"Hilde Crevits wird Nachfolgerin von Wouter Beke", titeln Gazet van Antwerpen und Het Laatste Nieuws. "Dann doch: Hilde Crevits ersetzt Wouter Beke", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. "Crevits übernimmt die Gesundheit von Beke", so die Schlagzeile von De Morgen. Het Belang van Limburg wird präziser: "Crevits wird Gesundheitsministerin - Brouns übernimmt die Bereiche Beschäftigung, Wirtschaft und Landwirtschaft", schreibt das Blatt.
"Eine Politikerin anderen Typs"
In der flämischen Regierung steht ein Stühlerücken an. Dies allerdings nur in den Reihen der CD&V. Ersetzt werden musste der CD&V-Gesundheitsminister Wouter Beke, der hatte nämlich am vergangenen Donnerstag seinen Rücktritt angekündigt. Seine Nachfolgerin wird die bisherige Ministerkollegin Hilde Crevits, die bis jetzt für Beschäftigung, Wirtschaft und Landwirtschaft zuständig war. Sie wird also jetzt Gesundheitsministerin und gibt ihre bisherigen Zuständigkeiten an Jo Brouns ab. Der 47-Jährige kommt aus dem limburgischen Kinrooi.
"Crevits wird gleich die Ärmel hochkrempeln müssen", analysiert Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel. Gesundheit ist ein immenses Ressort, der Bereich verschlingt ein Viertel des flämischen Budgets. Wir haben in der Vergangenheit gesehen, wie oft sich ein Minister wegen eines Fehlers in dieser endlos langen Kette verantworten musste. Wie oft musste nicht ihrem Vorgänger Wouter Beke seine Zuständigkeiten unter die Nase gerieben werden? Naja, Crevits ist eine Politikerin eines anderen Typs. Und sie ist und bleibt die starke Frau ihrer Partei, die heimliche Vorsitzende. Eine der wenigen Lichtgestalten unter den Christdemokraten. Und das ist das eigentliche Problem der Partei.
EU-Warnung und PS-Fantasien
Einige Zeitungen sorgen sich um die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Landes: "Die belgische Wirtschaft dümpelt unter den EU-Schlusslichtern", so die Aufmachergeschichte von Het Nieuwsblad. Überdurchschnittlich hohe Inflation, überdurchschnittlich hohes Haushaltsdefizit, unterdurchschnittliches Wachstum, so, grob zusammengefasst, das Fazit der EU-Frühjahrsprognose für Belgien. "Die EU warnt Belgien wegen seiner hohen Staatsausgaben", so die bedrohliche Schlagzeile von De Tijd. "Hohes Haushaltsdefizit: Die EU prangert die Lohn-Index-Bindung an", notiert L'Echo.
Ebenfalls gestern hat aber auch die PS ihre Ideen vorgestellt, wie man die Kaufkraft stärken könnte: 13 Vorschläge, mit denen die frankophonen Sozialisten insbesondere der Mittelschicht unter die Arme greifen wollen. "Das Timing ist womöglich Zufall", meint De Standaard in seinem Leitartikel. Der Kontrast könnte aber schrillender nicht sein: Auf der einen Seite warnt die EU vor einer besorgniserregenden Verschlechterung der belgischen Staatsfinanzen. Und auf der anderen Seite wollen die Sozialisten für 6,5 Milliarden Euro Geschenke an die Mittelklasse verteilen. Ja, Sie hören richtig: an die Mittelklasse. Nicht wirklich die Bevölkerungsgruppe, die es am nötigsten hätte. Die Feststellung, dass die Bäume nunmal nicht in den Himmel wachsen, ist bei der PS offensichtlich immer noch nicht angekommen. Bei der EU-Kommission dagegen durchaus. Fasst man die Diagnose des Frühlingsgutachtens zusammen, dann lautet das Fazit, dass Belgien wieder im Begriff ist, zum "kranken Mann Europas" zu werden. Aber statt sich darüber Sorgen zu machen, lässt die PS lieber wieder sündhaft teure Ballons steigen.
Het Nieuwsblad macht ebenfalls eine giftige Analyse: Der PS-Katalog ignoriert vollkommen den aktuellen wirtschaftlichen und finanzpolitischen Kontext. Stattdessen werden hier noch Erwartungen geschürt. Erwartungen, die angesichts leerer Staatskassen nie erfüllt werden können. Der PS-Vorschlag ist nicht mehr als ein Wurfzettel für Wahlkampfzeiten.
Auch L'Echo ist skeptisch angesichts der neuen PS-Vorschläge. Ziel des Vorstoßes war es wohl, mal kräftig ins Wespennest zu treten und bei der Gelegenheit auch noch der marxistischen PTB das Wasser abzugraben. Die eine oder andere Idee mag tatsächlich eine Debatte wert sein. Aber unterm Strich stellt sich immer die Frage, wie das Ganze denn finanziert werden soll. Die PS recycelt hier eigentlich nur ein paar altbekannte Rezepte, die im Großen und Ganzen meist auf eine Besteuerung von Kapitaleinkünften hinauslaufen. Das eigentlich Schlimme ist, dass die Sozialisten hier nur sehr wenig Raum für Kompromisse lassen.
Progressiv - aber nicht zeitgemäß
De Tijd geht noch einen Schritt weiter: Eigentlich sabotiert die PS hier die Politik von Premierminister Alexander De Croo. Der hatte doch gerade erst ein Expertengremium eingesetzt, das Vorschläge zur Stärkung der Kaufkraft erarbeiten soll. Das wäre mal eine neutrale Expertise, eine Objektivierung der Lage und der sich daraus ergebenden Spielräume. So würde vielleicht auch mal das eine oder andere Kind beim Namen genannt. Dieses Ziel hat die PS gleich schon wieder untergraben.
Pünktlich an dem Tag, an dem die Spritpreise durch die Decke gehen, springt PS-Chef Paul Magnette wie ein rotes Teufelchen aus der Dose, meint seinerseits Het Laatste Nieuws. Aber zugegeben: Die Analyse an sich entbehrt nicht jeder Grundlage. Die untere Mittelschicht ist wirklich nicht in einer beneidenswerten Lage. Wer weniger verdient, der kommt in den Genuss von allerlei Sozialtarifen. Und wer mehr verdient, für den lohnt sich der Index. Die untere Mittelschicht sitzt beide Male daneben. Schön und gut, aber man vermisst in dem sozialistischen Katalog Ideen, um mehr Menschen ins Arbeitsleben zu bringen. Denn hier fängt Solidarität eigentlich an: Jeder muss Verantwortung übernehmen. Wie kann es sein, dass eine sozialistische Partei diese Baustelle nicht sieht?
Auch die linksgerichtete Zeitung De Morgen ist nicht grundsätzlich abgeneigt, vermisst aber einige Ansätze. Dass eine sozialistische Partei linke Ideen vorstellt, darf doch eigentlich niemanden verwundern. Und die zu erwartende Empörung der rechten Parteien in Flandern kann man auch mal überhören, denn die Nöte der unteren Mittelschicht sind durchaus real. Insgesamt also eine noble Initiative, der es aber komplett an Nachhaltigkeit mangelt. Zum Beispiel, wenn die PS jetzt Heizöl bezuschussen will, statt die Energiewende entschlossener voranzutreiben. Diese Politik mag progressiv sein, sie ist nicht zeitgemäß.
Roger Pint