"Biden in Brüssel, um die westliche Einheit zu stärken", titelt Le Soir. "Zeigen, dass der Westen geeint ist", so die Schlagzeile bei Het Nieuwsblad. "Ein starkes Signal in Richtung Russland", notiert Gazet van Antwerpen auf Seite eins.
Warum der Besuch von Biden wichtig ist
US-Präsidenten Joe Biden ist gestern Abend in Brüssel eingetroffen, um heute an Gesprächen von Nato, G7 und EU teilzunehmen. Im Mittelpunkt werden die westlichen Reaktionen auf den Krieg in der Ukraine stehen.
Dazu kommentiert De Tijd: Ziel des heutigen Gipfel-Tags von Biden ist es, die diplomatische und wirtschaftliche Front gegen Russland zu stärken. Diese Einheit des Westens hat der russische Präsident Putin eindeutig falsch eingeschätzt. Statt sich untereinander über die Frage zu streiten, wie auf den russischen Einmarsch in der Ukraine reagiert werden soll, sind die EU-Staaten enger zusammengerückt. Diese Einheit droht jedoch, nicht dauerhaft zu sein. Je länger der Krieg dauert, je deutlicher werden die einzelnen Staaten auch bei sich die Auswirkungen der Sanktionen spüren, die gegen Russland verhängt worden sind. Biden weiß das, weshalb sein Besuch in Brüssel gut ist, um die noch bestehende Einheitsfront zu stärken. Diese Frontbildung schränkt die Schlagkraft der russischen Wirtschaft erheblich ein, und genau das ist das Ziel, resümiert De Tijd.
L’Echo bemerkt: Sehr wahrscheinlich wird heute die starke Verbundenheit der USA mit Europa wieder einmal bekräftigt werden. Aber Vorsicht: Europa ist für die USA zum Nebenschauplatz geworden. Das Hauptaugenmerk der Amerikaner liegt seit einiger Zeit auf China. Deshalb ist es richtig, dass die europäischen Staaten ihr Schicksal auch unabhängig von den USA in die eigenen Hände nehmen. Zum Beispiel dadurch, dass sie wieder mehr in ihre Verteidigung investieren. Dass Belgien das auch tut, ist gut. Gestern Abend hat das Kernkabinett beschlossen, eine Milliarde Euro zusätzlich bis 2024 für die Aufrüstung der belgischen Streitkräfte bereitzustellen, lobt L’Echo.
Ein Monat Krieg: neue Weltordnung und neue Großzügigkeit
La Libre Belgique erinnert: Heute genau vor einem Monat hat der Krieg in der Ukraine begonnen. Er hat unsere Welt nachhaltig verändert. Wir müssen wieder Angst vor Kriegstreibern und sogar vor Atomwaffen haben. Dabei ist es zwar sehr menschlich, dass wir uns nach einem Monat voll von Kriegsberichten jetzt langsam wieder anderen Themen zuwenden. Trotzdem können wir nicht so tun, als ob alles wieder sein könnte wie vorher. Wir müssen uns grundsätzlich Gedanken über die Weltordnung machen und darauf achten, dass wir selbst Herr des Geschehens bleiben. Ansonsten drohen Autokraten wie Putin oder auch der Chinese Xi Jinping das für uns zu übernehmen, philosophiert La Libre Belgique.
L’Avenir freut sich über die Großzügigkeit, mit der in Belgien zurzeit Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen werden. Kritisch heißt es jedoch auch: Es ist eine bittere Beobachtung. Der Empfang von Flüchtlingen ist nicht immer gleich bei uns. Zehntausende Ukrainer bekommen jetzt Rechte, die einige tausend Afghanen oder auch Flüchtlinge aus anderen Ländern sich über Hungerstreiks haben erkämpfen müssen. Hungerstreiks, die übrigens die Mehrheit der Bevölkerung kalt gelassen haben. Die politisch Verantwortlichen an erster Stelle, ärgert sich L’Avenir.
Groen: Hellgrün oder Dunkelgrün?
In Flandern ist die Vorsitzende der Grünen, Meyrem Almaci, von ihrem Amt zurückgetreten. De Standaard analysiert: Groen hat sich in den vergangenen Monaten und Jahren vor allem dadurch ausgezeichnet, dass die Partei an Prinzipien festgehalten hat. Koste es, was es wolle. Das ist kaum mehr zeitgemäß. Grüne Politiker im Ausland zeigen, dass man durchaus auch Prinzipien ändern kann, wenn die Umstände es nahelegen. Jemand neues an der Spitze von Groen könnte diese größere Flexibilität vorleben. Hellgrün statt dunkelgrün täte Groen gut, glaubt De Standaard.
Ganz anders sieht es De Morgen und führt aus: Es tut den Grünen nicht gut, dass sie Teil der Föderalregierung sind. Denn dort müssen sie Entscheidungen mittragen, die eigentlich gegen ihre Überzeugungen sind. Die Atom-Entscheidung von vor wenigen Tagen ist nur eins von vielen Beispielen. Auch Almaci hat die Grünen in diese verzwickte Situation gebracht. Ihr Nachfolger wird es nicht einfach haben. Klar ist jedoch: Er muss die ideologischen Ziele der Partei wieder mutiger verteidigen, wenn Groen ihre Wähler, die in letzter Zeit so manche Kröte haben schlucken müssen, nicht ganz verlieren möchte, meint De Morgen.
Het Laatste Nieuws stellt fest: Lastenräder, um Bio-Produkte aus dem Supermarkt nach Hause zu bringen, Freizeitschuhe aus recyceltem Material, die Sorge ums Klima: Grüne Themen sind eigentlich so populär wie nie. Grüne Politiker hingegen sind es nicht. Das ist fast schon ein Paradox. Deshalb täte es Groen jetzt gut, einen neuen Vorsitzenden zu finden, der die Partei genau so populär macht wie ihre Themen, rät Het Laatste Nieuws.
Kay Wagner