"Energiepreise gehen weiter über Schmerzgrenze hinaus", titelt De Standaard. "Jetzt auch dunkle Wolken über Unternehmen", so die Schlagzeile bei De Morgen. "De Croo warnt: 'Es werden noch zehn schwere Winter auf uns zukommen'", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins.
Die hohen Energiepreise und die damit düsteren Aussichten für die kommenden Monate greifen einige Zeitungen auch in ihren Leitartikeln auf. Het Nieuwsblad kommentiert: Was Premierminister De Croo gestern gesagt hat, war nicht falsch. Nicht allein in diesem Jahr, sondern in den kommenden fünf bis zehn Jahren werden wir vor schwierigen Wintermonaten stehen. Das ist richtig und schlimm. Was bei De Croos Rede allerdings fehlte, war ein Weckruf, ein Aufruf zum Handeln. Seine alarmierenden Worte waren ein bisschen wie der Klang, der ertönt, wenn man auf eine leere Gasflasche schlägt: nämlich hohl, kritisiert Het Nieuwsblad.
Het Laatste Nieuws hält fest: Der Winter kommt - das haben wir mittlerweile begriffen. Nach den Ferien kommt die Rezession. Und natürlich gönnen wir den Politikern ihren Urlaub. Aber ein bisschen fragen wir uns schon: Arbeiten die Politiker im Schatten der Sommersonne an irgendeinem Plan für den Winter? Sind wir dabei, alles Gas aus Europa abzupumpen? Lassen wir die Kernkraftwerke doch länger laufen? Beschleunigen wir die nachhaltige Energiezukunft? In der Politik herrscht auffallend Windstille in diesen stürmischen Zeiten, bemerkt Het Laatste Nieuws.
Ein Test für die Fähigkeit, solidarisch zu sein
De Standaard meint: In den kommenden Monaten wird nicht nur unser persönlicher Komfort in Frage gestellt. Es wird ein Test werden für unsere Fähigkeit, solidarisch zu sein in Flandern, Belgien und Europa. Angesichts des Kriegs vor den Toren Europas geht es um die Frage, wie geschlossen wir beieinanderstehen. Der Preis der aktuellen Krise drückt sich nicht allein in Euro oder Dollars aus, betont De Standaard.
Die Wirtschaftszeitung L'Echo findet: Es ist gut, dass Unternehmen jetzt schon Gas und Ölprodukte bunkern, um möglichst gut durch den Winter zu kommen. Aber wir würden die Chancen der Energiekrise verspielen, wenn die Lösung wieder nur in fossilen Brennstoffen gesucht würde. Im Jahr 2022 geht das nicht mehr. Der Weg muss zu massiven Investitionen in erneuerbare Energien führen – Sonne und Wind sind kostenlos. Und zum Energiesparen überall dort, wo es möglich ist, fordert L'Echo.
L'Avenir beschäftigt sich mit dem Kampf gegen die Drogenkriminalität und führt aus: Antwerpens Bürgermeister Bart De Wever fordert von der Föderalpolitik mehr Zuständigkeiten für die lokale Ebene. Innenministerin Annelies Verlinden will solche Vorschläge nach der Sommerpause tatsächlich auch vorlegen. Aber machen wir uns nichts vor: Die Kommunen können den Kampf gegen die internationale Drogenkriminalität nicht alleine gewinnen. Dafür bedarf es mehr, unterstreicht L'Avenir.
Drogenkriminalität und Rechtsstaat
De Tijd sieht das genauso und meint sogar: In diesem Kampf gegen die Drogenmafia geht es um mehr als nur Drogen. Es geht um den Rechtsstaat. Er muss sich wieder behaupten gegen die fast schon öffentliche Kriminalität, mit der die Drogenmafia das Alltagsleben in Antwerpen erschüttert. Das Ziel ist also klar: Die Macht der Drogenbanden muss gebrochen werden. Das wird nur gelingen, wenn alle Teile der Gesellschaft, des Rechtsstaats, wenn man so will, an einem Strang ziehen: vom Bürger über Lokal- und Föderalpolitiker, Polizei, Zoll, Justiz und die Regierungen in weit entfernten Ländern. Wir sollten versuchen, diese Einheit zu bilden und so stark zu machen wie möglich, rät De Tijd.
La Dernière Heure schaut nach Finnland. Dort steht die noch junge Premierministerin Sanna Marin in der Kritik. In sozialen Netzwerken war ein Video aufgetaucht, auf dem Marin bei einer privaten Party in ausgelassener Stimmung und beim Tanzen zu sehen ist. Eine Frau mit viel politischer Macht, die sich amüsiert, ausgelassen mit Freunden zu teuflischen Rhythmen tanzt, ist das schockierend?, fragt die Zeitung. Wir finden Nein. Auch Politiker haben ein Recht darauf zu leben, ihre Freizeit so zu gestalten, dass sie abschalten können von der Politik. Zumal die junge Frau nichts Schlimmes getan hat. Das Video ist kein Sextape, die Vorwürfe von Drogen- und übermäßigem Alkoholkonsum waren aus der Luft gegriffen. Die ganze Polemik ist einfach absurd, findet La Dernière Heure.
Ende der Globalisierung
Das GrenzEcho notiert zum Krieg in der Ukraine: Vor einem halben Jahr, am 23. Februar, hatten viele einen Angriff Russlands auf die Ukraine nicht für möglich gehalten. Am 24. in der Früh war das Undenkbare Realität geworden. Ob dieser Tag als eine Zäsur einst in die Geschichtsbücher geht, wird sich zeigen. Fakt ist jedenfalls, dass wir in einer Zeitenwende leben. Die Welt ist definitiv dabei, sich neu zu sortieren. Das Ende der Globalisierung ist eingeläutet. Dieser Prozess wird noch an anderen Stellen in der Welt zu gravierenden Problemen führen, prophezeit das GrenzEcho.
Kay Wagner