"Tauziehen zwischen 242 Scouts und einer wallonischen Gemeinde", titelt Le Soir zu einem Konflikt, der besonders im Norden des Landes für Wirbel sorgt. "Als ob eine Horde wilder Wikinger in meinem Garten stehen würde", zitiert Gazet van Antwerpen eine Anwohnerin des Ferienlagers einer Scoutgruppe aus Antwerpen in La-Roche-en-Ardenne in der Provinz Luxemburg. "Staatsrat beschließt: Scoutcamp darf bleiben", meldet aber unter anderem Het Laatste Nieuws die jüngste Entwicklung dieser Sommer-Saga.
Der Bürgermeister von La-Roche-en-Ardenne hatte einen Platzverweis gegen die Pfadfinder ausgesprochen, nachdem es mehrere Beschwerden gegeben hatte. Unter anderem über nächtlichen Lärm, herumliegenden Abfall, die Benutzung von Kerzen trotz der Brandgefahr, wegen der Trockenheit und weil Scouts Privatgärten als Feldlatrinen missbraucht haben sollen. Um ihr Ferienlager nicht räumen zu müssen, reichten die Pfadfinder daraufhin einen Eilantrag beim Staatsrat ein. Der sah die öffentliche Sicherheit beziehungsweise Ordnung nicht in Gefahr und kassierte die Anweisung des Bürgermeisters als unverhältnismäßig.
Zu extreme Sanktion
Das sieht auch Gazet van Antwerpen so: Ein derartiger Eingriff der örtlichen Behörden wäre gerechtfertigt gewesen bei wirklich groben Entgleisungen, beispielsweise bei schwerem Vandalismus oder Aggressionen. Aber nicht wegen ein paar Kerzen, nächtlichen Partys und Notdurften am falschen Platz. Ein Platzverweis wäre hier wirklich eine zu extreme Sanktion gewesen. Nicht nur für die Kinder und ihre Betreuer, sondern auch für die Eltern, die sich dann ja um eine Ersatzbeschäftigung für ihre Sprösslinge hätten kümmern müssen.
Wenn jetzt, nach dem Machtwort des Staatsrats, alle einen kühlen Kopf bewahren, dann könnte der Ardennenaufenthalt doch noch gesellig für alle werden. Aber bitte Nachtruhe nach 22 Uhr. Und da aufs Klo gehen, wo das vorgesehen ist. Denn ein zweites Mal kann man dem Staatsrat nicht zumuten, sich mit so etwas zu befassen, scheint Gazet van Antwerpen die Augen zu verdrehen.
So weit hätte es doch wirklich nicht kommen müssen
Hier ist aus einer Mücke ein Elefant gemacht worden, findet Het Nieuwsblad: Ja, das Ferienlager hat wohl nicht unter optimalen Bedingungen und unter Beachtung geltender Normen stattgefunden. Aber die Entscheidung des Bürgermeisters war trotzdem sehr drastisch. Im Kern scheint es bei dem Konflikt vor allem um den Lärm zu gehen, den die Kinder gemacht haben. Über so etwas beschweren sich heutzutage immer mehr Menschen. Dabei ist der Lärm spielender Kinder doch viel weniger schlimm und auch viel kürzer als der Krach von Lkws, Flugzeugen und Baustellen. In einem so dichtbesiedelten und kleinen Land wie unserem kann man ja wohl keine Stille wie im einsamen Patagonien verlangen. Allerdings muss der Respekt vor den Mitmenschen auch immer eine Priorität sein. Wenn es damit Probleme gibt, dann muss darüber gesprochen werden, um Lösungen zu finden. Und nicht gleich die dicke Keule geschwungen werden, fordert Het Nieuwsblad.
Es hätte sicher eine bessere Lösung gegeben, bei allem Verständnis für den Bürgermeister, meint Het Laatste Nieuws. Einseitig wegen des Fehlverhaltens einiger weniger alle Kinder nach Hause schicken zu wollen, war jedenfalls nicht die richtige Reaktion. Grund zum Jubeln über die Entscheidung des Staatsrats gibt es dennoch nicht: Es wird schon seit Jahren immer schwieriger, Zeltplätze für Ferienlager zu finden. Und so manche Gemeinde wird es sich jetzt in Zukunft sicher zwei Mal überlegen, ob sie sich angesichts möglicher juristischer Scherereien noch auf so etwas einlassen will. So weit hätte es doch wirklich nicht kommen müssen, beklagt Het Laatste Nieuws.
Spiel mit dem Feuer
La Libre Belgique blickt auf die Situation im Osten der Demokratischen Republik Kongo, dort kommt es seit Tagen zu immer heftigeren Protesten gegen die UN-Mission, über 20 Menschen sind dabei bereits ums Leben gekommen. Jetzt hat die kongolesische Regierung Truppen mobilisiert, um die Lage zu beruhigen. Nachdem ja unter anderem der Präsident des kongolesischen Senats zuvor die Wut der örtlichen Bevölkerung gegen die UN-Mission kräftig geschürt hatte.
Die Verantwortlichen des Landes haben am Vorabend des anstehenden Präsidentschaftswahlkampfs weder politisch noch wirtschaftlich viel vorzuweisen. Dass die Politik stattdessen also offensichtlich anderweitig bei den Wählern zu punkten versucht, ist ein Spiel mit dem Feuer. Aber dass die kongolesische Politik hier die Zukunft unter anderem ihres Volkes riskiert, scheint die internationale Gemeinschaft wenig zu interessieren. Die sieht großzügig über alle Probleme hinweg, denn für sie geht es vor allem um die Bodenschätze des Landes, kritisiert La Libre Belgique.
L'Avenir fragt sich, was Belgien konkret tun könnte, um das Leben der Menschen unter anderem im Kongo zu verbessern. Und kommt zu dem Schluss, dass das unter den aktuellen Umständen wohl nicht allzu viel ist. Die internationale Gemeinschaft ist vor allem mit dem russischen Überfall auf die Ukraine beschäftigt. Deeskalation, gerade hinsichtlich des ruandischen Nachbarn, scheint auch nicht in den Karten zu stehen. Zumindest nicht, solange bestimmte Spieler die Rivalität zwischen den beiden Ländern weiter anheizen. Belgien bleibt also wohl wenig mehr, als zu versuchen, noch lauter als bisher Alarm zu schlagen angesichts der immer explosiver werdenden Lage im Ostkongo, so resigniert L'Avenir.
Boris Schmidt