijd macht sich deshalb Sorgen und warnt: Russlands Schwäche ist durchaus gefährlich. Denn es ist unsicher, wie Putin darauf reagiert. Der Mann ist unberechenbar. Bislang hat der Krieg nur auf dem Territorium der Ukraine stattgefunden. Es kann sein, dass Putin das ändert, wenn die Misserfolge in der Ukraine immer deutlicher werden. Zwar ist es nicht bewiesen, dass Russland hinter den Anschlägen auf die Gaspipelines Nordstream 1 und 2 steht. Sie könnten aber ein erster Versuch Russlands gewesen sein, den Konflikt auszuweiten, überlegt De Tijd.
La Dernière Heure meint zur aktuellen Diskussion um die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Belgien: Es ist utopisch zu glauben, dass die Wehrpflicht wieder eingeführt wird. Aber ein Dienst an der Gesellschaft, warum nicht? Der muss nicht unbedingt ein Jahr dauern. Er könnte auch aufgesplittet werden: Mal ein Wochenende, mal ein paar Wochen – so, wie Universitäten, Hochschulen oder Arbeitgeber das jungen Menschen ermöglichen können. Das wäre vielleicht ganz sinnvoll. Zumindest sollte darüber mal diskutiert werden, findet La Dernière Heure.
Kay Wagner