"Die Queen verlässt zum letzten Mal Buckingham Palace", schreibt Gazet van Antwerpen auf Seite eins. "Tränen und Andacht in Westminster", so Le Soir zum Abschied der britischen Bevölkerung von ihrer verstorbenen Monarchin. "Seite an Seite für die letzte Ehre", titelt Het Nieuwsblad zu einem Foto der königlichen Familie.
Abschied wird auf den Titelseiten aber auch von einer wichtigen Figur des belgischen Fußballs genommen, nämlich vom ehemaligen Manager des RSC Anderlecht, Michel Verschueren, der im Alter von 91 Jahren verstorben ist. "Fußballwelt trauert um Anderlecht-Ikone", liest man bei Gazet van Antwerpen. "Veilchen trauern um Verschueren", schreibt das GrenzEcho.
In vielen Überschriften und in fast allen Leitartikeln geht es aber vor allem um das Thema Energie, zunächst im Kontext der gestrigen Rede von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zur Lage der Europäischen Union.
Zeit für durchdachte Konzepte
Die Energiekrise ist der Dauerbrenner dieser Tage und wird uns noch lange beschäftigen, schreibt das GrenzEcho. Dabei sind die tatsächlichen Auswirkungen noch nicht absehbar – dafür müssen wir erst den Winter abwarten. Die Politik ist seit Wochen auf allen Ebenen alarmiert. Während EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch einen Gesetzesvorschlag gegen die hohen Energiepreise ankündigte, der sowohl Produzenten von erneuerbarem Strom als auch Gas- und Ölkonzerne treffen soll, werden hierzulande überall weitere Maßnahmen debattiert. Die x-te Krise der letzten Jahre sollte uns endlich vor Augen führen, dass wir unsere Probleme anders als bisher lösen müssen. Nicht mit Hilfspaketen und immer mehr Geld, sondern mit durchdachten Konzepten. Das gilt nicht nur für die Energiepolitik, sondern für alle Politikbereiche, unterstreicht das GrenzEcho.
Die Rede von der Leyens zeigt, dass der eingeschlagene Weg langfristig in die richtige Richtung geht, hält De Tijd fest: Übergewinne von Energiebetrieben besteuern, Elektrizitäts- und Gasmärkte voneinander abkoppeln, stärker in erneuerbare Energien investieren. Aber es wäre naiv, zu glauben, dass das schon diesen Winter die Energierechnungen sinken lassen würde. Kurzfristig wird es sehr schwierig werden, wir werden, wie es die Kommissionspräsidentin sagte, auf eine harte Probe gestellt werden. Eine möglicherweise unvermeidliche Botschaft, meint De Tijd.
Die Kommissionspräsidentin hat die Lage akkurat zusammengefasst, findet L'Echo: Es ist auch ein "Krieg gegen unsere Zukunft", den der Kreml führt. Wir Europäer müssen deshalb die Reihen schließen und zusammenhalten. Und wir müssen akzeptieren, dass wir unseren Energieverbrauch reduzieren müssen. Die Kommission liefert einige Schlüsselelemente, um das hinzubekommen. Aber noch reichen die nicht, um eine gemeinsame Antwort auf den Energiepreiskrieg zu koordinieren, kritisiert L'Echo.
Schluss mit dem ewigen Schwarzer-Peter-Spiel!
Het Nieuwsblad beklagt eine erneute Echternacher Springprozession: Schon seit vielen Monaten hat sich der Mega-Sturm deutlich abgezeichnet, dennoch hat die EU-Kommission jetzt den Ball wieder zurück zu den Mitgliedsstaaten gespielt. Nachdem sie die heiße Kartoffel vorher ja der Kommission zugeschoben hatten. Zu Recht gab es denn auch Kritik an den vagen Plänen der Kommission. Aber diese Kritik war auch mit billigen Entschuldigungen gespickt. Alle überboten sich geradezu mit Barrikaden und Stolpersteinen. Aber was man kein einziges Mal hörte, war: Dann beginnen wir jetzt damit, die Hindernisse gemeinsam aus dem Weg zu räumen. Es gibt halt keinen besseren Blitzableiter als die EU, wenn es darum geht, sich vor Verantwortung zu drücken und seine Ohnmacht zu beschönigen, wettert Het Nieuwsblad.
Das Hin- und Herschieben des Schwarzen Peters zwischen Mitgliedsstaaten und den europäischen Institutionen muss aufhören – so wie auch die Jeder-für-sich-Mentalität, fordert Le Soir. Ja, Mechanismen zur Bewältigung der Energiekrise liegen ganz sicher nicht auf der Hand. Ja, es sind ultra-komplexe Probleme. Aber es ist mehr als höchste Eisenbahn, endlich Entscheidungen zu treffen. Wir verlieren Zeit, die die Bürger, die die Rechnungen bezahlen müssen, nicht haben!, giftet Le Soir.
Mini-Schritte, pure Panik und Krisenkommunikation
Neben der europäischen Ebene blicken die Kommentare der Zeitungen aber auch sehr kritisch auf die nationale Ebene, was Maßnahmen zur Entlastung der Bürger angeht: Weniger Sitzungen des Kernkabinetts, mehr Handeln!, donnert La Dernière Heure. Es heißt zwar immer, dass es vorangehe, aber die Schritte sind wirklich winzig. Das muss sich gründlich ändern! Denn nur als kleine Erinnerung: Das Fiasko des ergebnislosen Energie-Konzertierungsausschusses liegt zwei Wochen zurück. Und es dürfte niemandem entgangen sein, dass die Situation für Bürger und Wirtschaft mit jedem verstreichenden Tag dramatischer wird. Unsere politisch Verantwortlichen haben die Pflicht, die Knoten durchzuhacken. Sich hinter Europa zu verstecken, ist zu einfach. Souveräne Staaten, die ihrem Namen gerecht werden wollen, müssen selbst – zumindest zum Teil – Antworten für ihre jeweiligen Bevölkerungen finden. Ist für morgen nach dem angesetzten Kernkabinett weißer Rauch zu erwarten? Wir wetten jedenfalls, dass die nächste Sitzung schon geplant ist, so resigniert La Dernière Heure.
Het Laatste Nieuws greift den Vorstoß von Innenministerin Annelies Verlinden auf, von der Atomaufsichtsbehörde Fank prüfen zu lassen, ob der Rückbau des Atomreaktors Doel 3 möglicherweise ausgesetzt werden könnte: Unser Atomausstieg war schon immer ein ziemlich typisches Beispiel von belgischem Absurdismus, schreibt das Blatt. Aber die vorläufig jüngste Episode, die dem Fass wirklich den Boden ausschlägt, haben wir jetzt gesehen. Was sollen wir denn sonst denken vom plötzlichen Einfall der Innenministerin? Anderthalb Wochen, bevor Doel 3 zugemacht werden soll. Warum ist das Verlinden nicht schon früher in den Sinn gekommen, zum Beispiel, als die Regierung über den "Winterplan" sprach? Das ist doch jetzt pure Panik!, beklagt Het Laatste Nieuws.
Warum tun Politiker so etwas?, fragt sich De Morgen. Vielleicht hat sie wirklich die Panik gepackt. Sie spüren den Druck aus der Bevölkerung und kommen deshalb mit ungelegten Eiern oder versuchen, Verantwortung abzuwälzen. Genau damit machen sie alles nur noch schlimmer. Denn die wichtigste Regel in der Krisenkommunikation ist nach wie vor: Ruhig die Wahrheit sagen, mahnt De Morgen.
Boris Schmidt