"Belgien hat seinen großen Energieplan", so der Aufmacher von Le Soir. "Endlich eine Energieeinigung", schreibt De Standaard. "Eins über Ausstieg aus dem Ausstieg: Zwei Meiler bleiben am Netz - Zwei neue Gaskraftwerke kommen - Eine Milliarde für Energiewende", fasst das GrenzEcho die wichtigsten Punkte der zukünftigen belgischen Energiestrategie zusammen. "Belgien verpflichtet sich zu zehn weiteren Jahren Atomkraft", lautet die nüchterne Überschrift bei L'Echo.
Jetzt muss es nur noch vorangehen
Der Atomausstieg ist offiziell tot, konstatiert Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Die nächsten zehn Jahre sollen die beiden jüngsten Reaktoren, Doel 4 und Tihange 3, weiterlaufen. Wenn jetzt noch der französische Energiekonzern Engie als Betreiber mitspielt, dann scheint die Föderalregierung einen Schlussstrich unter eine der durchgedrehtesten Diskussionen in der Rue de la Loi ziehen zu können. In keinem anderen Bereich der Politik sind in den vergangenen 20 Jahren so viele Fehler gemacht worden wie bei der Energie. Erst im allerletzten Moment, mit einem Krieg in Europa im Nacken und sich abzeichnenden Black-Outs hat die Regierung einen Deal zusammengezimmert. Wenn das auch nur unter Vorbehalt gilt, denn Engie und die Europäische Kommission müssen auch noch überzeugt werden. Die Arbeit ist noch lange nicht getan, der nächste, unvermeidliche Schritt ist dann die Energiewende. Ob die geplanten Maßnahmen dafür reichen werden, wird man sehen müssen. Aber immerhin ist der Stein aus dem Schuh und ist die verrückte Diskussion ad acta gelegt. Jetzt muss es nur noch vorangehen, so Het Nieuwsblad.
Es ist passiert. Endlich. Das Ende einer schlechten Saga. Der Atomausstieg ist verschoben, freut sich Het Laatste Nieuws. Allerdings liegen noch viele Stolpersteine auf dem Weg zum Ausgang: Die Föderalregierung muss sich zum Beispiel mit Engie auf einen bezahlbaren und machbaren Deal einigen. Und man darf sich schon die Frage stellen, ob es wirklich eine Krise gebraucht hat, um die Energiewende zu beschleunigen. Was die Grünen betrifft, so werden sie nicht in die Geschichte eingehen als die Partei, die den Atomausstieg wahrgemacht hat. Zumindest nicht den vollständigen. Wichtiger ist aber die Frage, ob es die Regierung schaffen wird, mitten in einem Krieg auf europäischem Boden die Energiewende hinzubekommen. Wir wollen 2035 nämlich nicht die Risse in den übrigen Kernzentralen zuspachteln müssen, warnt Het Laatste Nieuws.
Die am wenigsten schlechte Wahl
Die Atomkraft mag zwar nicht die ideale Energiequelle für die Zukunft sein, gibt La Dernière Heure zu. Aber in einer Zeit, in der sich viele Belgier zwischen Heizen und Tanken entscheiden müssen, wenn sie nicht ohnehin auf beides verzichten müssen, ist die Atomkraft die am wenigsten schlechte Wahl. Trotz all ihrer unbestreitbaren Nachteile kann die Technologie eben in vielen entscheidenden Bereichen punkten: Sie ist konstant verfügbar, stößt wenig CO2 aus, die Technik ist erprobt, die Leistung gut, die Produktionskosten überschaubar. Gänzlich unabhängig macht sie uns zwar nicht, denn eigenes Uran haben wir auch nicht. Aber zumindest beschützt sie uns vor den geopolitischen Fluktuationen und den Preisspekulanten auf den volatilen Märkten, die unseren Geldbeuteln so wehtun, ist La Dernière Heure überzeugt.
Die Föderalregierung hat sich im Prinzip geeinigt, unterstreicht De Tijd. Aber hier sitzen noch viele Teufel in den Details der tatsächlichen Ausarbeitung. Viele gute Seiten hat das ganze Dossier ohnehin nicht mehr, dafür hat das Missmanagement viel zu lange gedauert. Aber zumindest bietet die prinzipielle Einigung eine Aussicht auf einen Ausweg aus dieser üblen Geschichte. Die Vivaldi-Koalition kann nach 20 Jahren Stümperei die Gelegenheit ergreifen, um einer langfristigen Energiepolitik Form zu verleihen. Mit einem absoluten Fokus auf Versorgungssicherheit und einem Umsteigen auf klimafreundlichere Energieformen. Ohne das ganze Herumgeeiere. Ohne die parteipolitischen Spielchen. Die Regierung De Croo hat jetzt die Chance, zu beweisen, dass sie es besser kann als ihre Vorgänger. Dazu wird sie über sich hinauswachsen müssen. Denn die prinzipielle Einigung von Freitag war nur ein erster, kleiner Schritt, betont De Tijd.
Für L'Echo ist die Energieeinigung eine Minimaleinigung: Die Regierung hatte gesagt, dass man sich am 18. März einigen werde. Und dieses Mal hat sie Wort gehalten. Mit einer Einigung, die laut und deutlich sagt: Ja, diese Regierung ist noch in der Lage, etwas hinzubekommen. Ja, selbst mit sieben so unterschiedlichen Parteien. Ja, selbst in einem so kontroversen Dossier wie der Energie. Das ist schon eine beachtliche Leistung. Wagemutig ist sie aber nicht, die Entscheidung. Und sie hat es auch noch nicht geschafft, Belgien fest auf den Weg zu der echten Strategie für die Energiewende zu setzen, auf die das Land seit 20 Jahren wartet, bemängelt L'Echo.
Das europäische Gesellschaftsprojekt von morgen
Offiziell war es der Krieg in der Ukraine, der alles geändert hat, der die ideologischen Mauern zum Einsturz gebracht hat, hält La Libre Belgique fest. In Wirklichkeit war es aber einfach unvermeidlich, dass stärker auf energetische Autonomie gesetzt wird, dass der Ausstoß von Treibhausgasen gesenkt wird, dass die Rechnungen für Privathaushalte und Firmen unter Kontrolle gebracht werden. Der vollständige Atomausstieg 2025 war einfach unrealistisch geworden, er war nicht mehr zu verteidigen.
Die am Freitag vorgestellte Zukunftsvision wird zum europäischen Gesellschaftsprojekt von morgen werden. Wir müssen uns aus der Abhängigkeit von Öl und Gas lösen und damit aus der Abhängigkeit Russlands und der Golfstaaten. Dafür werden wir auf neue Technologien setzen müssen und auf massive Investitionen in erneuerbare Energien. Wir werden es aber auch nicht vermeiden können, unsere Alltagsgewohnheiten infrage stellen zu müssen, unterstreicht La Libre Belgique.
Boris Schmidt