"Die Ukraine bereitet sich auf die historische Schlacht um den Donbass vor", so der große Aufmacher bei De Standaard. "Größte Offensive seit Beginn des Krieges", titelt Het Nieuwsblad. "Umkämpfter Hafenstadt Mariupol droht der Fall", liest man beim GrenzEcho auf Seite eins. "Kampf bis zum bitteren Ende um die Großstadt Mariupol", schreibt auch Gazet van Antwerpen.
Le Soir blickt auf die Wiederaufnahme des politischen Tagesgeschäfts nach der Osterpause: Die Vivaldi-Regierung ist eine Krisenregierung. Von Covid bis zum Ukrainekrieg sieht sich die Siebenparteienkoalition schweren Prüfungen ausgesetzt, wie wir sie seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen haben. Das hat zwar nicht dazu geführt, dass die Partner zusammengewachsen wären, aber es hat der Vivaldi geholfen, den Kopf über Wasser zu halten. Jetzt wird aber im Großen und Ganzen gelten: "Das politische Leben geht weiter". Vor dem Hintergrund der Pandemie, die auf kleinem Feuer weiterköchelt, und dem fortdauernden Krieg in der Ukraine, akzentuiert vom laufenden Präsidentschaftswahlkampf in Frankreich, werden die Koalitionspartner ihren Raum zum Manövrieren nutzen und sich in den Wahlkampfmodus begeben. Das wird insbesondere für die Liberalen von der MR unter Georges-Louis Bouchez gelten und für die Sozialisten mit Blick auf den 1. Mai, analysiert Le Soir.
Die CD&V muss liefern
Die flämischen Zeitungen blicken in dieser Hinsicht vor allem auf die flämischen Christdemokraten CD&V. Die werden Ende der Woche ihren Parteikongress abhalten. "Wir müssen die Belastungen von der Arbeit zu den größten Vermögen verschieben. Unser Kernanliegen wird das Einkommen der Menschen werden. Dafür werden wir mit radikalen Vorschlägen kommen", zitiert Het Belang van Limburg in seinem Kommentar den CD&V-Parteivorsitzenden Joachim Coens. Sein Mandat läuft im Dezember ab, erinnert die Zeitung. Bis dahin will der Vorsitzende der einst größten Partei Flanderns noch einmal alle Register ziehen, um zu verhindern, dass seine CD&V von der politischen Landkarte gefegt wird. Ein Schicksal, das schon so viele andere Traditionsparteien ereilt hat. Aber um ihr politisches Überleben zu sichern, wird die CD&V viel mehr bringen müssen als einen neuen Stil, einen neuen "Look & Feel", einen neuen Slogan oder ein Boosterfest, meint Het Belang van Limburg.
Lohndebatte und soziale Ungleichheiten
Die Wirtschaftszeitung L'Echo ruft derweil dazu auf, die Lohndebatte neu zu eröffnen: Aus Sicht der Arbeitgeber kann die automatische Indexanpassung der Löhne im Zusammenhang mit der hohen Inflation zu einem ernsten Wettbewerbsnachteil für belgische Unternehmen führen. Denn in den Nachbarländern existieren solche Mechanismen ja nicht. Das kann Arbeitsplätze kosten. Aus Sicht der Arbeitnehmer kompensiert die Lohnindexierung die reelle Entwicklung der Preise nur unzureichend. Hinzu kommt, dass es jenseits der automatischen Indexanpassung quasi keinen Spielraum für Lohnerhöhungen gibt wegen des Lohnnormgesetzes von 1996. Muss also die Lohnindexierung überdacht werden? Muss das Gesetz von 1996 abgeschafft werden und müssen die Gehälter frei verhandelbar werden? Muss die Inflationsberechnung angepasst werden? Viele Fragen, die Regierung und Sozialpartner dringend und offen diskutieren müssen, denn die aktuelle Situation stellt niemanden zufrieden. Wir brauchen vor allem Flexibilität. Nur so können wir ein besseres Gleichgewicht finden zwischen dem Schutz der Kaufkraft der Bürger einerseits und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und den Arbeitsplätzen andererseits, fordert L'Echo.
La Dernière Heure macht sich allgemeinere Gedanken: US-Präsident Joe Biden hat auf die Frage eines Journalisten, wie das Problem der Mangelberufe gelöst werden kann, geantwortet, dass man eben höhere Löhne zahlen muss. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat sich über die astronomischen Gehälter bestimmter Geschäftsführer empört. Belgiens liberaler Premier Alexander De Croo hat gesagt, dass der freie Markt sich vollkommen hysterisch und irrational verhält. Drei Spitzenpolitiker, denen man wohl beim besten Willen nicht vorwerfen kann, linkem Populismus zu frönen. Aber sie sind sich offenbar einig, dass in diesen Krisenzeiten Lösungen gefunden werden müssen für die kleinen Einkommen. Und dass diese Lösungen in einer Regulierung der Großverdiener liegen könnten. Aber können die Staatschefs tatsächlich zu einer Einigung mit der Wirtschaft kommen, um die sozialen Ungleichheiten zu verringern? Oder ist das nur ein naiver Wunschtraum?, fragt La Dernière Heure.
Welchen Sinn hat dieser Prozess?
In Haren bei Brüssel beginnt heute der Prozess gegen 14 Angeklagte wegen ihrer mutmaßlichen Rolle bei den Terroranschlägen von Paris im November 2015. Das greift L'Avenir in ihrem Leitartikel auf. Man kann sich schon fragen, wieviel Sinn dieser Prozess macht, so das Blatt. Aus zwei Gründen: Zum einen geht es um kleine Fische. Der Prozess in Brüssel findet vor der Korrektionalkammer statt, die mögliche Höchststrafe liegt bei fünf Jahren Gefängnis. Gleichzeitig läuft in Paris der Assisenprozess gegen die Hauptangeklagten. Aber auch dort sitzen einige eher kleine Helfer mit auf der Anklagebank. Warum also ein separater Prozess für andere in Brüssel? Zweiter Punkt: Im Oktober beginnt in Brüssel der große Prozess um die Anschläge in Belgien vom März 2016, erinnert L'Avenir.
Boris Schmidt